Das Darmmikrobiom (Darmflora) hat weitreichenden Einfluss auf unsere Gesundheit und scheint laut einer aktuellen Studie auch mit dem Risiko für Vorhofflimmern in Zusammenhang zu stehen. So sind bestimmte Darmbakterien bei Personen mit Vorhofflimmern besonders präsent.
Ein internationales Forschungsteam um Professorin Renate Schnabel vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat die Zusammenhänge zwischen der Zusammensetzung der Darmflora und Vorhofflimmern untersucht. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin „eBioMedicine“ veröffentlicht.
Vorhofflimmer weit verbreitet
Vorhofflimmern ist laut den Forschenden die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und tritt vor allem bei älteren Menschen auf. So seien acht Prozent der über 65-Jährigen in Deutschland von Vorhofflimmern betroffen, das schwerwiegende Folgeerkrankungen wie einen Schlaganfall, Demenz, Depression und Herzschwäche mit sich bringen kann.
Die klassischen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen können dem Team zufolge nur etwas mehr als die Hälfte des Vorhofflimmer-Risikos erklären, so dass demnach andere Einflussgrößen ebenfalls eine Rolle spielen.
Darmflora beeinflusst die Gesundheit
Wie weitreichend die Auswirkungen des Darmmikrobioms auf unsere Gesundheit sind, wurde in den vergangenen Jahren durch immer mehr Studien belegt. So steht die Darmflora nicht nur in direktem Zusammenhang mit Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes wie chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten, sondern sie beeinflusst Prozesse im ganzen Körper.
Beispielweise haben die Darmbakterien über die Darm-Hirn-Achse auch Auswirkungen auf das Depressionsrisiko. Außerdem kann die Darmflora die Neurodegeneration fördern und dem Gehirn schaden und auch bei dem Erfolg von Bluthochdruck-Therapien wurde ein Zusammenhang mit bestimmten Darmbakterien nachgewiesen.
Darmmikrobiom und Vorhofflimmern
So haben die Forschenden nun das Darmmikrobiom als möglichen Einflussfaktor für Vorhofflimmern in den Fokus genommen. Anhand der Daten von 6.763 Teilnehmenden aus der finnischen FINRISK-Studie 2002 hat das Team den Zusammenhang zwischen der Prävalenz und dem Auftreten von Vorhofflimmern mit dem Darmmikrobiom analysiert.
Von allen Teilnehmenden lagen eingefrorene Stuhlproben vor und es erfolgten regelmäßig medizinische Untersuchungen, so dass ein Abgleich der Analysen des Stuhlmikrobioms mit den individuellen Krankheitsgeschichten möglich war, erläutert das Team.
Überprüft wurden die Ergebnisse anhand einer unabhängigen Fall-Kontroll-Kohorte von 138 Personen in Hamburg, so die Forschenden weiter.
Diese Darmbakterien beeinflussen das Risiko
Bei der Datenauswertung sei deutlich geworden, dass bestimmte Bakterien bei Vorhofflimmern vermehrt vorkommen – und zwar Bakterien aus neun Gattungen bei Personen mit bestehendem Vorhofflimmern und aus acht Gattungen bei Personen, die die Rhythmusstörung später entwickelten.
Die größten Veränderungen der Darmflora waren bei den Gattungen Enorma, Bifidobacterium und Eisenbergiellea festzustellen und vergleichbare Verschiebungen der Darmflora können auch bei Personen mit Bluthochdruck und Herzschwäche festgestellt werden, berichten die Fachleute.
Direkter oder indirekter Zusammenhang?
Da diese Veränderungen der Darmbakterien auch bei Personen mit Bluthochdruck auftreten und Bluthochdruck ein Risikofaktor für Vorhofflimmern ist, bleibe die Frage, ob die Darmflora direkten Einfluss auf das Vorhofflimmern-Risiko hat oder ob eine indirekte Wirkung über den Zusammenhang mit Bluthochdruck eintritt.
Dies soll in weiteren Forschungsarbeiten geklärt werden und dabei möchten die Forschenden auch aufschlüsseln, über welche Wege Darmbakterien das Herz beeinflussen können. Von besonderen Interesse sind diesbezüglich die Stoffwechselprodukte der Bakterien, sogenannte Metabolite, wie Lipopolysaccharid (LPS) oder kurzkettige Fettsäuren.
Nutzen für die Prävention und Therapie
„Wir versuchen, Metabolitmuster zu identifizieren, die mit den Veränderungen des Darmmikrobioms bei Vorhofflimmern verbunden sind und eventuell das erhöhte Risiko für die Rhythmusstörung vermitteln“, fasst Professorin Schnabel zusammen.
Die Erkenntnisse könnten auch zur Abschätzung des Erkrankungsrisikos und zur Verbesserung der Therapien beitragen, hoffen die Forschenden. Allerdings seien zunächst umfängliche weitere Untersuchungen erforderlich, bevor die Sequenzierung des Mikrobioms zur Prävention und gezielten Behandlung von Vorhofflimmern eingesetzt werden kann. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Joonatan Palmu, Christin S. Börschel, Alfredo Ortega-Alonso, Lajos Markó, Michael Inouye, Pekka Jousilahti, Rodolfo A. Salido, Karenina Sanders, Caitriona Brennan, Gregory C. Humphrey, Jon G. Sanders, Friederike Gutmann, Dominik Linz, Veikko Salomaa, Aki S. Havulinna, Sofia K. Forslund, Rob Knight, Leo Lahti, Teemu Niiranen, Renate B. Schnabel: Gut microbiome and atrial fibrillation - results from a large population-based study; in: eBioMedicine (veröffentlicht 26.04.2023), thelancet.com
- Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. (DZHK): Zusammenhänge zwischen Darmmikrobiom und Vorhofflimmern entdeckt (veröffentlicht 27.06.2023), dzhk.de
Wichtiger Hinweis:
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