Bewegung kann die Lebenserwartung von Krebs-Patienten verlängern
Ständige Müdigkeit, starke Erschöpfung, Konzentrationsprobleme und kaum noch Power: Viele Krebspatienten leiden an diesen schweren Symptomen, die den Alltag kaum erträglich machen. Daher neigen die Meisten zu mehr Ruhe, um den Körper zu schonen. Doch gerade bei Krebs kann es offenbar sehr effektiv sein, trotzdem Sport zu treiben. Dies zeigt eine neue Studie mit Mäusen, von der dänische Forscher im Fachmagazin “Cell Metabolism” berichten. Demnach könne Bewegung das Wachstum der Tumorzellen aufhalten und Immunzellen stärken.
Beschwerden und Nebenwirkungen der Therapie können den Alltag stark einschränken
Krebspatienten sind in ihrer Lebensqualität oft eingeschränkt. Ängste, Depressionen und Begleiterscheinungen der Therapie wie starke Müdigkeit, Übelkeit, Schmerzen, Erschöpfung und Abgeschlagenheit können die Gestaltung des Alltags erheblich erschweren. Verständlicherweise steht vielen Betroffenen der Sinn daher vor allem nach Ruhe. Doch Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass Sport während der Krebstherapie das Wohlbefinden steigert und helfen kann, die Beschwerden in den Griff zu bekommen. „So können Patienten aus ihrer Passivität und Schockstarre geholt werden”, erklärt Professor Martin Halle von der Technischen Universität München, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“.
Spezielles Sportprogramm beginnt schon nach der Diagnosestellung
Dies bedeute jedoch nicht, dass die Patienten Hochleistungssport betreiben sollen, so der Experte. Stattdessen gehe es um eine individuell abgestimmte Sport-Therapie, die bereits nach der Diagnosestellung beginnt und nicht erst im Anschluss an die Behandlung im Rahmen der medizinischen Rehabilitation (Reha). „Der Patient soll wissen, dass er seine Krankheit auch in der Hand hat und dafür verantwortlich ist, dass seine Therapie optimal wirkt”, erläutert Halle. Im Klinikum rechts der Isar wird diese Form der Sport-Therapie bei den drei häufigsten Krebsarten (Lunge, Darm und Prostata) bereits umgesetzt, ebenso wie die psychische Betreuung und ernährungsmedizinische Versorgung von Krebspatienten, so der Bericht der „dpa“.
Damit auch Patienten bundesweit von den Vorteilen des speziellen Bewegungsprogramms profitieren können, will die Techniker Krankenkasse (TK) nun ihr Angebot “Sport als Therapie” ausweiten. „Inaktivität ist an sich schon ein Risikofaktor für Krebs”, sagt Professor Dr. Martin Halle von der Technischen Universität München (TUM) laut einer Mitteilung der TK.
„Je eher wir damit beginnen, diese Inaktivität in eine Aktivität umzuwandeln, desto besser ist die Prognose des Tumorpatienten”, so der Sportmediziner weiter. Zu diesem Zweck stelle der Arzt zukünftig schon während des ersten Krankenhausaufenthaltes einen aus mehreren Modulen bestehenden Behandlungsplan auf, welcher u.a. gesunde Ernährung, psychoonkologische Betreuung und eine Sporttherapie vorsieht. Das Trainingsprogramm werde dabei individuell zusammen gestellt – je nach Therapie, Symptomatik und subjektiver Verfassung des Patienten. „Es geht darum, dass der Patient sich von Beginn an daran gewöhnt, selbst für sich etwas zu tun. Das ist gut für die eigene Psyche. Und die Bewegung fördert die Verträglichkeit der Chemotherapie”, so Halle weiter.
Tiere laufen mehrere Kilometer täglich im Hamsterrad
Schon mehrere Untersuchungen konnten zeigen, dass Sport bei Krebs einen positiven Effekt erzielen kann. Experten vermuten, dass dies unter anderem auf Veränderungen der körperlichen Verfassung, Hormonausschüttung und des Immunsystems im Zuge der körperlichen Betätigung zurückzuführen sein könnte. „Dass es Zusammenhänge gibt, ist bekannt, die mechanistischen Prozesse dahinter aber sind meist noch nicht gut verstanden”, erklärt Adelheid Cerwenka vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, weiter gegenüber der Nachrichtenagentur.
Aufklärung könnte nun eine neue Studie an Mäusen bringen, durch welche die positive Wirkung von Bewegung bei Krebs erneut bestätigt werden konnte. Dänische Forscher hatten unter anderem Tiere mit Haut-, Lungen- und Leberkrebs regelmäßig in einem Hamsterrad laufen lassen und erkannt, dass deren Tumoren im Vergleich mit denen nichtaktiver Artgenossen etwa um die Hälfte schrumpften. Die Tiere hatten dabei im Mittel gut vier Kilometer am Tag in dem Rad zurück gelegt, berichten Line Pedersen und Pernille Hojman von der Universität Kopenhagen im Fachmagazin “Cell Metabolism”. Demnach mobilisiere offenbar das bei intensiver Bewegung freigesetzte Adrenalin die krebsbekämpfenden Immunzellen und führe dazu, dass diese über das Blut die Stellen im Körper erreiche, die von dem Tumor betroffen sind. Aus Sicht hiesiger Experten könne das neue Ergebnis angesichts der bisherigen Erkenntnisse wahrscheinlich auf den Menschen übertragbar sein. „Dieses Ergebnis bringt das Feld ein ganzes Stück voran”, sagt Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln.
Mehr natürliche Killerzellen in den Tumoren der aktiven Mäuse
Wie die Forscher berichten, hatte das Training auf das Gewicht der Mäuse kaum Einfluss. Doch es zeigte sich, dass bei den trainierten Mäusen diejenigen Gene aktiver waren, die für das Immunsystem und Entzündungsprozesse eine wichtige Rolle spielen. Als nächstes untersuchten die Wissenschaftler daher, wie hoch der Anteil am Immunzellen in den jeweiligen Tumoren war. Sie erkannten, dass bei den Mäusen, die regelmäßig im Rad gelaufen waren, deutlich mehr so genannte „NK-Zellen“ (natürliche Killerzellen) vorhanden waren als bei ihren nicht-aktiven Artgenossen. Diese Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und stellen eine wichtige Komponente des Immunsystems dar, indem sie in der Lage sind, Tumorzellen und virusinfizierte Zellen zu erkennen und abzutöten. Die Killerzellen fungieren dabei als eine Art „Zünder“, denn sie setzen bestimmte Signalstoffe frei und stimulieren dadurch weitere Abwehrzellen des Immunsystems.
Signalmolekül übernimmt Mittler-Funktion
Die Forscher beobachteten weiter, dass z.B. durch das Spritzen von Adrenalin bei den Mäusen ein ähnlicher Effekt auf die Anzahl der „NK-Zellen“ erreicht werden konnte wie durch Bewegung. Ebenso kam es zu einer Verkleinerung des Tumors, nachdem bei Tieren ohne vorhandene Fresszellen diese gezielt ins Krebsgewebe eingebracht worden waren. Wurde die Wirkweise des Hormons Adrenalin hingegen gehemmt, schrumpfte der Tumor auch trotz regelmäßigen Laufens nicht. „Es war bekannt, dass das Eindringen von NK-Zellen die Größe von Tumoren kontrollieren und regulieren kann, aber niemand hat bisher geprüft, wie Bewegung dieses System beeinflusst”, so die Forscherin Hojman laut einer Mitteilung des Magazins “Cell Metabolism”. Das Signalmolekül Interleukin-6 (IL-6) übernehme dabei den Wissenschaftlern zufolge die Rolle des Vermittlers. Denn dieses werde bei verstärkter körperlicher Betätigung von den Muskeln verstärkt freigesetzt und sorge dafür, dass die Immunzellen mit dem Blutstrom zum Tumor gelangen. Das Ergebnis der neuen Studie deute demnach darauf hin, dass es bei einer Krebserkrankung sinnvoll sein könne, intensiver Sport zu betreiben, so Hojman. (nr)
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