Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist ein innovatives Behandlungsverfahren, das nachweislich gegen schwere Depressionen helfen kann und bereits in der Praxis angewandt wird. Eine aktuelle Studie hat nun gezeigt, wie sich der Fluss der neuronalen Aktivität zwischen gesunden und depressiven Personen unterscheidet und wie die rTMS zu einer Normalisierung beitragen kann.
Ein Forschungsteam der Stanford University und der Washington University hat mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) Veränderungen der Hirnaktivität bei Personen mit schweren Depressionen identifiziert, die durch eine repetitive transkranielle Magnetstimulation ausgeglichen werden können. Die entsprechenden Studienergebnisse sind in dem Fachmagazin „PNAS“ veröffentlicht.
Wirkungsmechanismus bisher unklar
Obwohl die Wirkung der rTMS gegen schwere Depression bereits durch verschiedene Studien eindeutig nachgewiesen wurden, blieb bisher unklar, wie genau diese Form der Behandlung ihre Wirkung entfaltet.
„Die führende Hypothese war, dass rTMS den Fluss der neuronalen Aktivität im Gehirn verändern könnte, aber um ehrlich zu sein, war ich ziemlich skeptisch. Ich wollte es testen“, so der Studienautor Anish Mitra von der Stanford University.
Auffälligkeiten der Gehirnaktivität analysiert
Mit Hilfe eines speziellen Analyseverfahren der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) haben die Forschenden daher bei 33 Personen mit behandlungsresistenten schweren Depressionen die winzigen zeitlichen Unterschiede zwischen der Aktivierung verschiedener Bereiche im Gehirn ermittelt. So konnten sie auch die Richtung dieser Aktivität bestimmen.
Von den Teilnehmenden erhielten 23 eine spezielle Form der rTMS, die an der Stanford University entwickelt wurde (Stanford Neuromodulation Therapy; SNT), und zehn Personen eine Scheinbehandlung, die die SNT lediglich simulierte.
Die gewonnen Daten wurden anschließend mit denen von 85 gesunden Kontrollpersonen ohne Depression verglichen. So konnten die Forschenden Unterschiede bei der Ausbreitung spontaner Hirnaktivität zwischen depressiven und gesunden Personen feststellen.
Veränderte Richtung der Gehirnströme
Bei der Analyse der fMRI-Daten des gesamten Gehirns stach laut den Fachleuten eine Verbindung hervor. Im normalen Gehirn sende die anteriore Insula, eine Region, die Körperempfindungen integriert, Signale an eine Region, die Emotionen steuert, den anterioren cingulären Kortex.
„Man könnte es sich so vorstellen, dass der anteriore cinguläre Kortex diese Informationen über den Körper empfängt – wie Herzfrequenz oder Temperatur – und dann auf der Grundlage all dieser Signale entscheidet, wie er sich fühlt“, erläutert Mitra.
Bei drei Vierteln der Teilnehmenden mit Depressionen sei der typische Aktivitätsfluss jedoch umgekehrt ausgefallen. Der anteriore cinguläre Kortex habe Signale an die anteriore Insula gesendet. Und je schwerer die Depression war, desto höher sei der Anteil der Signale gewesen, die in die falsche Richtung liefen.
Magnetstimulation normalisiert neuronale Aktivität
Bei depressiven Teilnehmenden, die mit SNT behandelt wurden, verschob sich der Fluss der neuronalen Aktivität innerhalb einer Woche in die normale Richtung, was mit einer Aufhebung der Depression verbunden war, erläutert das Team weiter.
Bei den Personen mit den schwersten Depressionen und den am stärksten fehlgeleiteten Gehirnsignalen habe die Behandlung zudem den größten Erfolg gezeigt. Zwar weise nicht jede Person, die an Depressionen leidet, den abnormalen Fluss neuronaler Aktivität auf, aber er könne ein wichtiger Biomarker für die Wahl der richtigen Behandlungsmethode sein.
„Dies ist das erste Mal in der Psychiatrie, dass diese spezielle Veränderung in der Biologie – der Signalfluss zwischen diesen beiden Hirnregionen – die Veränderung der klinischen Symptome vorhersagt“, betont Studienautor Professor Nolan Williams von der Stanford University.
Anhand einer Untersuchung von Person mit schweren Depressionen auf diesen Biomarker lasse sich ermitteln, wie wahrscheinlich sie auf eine SNT-Behandlung ansprechen. Insgesamt bieten die Ergebnisse einen vielversprechenden Ansatz zur Identifizierung und Behandlung von Mechanismen neuropsychiatrischer Erkrankungen, resümieren die Forschenden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Anish Mitra, Marcus E. Raichle, Andrew D. Geoly, Nolan R. Williams: Targeted neurostimulation reverses a spatiotemporal biomarker of treatment-resistant depression (veröffentliicht 15.05.2023), pnas.org
- Stanford Medicine: Researchers treat depression by reversing brain signals traveling the wrong way (veröffentlicht 23.05.2023), eurekalert.org
- Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Repetitive transkranielle Magnetstimulation (Abruf 23.05.2023), unimedizin-mainz.de
Wichtiger Hinweis:
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