Kann Cannabis bei chronischen Schmerzen andere Schmerzmittel ersetzen?
In den USA haben mittlerweile die meisten Bundesstaaten Gesetze erlassen, die eine medizinische Anwendung von Cannabis gegen chronische Schmerzen ermöglichen. Eine aktuelle Studie hat nun untersucht, ob Betroffene hierdurch die Einnahme anderer verschreibungspflichtiger Schmerzmittel reduzieren konnten.
Forschende der University of Michigan und der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health haben die Verwendung von Cannabis und anderen Schmerzmitteln bei Erwachsenen mit chronischen Schmerzen in US-Bundesstaaten mit medizinischen Cannabis-Programmen analysiert. Veröffentlicht wurden die entsprechenden Studienergebnisse in dem Fachmagazin „JAMA Network Open“.
Teilnehmende aus 36 US-Bundesstaaten
Die Erkenntnisse darüber, ob medizinisches Cannabis als Ersatz für verschreibungspflichtige Opioide oder andere Schmerzbehandlungen dient, waren bisher widersprüchlich und zudem lagen keine Schätzungen des Cannabiskonsums oder der Substitution von Schmerzbehandlungen durch Cannabis bei Erwachsenen mit chronischen, nicht krebsbedingten Schmerzen vor, berichten die Forschenden.
Anhand eine repräsentative Befragung unter Erwachsenen mit chronischen Schmerzen aus 36 US-Bundesstaaten mit aktiven medizinischen Cannabisprogrammen hat das Forschungsteam nun versucht, diese Wissenslücken zu schließen.
Die Umfrage wurde von März 2022 bis April 2022 durchgeführt, wobei von den 1.724 Personen, die als Personen mit chronischen Schmerzen identifiziert wurden, 1.661 die vollständige Umfrage ausfüllten (57,1 Prozent Frauen; mittleres Alter 52,3 Jahre).
Cannabiskonsum und andere Schmerzbehandlungen erfasst
Erfasst wurden der Konsum von medizinischem Cannabis, pharmakologische Behandlungen, gängige nicht-pharmakologischen Behandlungen (Physiotherapie, Meditation, kognitive Verhaltenstherapie) und die Substitution dieser Behandlungen durch Cannabis bei chronischen Schmerzen.
Insgesamt hatten 31 Prozent der Teilnehmenden nach eigenen Angaben bereits Cannabis zur Behandlung ihrer Schmerzen konsumiert, wobei 26 Prozent angaben, in den letzten 12 Monaten Cannabis zur Behandlung genutzt zu haben und 23 Prozent in den letzten 30 Tagen Cannabis konsumiert hatten.
Die meisten Personen, die Cannabis zur Behandlung chronischer Schmerzen konsumierten, hatten zudem bereits mindestens eine andere pharmakologische (95 Prozent) oder nicht-pharmakologische Schmerzbehandlung (71 Prozent) verwendet.
Verringerte Einnahme von Schmerzmitteln durch Cannabis
Bei mehr als der Hälfte der Nutzerinnen und Nutzer führte der Cannabiskonsum nach eigenen Angaben zu einer Verringerung des Konsums von verschreibungspflichtigen Opioiden, nicht verschreibungspflichtigen Opioiden und rezeptfreien Schmerzmitteln, berichtet das Forschungsteam.
Über einen Anstieg der Verwendung von Medikamenten im Zuge des Cannabiskonsums habe lediglich ein Prozent der Befragten Nutzerinnen und Nutzer berichtet.
Nicht-pharmakologische Therapien unterschiedlich beeinflusst
Auch nicht-pharmakologische Behandlungen der chronischen Schmerzen gingen bei einigen Cannabis konsumierenden Befragten zurück. So berichteten zum Beispiel 38,7 Prozent von ihnen über eine verringerte Inanspruchnahme von Physiotherapie (5,9 Prozent berichteten von einer erhöhten Inanspruchnahme).
Zudem berichten 19 Prozent von einer verringerten Inanspruchnahme von Meditation, wobei allerdings 24 Prozent eine erhöhte Inanspruchnahme durch Cannabiskonsum angaben. 26 Prozent berichteten von einer verringerten Inanspruchnahme kognitiver Verhaltenstherapie, während 17 Prozent eine erhöhte Inanspruchnahme verzeichneten.
Viele nutzen Cannabis als Ersatz für Schmerzmittel
Insgesamt habe die Mehrheit der Befragten Nutzerinnen und Nutzer Cannabis anstelle anderer Schmerzmedikamente, einschließlich verschreibungspflichtiger Opioide, gegen chronische Schmerzen eingesetzt, so das Forschungsteam.
Der hohe Grad der Substitution von Cannabis sowohl bei der Behandlung mit Opioiden als auch mit Nicht-Opioiden unterstreiche allerdings auch die Bedeutung der Forschung zur Klärung der Wirksamkeit und der potenziellen negativen Folgen von Cannabis bei chronischen Schmerzen.
So deutete beispielsweise eine Studie aus dem vergangenen Jahr darauf hin, das die Nutzung von Cannabis bei Schmerzen mit einem erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen verbunden sein kann. Hier bestehen weiterhin Wissenslücken, die es dringend zu schließen gilt. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mark C. Bicket, Elizabeth M. Stone, Emma E. McGinty: Use of Cannabis and Other Pain Treatments Among Adults With Chronic Pain in US States With Medical Cannabis Programs; in: JAMA Network OPEN (veröffentlicht 06.01.2022), jamanetwork.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.