Epigenetische Veränderungen durch regelmäßige Bewegung
Konsequente körperliche Betätigung wirkt sich laut einer aktuellen Studie nicht nur positiv auf die Figur aus, sondern auch auf die Art und Weise, wie Moleküle das Verhalten der Gene beeinflussen. Solche Veränderungen sind sogar an die Nachkommen vererbbar.
Forschende der Washington State University berichten in der renommierten Fachzeitschrift „Scientific Reports“, dass regelmäßige Bewegung das Epigenom beeinflusst. Die Studie wurde an Zwillingen durchgeführt, die identisches Erbgut aufwiesen, sich aber unterschiedlich intensiv bewegten.
Was ist das Epigenom?
Das sogenannte Epigenom ist die Summe aller molekularen Prozessen, die sich um die DNA herum abspielen und unabhängig von der DNA-Sequenz sind. Diese Prozesse beeinflussen die Genexpression und somit die Art und Weise, wie sich Gene verhalten.
Vergleich von Zwillingen
Die Arbeitsgruppe verglich Zwillinge miteinander, bei denen jeweils eine Person körperlich aktiver war als die andere. Der aktivere Bruder oder die aktivere Schwester zeigte im Durchschnitt geringere Risikofaktoren für Stoffwechselkrankheiten, einen geringeren Taillenumfang sowie einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI).
Darüber hinaus wies der aktivere Zwilling epigenetische Markierungen auf, die mit einem geringeren Risiko für das metabolische Syndrom in Verbindung gebracht werden. Das metabolische Syndrom ist ein weit verbreiteter Stoffwechsel-Risikozustand, der die Entstehung von Volkskrankheiten wie Typ-2-Diabetes, Schlaganfall und Herz-Kreislauferkrankungen begünstigt.
Nicht die Gene allein bestimmen das Risiko
Da die eineiigen Zwillinge die gleiche Genetik haben, legt die Studie nahe, dass die Marker für Stoffwechselkrankheiten stark davon abhängig sind, wie eine Person mit der Umwelt interagiert. Bewegung scheint demnach zu beeinflussen, wie die Gene unabhängig von der vererbten Genetik reagieren.
Mechanismus für die Entstehung von Stoffwechselkrankheiten
„Die Ergebnisse liefern einen molekularen Mechanismus für den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Stoffwechselkrankheiten“, betont der Biologe und korrespondierende Studienautor Michael Skinner.
„Es ist bekannt, dass körperliche Betätigung die Anfälligkeit für Fettleibigkeit verringert, aber jetzt sieht es so aus, als ob körperliche Betätigung durch Epigenetik Zelltypen beeinflusst, die an vielen Stoffwechselkrankheiten beteiligt sind“, erläutert der Biologe.
Ablauf der Studie
Im Rahmen der Studie verglich die Arbeitsgruppe 70 eineiige Zwillingspaare miteinander. Alle Zwillinge nahmen zwischen den Jahren 2012 und 2019 an einer Studie teil, bei der über Fitness-Tracker die körperliche Aktivität gemessen wurde. Darüber hinaus wurden in regelmäßigen Abständen der Taillenumfang und der BMI dokumentiert sowie Abstriche aus dem Mund entnommen.
Sport führte zu positiven epigenetischen Veränderungen
Die Auswertung der Daten zeigte, dass vor allem diejenigen, die mindestens 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv waren, positive epigenetische Veränderungen bei der sogenannten DNA-Methylierung aufwiesen.
Was ist DNA-Methylierung?
Die DNA-Methylierung ist ein regulatorischer Prozess, der die Aktivität von Genen steuert. Dabei werden bestimmte Moleküle, sogenannte Methylgruppen, mithilfe von Enzymen auf ausgewählte DNA-Basen übertragen, wodurch die Erbsubtanz modifiziert, aber nicht verändert wird. Auf diese Weise kann das Erbgut ohne genetische Mutationen beeinflusst werden.
Bewegung hatte Auswirkung auf über 50 Risikogene
Die epigenetischen Veränderungen, die bei einem aktiven Zwillingspart gegenüber dem weniger aktiven Part festgestellt wurden, fanden überwiegend in Regionen der DNA statt, in denen über fünfzig Gene liegen, die bereits in früheren Studien als starke Beeinflusser der metabolischen Risikofaktoren identifiziert wurden.
Gleiches Erbgut – unterschiedliches Risiko
Dies ist den Forschenden zufolge eine mögliche Erklärung dafür, dass eineiige Zwillinge mit zunehmendem Alter trotz gleicher Gene unterschiedliche Krankheiten entwickeln.
„Wenn die Genetik und die DNA-Sequenz die einzige Triebkraft für die Biologie wären, dann müssten Zwillinge im Grunde die gleichen Krankheiten haben“, erklärt Skinner. In der Realität sei dies jedoch nicht der Fall.
„Das bedeutet, dass es einen Umwelteinfluss auf die Zwillinge geben muss, der die Entwicklung der Krankheit vorantreibt“, folgert der Wissenschaftler. Die Beeinflussung der Epigenetik über die körperliche Aktivität sei ein Beispiel für so einen Einflussfaktor. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Duncan, G.E., Avery, A., Thorson, J.L.M. et al. Epigenome-wide association study of physical activity and physiological parameters in discordant monozygotic twins. Sci Rep 12, 20166 (2022). https://doi.org/10.1038/s41598-022-24642-3, nature.com
- Washington State University: Twin study links exercise to beneficial epigenetic changes (veröffentlicht: 06.12.2022), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.