Bakterien könnten im Kampf gegen weltweite Unterernährung bei Kindern helfen
Weltweit ist etwa ein Viertel der Kinder unterernährt. Dies führt dazu, dass sie anfälliger für Krankheiten sind und sich nicht gesund entwickeln können. Mangelernährung zählt zu den führenden Ursachen für Kindersterblichkeit. In einer Studie zeigte sich nun, dass bestimmte Bakterienarten helfen könnten, das Problem zu bekämpfen.
Jedes Jahr sterben Millionen Kinder an Unterernährung
Mangelernährung bei Kindern fordert jedes Jahr Millionen Tote. Sie ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine der führenden Ursachen für Kindersterblichkeit weltweit. Zudem verhindere sie eine gesunde Entwicklung und mache anfälliger für Krankheiten. Spätfolgen von Mangelernährung können beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus sein. Laut WHO waren im Jahr 2011 etwa 165 Millionen Kinder im Bezug auf das Körperwachstum nicht altersgerecht entwickelt. In einer internationalen Studie zeigte sich nun, dass untergewichtige und zu kleine Kinder andere Bakterienarten im Darm tragen als normal entwickelte Gleichaltrige.
Unzureichende Ernährung mit schwerwiegenden Folgen
Wie aus einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa hervorgeht, konnte das Verabreichen bestimmter Bakterienarten bei Mäusen die Folgen von Mangelernährung wie eingeschränktes Wachstum oder geringes Gewicht verhindern. Das Wissenschaftlerteam um Laura Blanton von der Washington University in St. Louis (US-Staat Missouri) hob jedoch hervor, dass noch unklar sei, auf welchem Weg eine unzureichende Ernährung die schwerwiegenden Folgen hervorruft. Neben eingeschränktem Wachstum gehörten dazu auch Stoffwechselstörungen sowie geistige Beeinträchtigungen. Die Forscher publizierten ihre Ergebnisse nun im Fachmagazin „Science“.
Mehr Kalorien allein reichen nicht aus
Bereits vor einigen Jahren berichteten Wissenschaftler dieser Universität, dass mehr Kalorien bei Unterernährung nicht ausreichen, um die Mangelernährung und das damit einhergehende Untergewicht langfristig zu bekämpfen. Für die aktuelle Studie untersuchten die Forscher zunächst Stuhlproben von Kindern aus Malawi, um zu prüfen, ob das Mikrobiom des Darms – also die Gemeinschaft der dort lebenden Bakterien – etwas mit den festgestellten Mängeln zu tun hat. Darin identifizierten sie die Bakterienarten und erstellten darauf basierend ein Modell, aus dem sich ablesen lässt, welche Arten von Bakterien in welchem Alter zu einem gesunden Mikrobiom gehören. Im Anschluss daran zeigten sie an einer Gruppe von Kleinkindern aus Malawi, dass das Mikrobiom unterernährter Kinder unterentwickelt zu sein scheint. Den Angaben zufolge ähnelte es eher dem jüngerer Kinder.
Unzureichend für eine gesunde Entwicklung
Im nächsten Schritt nahmen die Forscher Stuhlproben von 19 gesunden und unterernährten Kindern im Alter von sechs und 18 Monaten und übertrugen die Proben auf zwei Gruppen von fünf Wochen alten Mäusen, die bis dahin keimfrei aufgewachsen waren. Die Tiere bekamen eine Diät, die auch für viele Kinder in Malawi typisch und unzureichend für eine gesunde Entwicklung ist. Schon nach vier bis fünf Wochen zeigte sich demnach ein deutlicher Unterschied. So legte Mäuse, die Darmbakterien der unterernährten Kinder bekommen hatten, deutlich weniger an Gewicht und Magermasse zu als Mäuse, die die Bakterien der gesunden Kinder erhalten hatten. Außerdem waren ihr Stoffwechsel und ihre Knochenstruktur krankhaft verändert.
„Wachstumsbedürfnisse in verschiedenen Altersstufen befriedigt“
Als die Wissenschaftler die Tiere beider Gruppen einige Tage nach solchen Stuhltransplantationen zusammenbrachten, traten diese Unterschiede nicht auf. Weil die Nager auch Kot fressen, hatten sie anscheinend die förderlichen Bakterien untereinander ausgetauscht. Wie die Forscher in weiteren Versuchen zeigten, können allein zwei Bakterienarten – Ruminococcus gnavus und Clostridium symbiosum – die Wachstumsbremse auslösen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklung des Mikrobioms bei gesunden Kindern so optimiert ist, dass die unterschiedlichen Wachstumsbedürfnisse in verschiedenen Altersstufen befriedigt werden“, so die Studienautoren. Nun müssten weitere Untersuchungen klären, ob sich bei unterernährten Kindern ergänzend therapeutisch ein altersgerechtes Mikrobiom aufbauen lasse und dies die Folgen von Unterernährung aufhalten könne.
Stoffwechsel in Organen normalisierte sich
Ebenfalls unter maßgeblicher Beteiligung des Teams der Washington University beschreiben Forscher in einer weiteren Studie ähnliche Experimente. Sie untersuchten darin den Einfluss von bestimmten Zuckern in der Muttermilch auf das Mikrobiom von Mäusen und Ferkeln. Zunächst stellten sie fest, dass die Milch von Müttern gesunder Babys deutlich mehr Sialinsäure-haltige Zucker enthält als die von Müttern unterernährter Babys. Wenn sie Mäusen oder Ferkeln mit einem Darmmikrobiom unterernährter Kinder diese speziellen Zucker verabreichten, wuchsen die Tiere besser. Wie die Wissenschaftler im Fachjournal „Cell“ berichteten, legten die Tiere nicht nur an Magermasse zu, sondern auch der Stoffwechsel in Leber, Muskeln und Gehirn normalisierte sich.
Einfluss von Darmbakterien auf unsere Gesundheit
Schließlich identifizierten sie jene Bakterien, die für diese Effekte zuständig sind und stießen dabei auf ein regelrechtes Nahrungsnetz im Darm. Es zeigte sich, dass einige Bakterienarten die Sialinsäure-haltigen Zucker verdauten, während andere von den dabei anfallenden Stoffwechselprodukten lebten. „Dieses Vermögen, genau zu analysieren, wie die Nahrung unter den Mitgliedern der mikrobiellen Gemeinschaft aufgeteilt wird und wie die metabolische Leistung dieser Gemeinschaft die menschliche Biologie beeinflussen kann, ist Teil unseres laufenden Forschungsprogramms“, erklärte Studienleiter Jeffrey Gordon in einer Mitteilung seiner Universität. Es sei denkbar, eines Tages Säuglingsnahrung oder therapeutische Lebensmittel zur Behandlung von Unterernährung mit Sialinsäure-haltigen Zuckern zu optimieren. Der Einfluss von Darmbakterien auf die Gesundheit stand in der Vergangenheit schon öfter im Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen. Erst kürzlich berichteten US-amerikanische Forscher im Fachjournal „Nature“, dass westliche Essgewohnheiten wertvolle Darmbakterien reduzieren. Demnach nehmen Vielfalt und Zahl der Darmbakterien bei ballaststoffarmer Ernährung von Generation zu Generation ab.(ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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