Pornographie-Nutzungsstörung: Neuer Behandlungsansatz
Circa fünf Prozent aller Männer und etwa ein Prozent aller Frauen sind Schätzungen zufolge von einer Pornografie-Nutzungsstörung betroffen. Die Behandlung einer solchen „Porno-Sucht“ gestaltet sich oft schwer, da die Störung bislang nicht als eigene Krankheit klassifiziert war und es deshalb keine speziell zugeschnittenen Therapien gab. Dies soll sich nun ändern.
Fachleute der Justus-Liebig-Universität Gießen berichten von dem Start des Projektes „PornLoS“ (Pornographie-Nutzungsstörung effektiv behandeln – Leben ohne Suchtdruck), das zum Ziel hat, effektive Therapien gegen die weit verbreitete Pornografie-Nutzungsstörung zu testen und miteinander zu vergleichen. Das Projekt wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den nächsten vier Jahren mit 5,4 Millionen Euro unterstützt.
Wenn Pornos zur Sucht werden
Für Menschen, die unter einer Pornographie-Nutzungsstörung leiden, ist das Anschauen von pornografischen Filmen oder ähnlichen Angeboten wie Sex-Chats zur Sucht geworden. Betroffene verlieren oft das Interesse an anderen Aktivitäten und ziehen sich zunehmend zurück.
Daraus resultieren typische Probleme im privaten und beruflichen Bereichen, die mit anderen Suchterkrankungen vergleichbar sind. Doch während es beispielsweise bei Alkoholsucht oder Spielsucht gut untersuchte Therapieverfahren gibt, suchen Betroffene einer Pornographie-Nutzungsstörung oft vergebens nach einer passenden Behandlung. Hier soll sich in den nächsten vier Jahren einiges verbessern.
Pornographie-Nutzungsstörung als Störungsbild anerkannt
In der kommenden Version der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) soll erstmals eine Pornographie-Nutzungsstörung als anerkanntes Störungsbild unter dem Begriff „Störung mit zwanghaften Sexualverhalten“ aufgenommen werden.
Was ist die effektivste Therapie gegen Porno-Sucht?
Die Klassifizierung ermöglicht eine bessere Diagnosestellung des Störungsbildes und somit auch eine gezielte Therapie – insofern diese vorhanden ist. Doch wie werden Menschen am effektivsten therapiert, wenn das Anschauen von Pornos zum Zwang wird und das Leben der Betroffenen negativ beeinflusst? Dies will eine Arbeitsgruppe der Justus-Liebig-Universität Gießen nun in dem Rahmen des neuen Projektes testen.
„Mit diesem Projekt möchten wir die Versorgung der Betroffenen mit einem innovativen Behandlungsansatz nachhaltig verbessern“, bestätigt Professor Dr. Rudolf Stark aus dem Forschungsteam.
Zwei neue Intensivbehandlungen im Test
Zwei Therapieansätze sollen in dem Projekt miteinander verglichen werden. Bei beiden Varianten handelt es sich um sechsmonatige Intensivbehandlungen, die sich aus kombinierten psychotherapeutischen Einzel- und Gruppentherapien zusammensetzen. Darüber hinaus sollen die neuen Ansätze mit den bislang angewendeten Methoden verglichen werden.
Die beiden neuen Ansätze unterscheiden sich am deutlichsten im Hinblick auf ihr Therapieziel. Während bei dem einen Ansatz eine Porno-Abstinenz angestrebt wird, soll bei dem anderen Ansatz eine reduzierte Nutzung erreicht werden.
Im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden, überwiegend Psychotherapieansätze, sollen Betroffene durch die Intensivbehandlung nach sechs Monaten deutlich weniger Symptome der Pornografie-Nutzungsstörung aufweisen und psychisch weniger belastet sein.
Durchgeführt werden die Intensivbehandlungen durch speziell geschulte Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Eine digitale App zur Erkennung von Risikosituationen soll die Behandlung unterstützten. Ergänzend werden Zusatzangebote wie beispielsweise eine Paarberatung mit in die Therapie eingeschlossen.
Übernahme in die Regelversorgung bei Erfolg
Zunächst werden die neuen Behandlungsansätze in den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz sowie im Saarland erprobt. Erweisen sich die Intensivbehandlungen als erfolgreich, wird das Konzept bundesweit in die kassenärztliche Regelversorgung überführt. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Justus-Liebig-Universität Gießen: Neuer Behandlungsansatz bei Pornographie-Nutzungsstörung (veröffentlicht: 09.01.2023), uni-giessen.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.