Ein nachlassender Geruchssinn hat nicht nur starken Einfluss auf das Erleben der Umwelt, sondern kann auch auf ein erhöhtes Depressionsrisiko hinweisen. Der Geruchssinn und Depression scheinen dabei sowohl durch biologische als auch durch verhaltensbezogene Mechanismen miteinander verbunden.
Ein Forschungsteam um Dr. Vidya Kamath von der Johns Hopkins University School of Medicine hat in einer aktuellen Studie mögliche Zusammenhänge zwischen dem Risiko einer Depression und Beeinträchtigungen des Geruchssinns untersucht. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin „Journals of Gerontology: Series A“ veröffentlicht.
Nachlassender Geruchssinn ein Warnsignal
Gerüche werden im Riechkolben des Gehirns verarbeitet, von dem man annimmt, dass er eng mit der Amygdala, dem Hippocampus und anderen Gehirnstrukturen zusammenarbeitet, die das Gedächtnis, die Entscheidungsfindung und emotionale Reaktionen regulieren und ermöglichen, erläutern die Forschenden.
In den vergangen Jahren konnte in verschiedenen Studien bereits einen Zusammenhang zwischen einem beeinträchtigten Geruchssinn (Hyposmie) und neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz beziehungsweise Alzheimer nachgewiesen werden. So kann der Geruchssinn offenbar den Verlust kognitiver Funktionen vorhersagen.
Zusammenhang mit Depressionen untersucht
Anhand der Daten von 2.125 Teilnehmenden der sogenannten „Health, Aging and Body Composition Study“ haben die Forschenden nun überprüft, ob der Geruchssinn auch im Zusammenhang mit dem Auftreten von Depression bei älteren Menschen steht.
Zu Beginn des achtjährigen Studienzeitraums (1997/98) waren die Teilnehmenden zwischen 70 und 73 Jahre alt und hatten keine Schwierigkeiten beim Gehen von 0,25 Meilen, beim Überwinden von zehn Stufen oder bei der Durchführung normaler Aktivitäten, berichtet das Team.
Alle Teilnehmenden wurden zu Beginn der Studie sowie anschließend jährlich persönlich und alle sechs Monate telefonisch untersucht. Der Geruchssinn wurde erstmalig im Jahr 1999 ermittelt.
Dabei wiesen 48 Prozent der Teilnehmenden einen normalen Geruchssinn auf, 28 Prozent einen verminderten Geruchssinn (Hyposmie) und 24 Prozent einen Verlust der Geruchssinns (Anosmie), erläutern die Forschenden.
Teilnehmende mit einem besseren Geruchssinn seien tendenziell jünger gewesen als diejenigen, die eine Anosmie oder eine Hyposmie aufwiesen, und während der Nachbeobachtung seien bei 25 Prozent der Teilnehmenden erhebliche depressive Symptome aufgetreten.
Höheres Depressionsrisiko festgestellt
Die weitere Datenauswertung habe gezeigt, dass Personen mit vermindertem oder erheblichem Verlust des Geruchssinns ein höheres Risiko hatten, bei der Nachbeobachtung erhebliche depressive Symptome zu entwickeln, im Vergleich zu Teilnehmenden mit normalem Geruchssinn.
Bei Unterscheidung zwischen leichten, moderaten und starken depressiven Symptomen sei ein schlechterer Geruchssinn auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für moderate und starke depressive Symptome verbunden gewesen.
Je schlechter der Geruchssinn einer Person war, desto stärker waren ihre depressiven Symptome, erläutern die Forschenden. Diese Ergebnisse hatten auch nach Berücksichtigung von Alter, Einkommen, Lebensstil, Gesundheitsfaktoren und der Einnahme von Antidepressiva Bestand.
„Wir haben wiederholt gesehen, dass ein schlechter Geruchssinn ein Frühwarnzeichen für neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson sowie ein vorzeitiges Sterberisiko sein kann. Diese Studie unterstreicht den Zusammenhang mit depressiven Symptomen”, fasst Professorin Dr. Vidya Kamath zusammen.
Wichtiger Indikator für Gesundheitsrisiken
Der Verlust des Geruchssinns könne viele Aspekte unserer Gesundheit und unseres Verhaltens beeinflussen und auch ein wichtiger Indikator für das Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen sein, so die Studienautorin weiter.
Die Studie deute darauf hin, dass Geruchssinn und Depression sowohl durch biologische (zum Beispiel veränderte Serotoninspiegel, Veränderungen des Hirnvolumens) als auch durch verhaltensbezogene (zum Beispiel verminderte soziale Funktion, Appetitverlust) Mechanismen miteinander verbunden sein könnten.
In weiteren Studie soll laut den Forschenden nun überprüft werden, ob Veränderungen an den Riechkolben bei Personen mit diagnostizierten Depressionen nachweisbar sind und ob der Geruchssinn möglicherweise auch für Interventionsstrategien genutzt werden kann, um das Risiko einer Depression im höheren Lebensalter zu verringern. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Vidyulata Kamath, Kening Jiang, Kevin J. Manning, R. Scott Mackin, Keenan A. Walker, Danielle Powell, Frank R. Lin, Honglei Chen, Willa D. Brenowitz, Kristine Yaffe, Eleanor M. Simonsick, Jennifer A. Deal: Olfactory Dysfunction and Depression Trajectories in Community-Dwelling Older Adults Get access Arrow; in: The Journals of Gerontology: Series A (veröffentlicht 26.06.2023), academic.oup.com
- Johns Hopkins Medicine: Poor sense of smell linked to increased risk of depression in older adults (veröffentlicht 26.06.2023), hopkinsmedicine.org
Wichtiger Hinweis:
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