Übergewicht beeinflusst Mortalität stärker als vermutet
Dass sich Übergewicht und Fettleibigkeit negativ auf die Lebenserwartung auswirken können, ist lange bekannt. Jetzt wurde allerdings festgestellt, dass das Vorliegen von Übergewicht und Adipositas weitaus stärkere Auswirkungen auf das Risiko eines vorzeitigen Todes hat, als bisher angenommen.
In einer neuen statistischen Analyse hat Ryan K. Masters von der University of Colorado Boulder untersucht, wie der Body-Mass-Index (BMI) das Risiko der Mortalität beeinflusst. Die Ergebnisse können in dem englischsprachigen Fachblatt „Population Studies“ nachgelesen werden.
Was ist das Adipositas-Paradoxon?
Untersuchungen in der Vergangenheit zeigten in Bezug auf den BMI und die Mortalität häufig eine U-förmige Kurve. Dies wird als sogenanntes Adipositas-Paradoxon bezeichnet.
Demnach haben Menschen mit Übergewicht mit einem BMI von 30 bis 35 lediglich ein geringfügig erhöhtes oder gar kein erhöhtes Risiko für einen vorzeitigen Tod, verglichen mit Personen mit einem gesunden BMI von 18,5 bis 25, erklärt Masters.
Erstaunlicherweise zeigten Menschen mit Übergewicht (BMI von 25 bis 30) in manchen Studien das niedrigste Sterberisiko von allen untersuchten Gruppen des BMI, während Personen mit Untergewicht (einem BMI unter 18,5) und Adipositas (BMI von 35 oder mehr) ein erhöhtes Risiko für einen vorzeitigen Tod aufwiesen, fügt der Fachmann hinzu.
Übergewicht vorteilhaft für die Lebenserwartung?
„Die gängige Meinung ist, dass ein erhöhter BMI das Sterberisiko im Allgemeinen nicht erhöht, bis man sehr hohe Werte erreicht, und dass Übergewicht tatsächlich einen gewissen Überlebensvorteil bietet“, so Ryan K. Masters in einer Pressemitteilung. Er sei von solchen Behauptungen allerdings nicht überzeugt.
Der Fachmann führt entsprechende Studienergebnisse vielmehr auf Probleme bei den erhobene Daten zum BMI zurück, denn der BMI erfasse nicht alle Nuancen und unterschiedlichen Größen und Formen des Körpers und spiegele nur die Körperzusammensetzung zu einem bestimmten Zeitpunkt wider.
Durch die Einbeziehung von Menschen in die Kategorien mit einem hohen BMI, die den größten Teil ihres Lebens vor Studienbeginn mit einem niedrigen BMI verbracht haben, lassen frühere Untersuchungen zum Beispiel einen hohen BMI weniger riskant erscheinen als er tatsächlich ist, fügt der Experte hinzu.
Daten von fast 18.000 Menschen analysiert
Um Klarheit in den Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und dem frühzeitigen Sterberisiko zu bringen, wertete der Mediziner für seine neue Analyse die Daten von 17.784 Personen aus der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) für die Jahre 1988 bis 2015 aus. Während dieses Zeitraums traten insgesamt 4.468 Todesfälle unter den Teilnehmenden auf.
Dabei stellte der Fachmann fest, dass 20 Prozent der Menschen mit einem gesunden BMI in den zehn Jahren zuvor unter Übergewicht oder Fettleibigkeit gelitten hatten. Und genau diese Menschen wiesen laut Masters ein wesentlich schlechteres Gesundheitsprofil auf, als die Personen, deren Gewicht stabil geblieben war.
Das deute darauf hin, dass lebenslanges Übergewicht zu Krankheiten führen kann, die eine schnelle Gewichtsabnahme verursachen und anschließend zum Tod führen. Die Erfassung des BMI nach der Gewichtsabnahme kann daher die Studienergebnisse verfälschen.
Insgesamt bestätige die neue Analyse, dass die Studienergebnisse durch Verzerrungen erheblich beeinträchtigt werden und nach einer Bereinigung um diese Verzerrungen sei keine U-förmige Kurve mehr feststellbar gewesen.
Stattdessen lag eine gerade aufsteigende Linie vor. Dabei hatten Menschen mit einem BMI von 18,5 bis 22,5 das niedrigste Risiko für einen vorzeitigen Tod und es gab keinen signifikanten Anstieg des Sterberisikos für untergewichtige Menschen, wie er zuvor in verschiedenen Studien identifiziert wurde, so der Studienautor.
Achtmal mehr Todesfälle durch hohen BMI
Bisher wurde angenommen, dass zwei bis drei Prozent der Todesfälle unter erwachsenen Menschen in den USA auf einen hohen BMI zurückzuführen sind. Laut Masters deutet seine Analyse allerdings darauf hin, dass diese Anzahl in Wirklichkeit achtmal so hoch ausfällt.
Die Auswertung zeige, dass Menschen, die lange unter Übergewicht oder Fettleibigkeit gelitten haben, auch bei einer späteren Gewichtsabnahme noch einem erhöhten Risiko für einen vorzeitigen Tod unterliegen können, so der Mediziner. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ryan K. Masters: Sources and severity of bias in estimates of the BMI–mortality association; in: Population Studies (veröffentlicht 09.02.2023), Population Studies
- Robert Koch-Institut: Übergewicht und Adipositas (abgefragt 27.02.2023), RKI
- University of Colorado Boulder: Excess weight, obesity more deadly than previously believed (veröffentlicht 23.02.2023), University of Colorado Boulder
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.