Eine Erkrankung an Gicht hat laut einer aktuellen Studie auch Auswirkungen auf das Gehirn und das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen. Frühere epidemiologische Untersuchungen, die ein geringeres Demenz-Risiko bei Personen mit Gicht festgestellt hatten, werden damit eindeutig widerlegt.
Ein britisches Forschungsteam um Professor Dr. Thomas E. Nichols von der University of Oxford hat in der neuen Studie die Zusammenhänge zwischen Gicht, Gehirnstruktur und dem Auftreten neurodegenerativer Erkrankungen analysiert. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Was ist Gicht?
Gicht ist eine Stoffwechselkrankheit, die durch übermäßig Anreicherung von Harnsäure im Organismus (Hyperurikämie) gekennzeichnet wird. Dabei bilden sich Harnsäurekristalle, die sich unter anderem in den Gelenken ablagern und dort Entzündungen sowie starke Gelenkschmerzen verursachen.
Auch die inneren Organe wie insbesondere die Nieren können bei Gicht nachweislich Schaden nehmen. Doch inwiefern negative Auswirkungen auf das Gehirn zu erwarten sind, blieb bislang umstritten.
So hatten frühere Beobachtungsstudien sogar auf ein geringeres Demenz-Risiko bei Hyperurikämie hingewiesen und die antioxidativen Eigenschaften der Harnsäure wurden als möglicher Mechanismus für diese neuroprotektive Wirkung vermutet.
Auswirkungen auf das Gehirn untersucht
Anhand der Daten aus sogenannten UK Biobank haben die Forschenden nun erstmals eine Untersuchung von „Neuroimaging-Markern“ bei Personen mit Gicht durchgeführt. Zudem wurden Beobachtungs- und Mendelsche Randomisierungsansätze kombiniert, um stärkere kausale Schlüsse ziehen zu können, erläutert das Team.
Insgesamt wurde bei 11.735 Teilnehmenden Gicht diagnostiziert, wobei für 1.165 Betroffene auch MRT-Aufnahmen des Gehirns vorlagen. Während der Nachbeobachtung entwickelten 3.126 Teilnehmende eine Demenz und 16.422 Personen verstarben.
Zunächst fiel auf, dass die Todesfälle unter den Personen mit Gicht mehr als doppelt so häufig waren wie bei den Kontrollpersonen (11 Prozent gegenüber 5 Prozent). Zudem hatten die Personen mit Gicht ein kleineres Hirnvolumen und einen höheren Eisengehalt im Gehirns, berichten die Forschenden.
Auch war die Inzidenz von Demenz und Parkinson bei den Betroffenen deutlich erhöht. Und „die Risiken waren stark zeitabhängig, wobei die Assoziationen mit dem Auftreten von Demenz in den ersten drei Jahren nach der Gicht-Diagnose am höchsten waren“, so das Forschungsteam weiter.
Kausaler Zusammenhang sehr wahrscheinlich
Vor allem in den ersten Jahren nach der Gicht-Diagnose sind motorische und kognitive Beeinträchtigungen möglich und insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Gicht kausal mit Veränderungen der Hirnstruktur verbunden ist, die auch eine höhere Anfälligkeit für mehrere neurodegenerative Erkrankungen erklären könnten, resümieren die Forschenden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Anya Topiwala, Kulveer Mankia, Steven Bell, Alastair Webb, Klaus P. Ebmeier, Isobel Howard, Chaoyue Wang, Fidel Alfaro-Almagro, Karla Miller, Stephen Burgess, Stephen Smith, Thomas E. Nichols: Association of gout with brain reserve and vulnerability to neurodegenerative disease; in: Nature Communications (veröffentlicht 18.05.2023), nature.com
- Deutsches Ärzteblatt: Gicht-Patienten haben seltener Alzheimer (veröffentlicht 09.05.2015), aerzteblatt.de
- Na Lu, Maureen Dubreuil, Yuqing Zhang, Tuhina Neogi, Sharan K. Rai, Alberto Ascherio, Miguel A. Hernán, Hyon K. Choi: Gout and the risk of Alzheimer's disease: a population-based, BMI-matched cohort study; in: BMJ Annal of the Rheumatic Diseases (veröffentlicht 04.05.2015), bmj.com
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