Chronische Schmerzen betreffen Millionen Deutsche
Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen. Ihre therapeutische Versorgung hat zwar in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt, doch muss sie „noch deutlich verbessert werden“, so das Fazit des „Barmer GEK Arztreport 2016“. Dieser liefert laut Mitteilung der Barmer GEK erstmals valide Zahlen auf Basis von Krankenkassendaten zu dem Thema „Chronische Schmerzen“.
Viele Schmerzen können laut Angaben der Barmer GEK eine chronische Form annehmen. So werden in den Diagnosestellungen der Betroffenen zum Beispiel Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Beckenschmerzen, Gelenkschmerz, Kopfschmerzen, Schmerzen in den Extremitäten, Hals- und Brustschmerzen oder auch Augenschmerzen angegeben. Allerdings sind die hier thematisierten chronischen Schmerzen unanhängig von organbezogenen Diagnosen feststellbar. Insgesamt leiden in Deutschland etwa 3,25 Millionen Menschen an solchem chronischen Schmerz, so die Mitteilung der Barmer GEK. Bei der therapeutischen Versorgung seien trotz wichtiger Fortschritte noch weitere Verbesserungen erforderlich.
Chronifizierung von Schmerzen verhindern
Chronischer Schmerz ist oft “eine eigenständige Erkrankung, die sehr spezifisch behandelt werden muss“, betonte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub, bei der Vorstellung des Reports in Berlin. Angesichts von mehr als drei Millionen Betroffenen müsse die Bekämpfung des chronischen Schmerzes zu einem nationalen Gesundheitsziel werden. Hier sei eine durchgängige Versorgungskette notwendig, um durch interdisziplinäre Zusammenarbeit möglichst oft die Chronifizierung von Schmerzen zu verhindern. Die Hausärzte sollte dabei nach Ansicht von Straub eine Lotsenfunktion übernehmen.
Immer mehr Menschen mit chronischen Schmerzen
Den Angaben der Barmer GEK zufolge wurden im Rahmen der Datenauswertung durch das Aqua-Institut Göttingen die Diagnosen berücksichtigt, mit denen chronische Schmerzen ohne direkten Bezug auf ein Organ dokumentiert werden. Dabei sei festzustellen gewesen, dass in den Jahre von 2005 bis 2014 „chronischer Schmerz stetig häufiger diagnostiziert wurde.“ Waren im Jahr 2005 nur 1,59 Prozent der Bevölkerung betroffen, erreichte die Diagnoserate im Jahr 2014 durchschnittlich 4,02 Prozent bundesweit. Grundsätzlich wurden chronische Schmerzen zudem „in allen Altersgruppen deutlich häufiger bei Frauen (als bei Männern) dokumentiert, wobei die Zahl der Betroffenen mit dem Alter ansteigt“, berichtet die Barmer GEK.
Frauen deutlich häufiger betroffen
Die Datenauswertung ergab, dass in der Gruppe der über 80-Jährigen im Jahr 2014 etwa 13,2 Prozent der Bevölkerung von chronischen Schmerzen betroffen waren, 143.000 Männer und 444.000 Frauen. Dies habe eine Diagnoseraten von 9,3 Prozent bei den Männern und 15,2 Prozent bei den Frauen entsprochen, so die Mitteilung der Barmer GEK. Bei den über 90-Jährigen seien „etwa zehn Prozent der Männer und knapp 16 Prozent der Frauen betroffen, rund 15.000 Männer und knapp 83.000 Frauen.“ Neben den geschlechtsspezifischen Unterschieden hätten sich auch regionale Abweichungen ergeben. So zeige der Report, „dass chronische Schmerzen in Deutschland regional sehr unterschiedlich dokumentiert werden.“ Am häufigsten seien die Menschen im Bundesland Brandenburg betroffen (mit 5,79 Prozent). Die geringste Rate wurde hingegen in Bremen mit 2,94 Prozent dokumentiert.
Viele chronische Schmerzpatienten erhalten keine angemessene Therapie
Bei der Versorgung chronischer Schmerzpatienten hat sich dem Vorstandsvorsitzenden der Barmer GEK zufolge in den letzten Jahren vieles getan. Allerdings zeige sich ein differenziertes Bild der Schmerzmedizin. Bei Weitem nicht alle Betroffenen erhalten eine angemessene Therapie. Zwar habe sich die Zahl der Patienten, die im Krankenhaus mit einer multimodalen Schmerztherapie behandelt wurden, in den Jahren 2006 bis 2014 mehr als verdoppelt und im Jahr 2014 wurden bei rund 61.000 Patienten chronische Schmerzen multimodal therapiert. Doch die entspreche nur einem Fünftel aller Patienten, die potenziell für eine solche Therapie geeignet wären, berichtet Straub. Insbesondere unter Qualitätsgesichtspunkten sei die Versorgung mit multimodaler Schmerztherapie nicht ausreichend sichergestellt. „Wir unterstützen daher intensiv die Bemühungen seitens der Fachgesellschaften, verbindliche Qualitätskriterien für die multimodale Schmerztherapie im Krankenhaus zu entwickeln“, betont Straub.
Ambulante Behandlungen nehmen zu
Der Arztreport der Barmer GEK verdeutlicht auf Basis der Datenauswertung von 8,6 Millionen Versicherten auch weitere Entwicklungen im Gesundheitswesen. So haben beispielsweise die ambulanten Versorgungen deutlich zugenommen. Im Jahr 2014 hat laut Mitteilung der Barmer GEK jeder Einwohner in Deutschland durchschnittlich pro Quartal rund zwei Ärzte aufgesucht. Mit 8,5 Behandlungsfällen pro Kopf habe die Fallzahl 2014 einen neuen Höchststand seit dem Jahr 2005 erreicht. Den Krankenkassen seien für die ambulante medizinische Betreuung ihrer Versicherten im Jahr 2014 durchschnittlich 522,96 Euro Kosten entstanden. Dies entspreche einem Anstieg um 3,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2013. „Wie in den Vorjahren betrugen im Jahr 2014 die Aufwendungen für Männer mit 450 Euro deutlich weniger als für Frauen mit 593 Euro“, so die Barmer GEK weiter. Innerhalb des Jahres 2014 hatten den aktuellen Zahlen zufolge „92,9 Prozent der Bevölkerung Kontakt zur ambulanten ärztlichen Versorgung“, berichtet die Krankenkasse weiter.
Männer zeigen wenig Neigung zur Krebsfrüherkennung
Aus den Zahlen des aktuellen Arztreports geht außerdem hervor, dass Krebsfrüherkennungsuntersuchungen nach wie vor von Frauen deutlich häufiger beansprucht werden. „58 Prozent der Frauen zwischen 20 und 45 Jahren haben sie genutzt“, so die Mitteilung der Barmer GEK. Mit zunehmendem Alter sinke jedoch bei den Frauen die Bereitschaft, an den Früherkennungsuntersuchungen teilzunehmen. Ab einem Alter von 75 Jahren liege sie unter 40 Prozent. Insgesamt hatten 41 Prozent aller Frauen in Deutschland im Jahr 2014 eine Krebsfrüherkennungsuntersuchung, während von den Männern lediglich 11,7 Prozent an einer solchen Untersuchung teilnahmen. (fp)
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