„Ewige Chemikalien“ begünstigen Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten
Sie sind in Kochgeschirr, wasserabweisender Kleidung, in Lebensmittelverpackungen, Reinigungsmitteln, Möbeln, elektronischen Geräten oder in Baumaterialien – „ewige Chemikalien“ oder PFAS bilden eine Gruppe von Verbindungen, die laut neusten Untersuchungen mit einer Vielzahl von Krankheiten in Verbindung gebracht werden, darunter Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten.
Forschende der Keck School of Medicine in Los Angeles, Kalifornien (USA) haben nachgewiesen, dass sogenannte Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), die in zahlreichen Alltagsgegenständen vorhanden sind, sich im Körper anreichern und dort wichtige biologische Prozesse stören. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden nun im Fachjournal „Environmental Health Perspectives“ präsentiert.
Was sind PFAS?
Bei PFAS handelt es sich um eine Gruppe von künstlich hergestellten Chemikalien, die als Perfluoralkyl- und Polyfluoralkylsubstanzen bezeichnet werden. Sie werden für die Herstellung zahlreicher Produkte verwendet, da sie wasserabweisend wirken und extrem langlebig sind. Deshalb sind sie zum Beispiel häufig in Kochgeschirr, wetterfester Kleidung, in Lebensmittelverpackungen oder in Isolierungen enthalten.
Warum werden PFAS als „ewige Chemikalien“ bezeichnet?
PFAS sind extrem robust und langlebig. Sie werden als „ewig“ bezeichnet, da sie sich nur sehr langsam zersetzen und sich daher sowohl in der Umwelt als auch im menschlichen Körper über einen langen Zeitraum hinweg anreichern. Bei den meisten Menschen, auch schon bei Kindern, können diese Chemikalien im Blut nachgewiesen werden.
PFAS greifen in den Stoffwechsel ein
Wie das Forschungsteam der Keck School of Medicine nun im Rahmen der aktuellen Studie nachweisen konnte, verändern diese Chemikalien wichtige biologische Prozesse im Körper, darunter den Stoffwechsel von Fetten und Aminosäuren.
Die dadurch verursachte Störung steht wiederum mit einem erhöhten Risiko für ein breites Spektrum von Krankheiten in Verbindung, darunter
- Entwicklungsstörungen,
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
- Stoffwechselerkrankungen,
- Diabetes,
- Krebs.
Erstmals Wirkung auf biologische Prozesse nachvollzogen
Auch wenn PFAS bereits in früheren Studien mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten verbunden wurde, ist die vorliegende Untersuchung die erste, die aufzeigt, welche biologischen Prozesse durch die Exposition gegenüber mehreren PFAS verändert werden. Dies ist besonders wichtig, da in den Blutproben der meisten Menschen eine Mischung aus mehreren PFAS enthalten ist.
„Unsere Ergebnisse waren überraschend und haben weitreichende Auswirkungen für politische Entscheidungsträger, die versuchen, das Risiko zu mindern“, unterstreicht Studienhauptautor Dr. Jesse A. Goodrich.
„Wir fanden heraus, dass die Exposition gegenüber einer Kombination von PFAS nicht nur den Lipid- und Aminosäurestoffwechsel stört, sondern auch die Funktion der Schilddrüsenhormone verändert“, bestätigt der Wissenschaftler.
Ablauf der Studie
Die Arbeitsgruppe analysierte Blutproben von 312 Jugendlichen und 137 Kindern aus Südkalifornien. In allen Proben wurde eine Mischung aus mehreren gängigen PFAS nachgewiesen, darunter PFOS, PFHxS, PFHpS, PFOA, PFNA und PFDA.
Die Forschenden werteten darüber hinaus Tausende von natürlichen Verbindungen im Blut aus und überprüften mithilfe modernster Technik, wie die PFAS im Blut mit den natürlich vorkommenden Stoffen interagieren.
PFAS verändern die Hormonproduktion der Schilddrüse
Dadurch konnte das Team zeigen, dass PFAS die Art und Weise verändern, wie der Körper Lipide und Aminosäuren verstoffwechselt. Außerdem verändern die PFAS den Spiegel der Schilddrüsenhormone. Diese Hormonen haben einen weitreichenden Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel (siehe: Schilddrüse: Welche Beschwerden besonders häufig auftreten).
Für Kinder und Jugendliche besonders kritisch
Das Forschungsteam konzentrierte sich besonders auf Kinder und junge Erwachsene, weil Menschen in diesem Alter eine kritische Entwicklungsphase durchlaufen, in der sie anfälliger für die negativen gesundheitlichen Auswirkungen der PFAS sein könnten. In dieser Zeit werden die Grundvoraussetzungen für viele schwere Krankheiten gelegt, die sich im Erwachsenenalter manifestierten können.
Die Ergebnisse der Studie stimmen mit früheren Untersuchungen überein, die bereits eine Verbindung zwischen einer Exposition gegenüber einzelnen PFAS in der Kindheit und einem erhöhten Risiko für einen gestörten Lipid- und Fettsäurestoffwechsel aufgezeigt haben.
Ein gestörter Lipid- und Fettsäurestoffwechsel steht wiederum in Verbindung mit einem erhöhten Risiko für Stoffwechselstörungen, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neu ist die Erkenntnis, dass sich PFAS auf die Schilddrüse auswirken und die Produktion der Hormone verändern können.
Schilddrüsenhormone spielen eine entscheidende Rolle beim Wachstum sowie für den Stoffwechsel. Störungen in diesem Prozess bei Kindern sind mit einem erhöhten Risiko für zahlreiche Krankheiten im späteren Leben verbunden, darunter Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs.
Es ist nur die Spitze des Eisberges
„Wir fangen gerade erst an, die Bandbreite der Auswirkungen dieser Chemikalien auf die menschliche Gesundheit zu verstehen“, verdeutlicht Studienautorin Professorin Leda Chatzi.
Verbot aller PFAS gefordert
„Während sich die derzeitigen Maßnahmen auf die schrittweise Einstellung der Verwendung einzelner PFAS wie PFOS und PFOA konzentrieren, zeigt diese Studie, warum der Schwerpunkt auf der Verringerung der Exposition gegenüber allen PFAS-Chemikalien liegen sollte“, resümiert die Professorin.
PFAS in Deutschland
In Deutschland sind bislang sind nur zwei Chemikalien aus dieser Gruppe (PFOS und PFOA) verboten. Insgesamt zählen jedoch mehr als 10.000 Chemikalien zu den PFAS. Die EU-Behörde ECHA berät derzeit über ein generelles Verbot dieser Verbindungen. Die Entscheidung hierzu wird wohl frühestens im Jahr 2025 erwartet. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Keck School of Medicine study finds “forever chemicals” disrupt key biological processes (veröffentlicht: 21.02.2023), keck.usc.edu
- Jesse A. Goodrich, Douglas I. Walker, Jingxuan He, et al.: Metabolic Signatures of Youth Exposure to Mixtures of Per- and Polyfluoroalkyl Substances: A Multi-Cohort Study; in: Environmental Health Perspectives (2023), ehp.niehs.nih.gov
- Norddeutscher Rundfunk: Jahrhundertgift PFAS: Wie verseucht ist Deutschland? (veröffentlicht: 23.02.2023), daserste.ndr.de
- Umweltbundesamt: Menschen in Europa teilweise bedenklich hoch mit Schadstoffen belastet (veröffentlicht: 27.04.2022), umweltbundesamt.de
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV): Welche PFAS wurden bislang verboten? (Stand: 16.01.2023), bmuv.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.