Statine kommen zum Einsatz, um bei Patientinnen und Patienten mit hohen Blutfettwerten den Cholesterinspiegel zu senken und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren. Neue wissenschaftliche Untersuchungen deuten nun auf einen weiteren gesundheitlichen Nutzen hin. Demnach könnten die Cholesterinsenker auch das Risiko für Lebererkrankungen reduzieren.
Statine sind bei vielen Menschen unbeliebt, denn sie werden zum Teil mit erheblichen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht. Allerdings tragen diese Medikamente zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Und sie könnten eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung von Lebererkrankungen spielen, so das Ergebnis einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift „JAMA Network“ erschienen ist.
Jährlich mehr als zwei Millionen Todesopfer
Wie es in einer aktuellen Mitteilung der Uniklinik RWTH Aachen heißt, fordert die zunehmende Anzahl von Lebererkrankungen jährlich mehr als zwei Millionen Todesopfer.
„Die bisherige Literatur deutet darauf hin, dass Statine schützende Eigenschaften besitzen, zu denen entzündungshemmende, antiproliferative, antiangiogene und immunmodulatorische Effekte gehören“, erklärt Studien-Erstautorin und Doktorandin Mara Vell.
„Es bestand jedoch eine erhebliche Wissenslücke, ob Statine in der Allgemeinbevölkerung ohne vorbestehende Lebererkrankungen einen die Leber schützenden Effekt erzielen können. Um diese Wissenslücke zu schließen, haben wir die Studie initiiert“, so Vell weiter.
Durchgeführt wurde die Studie von einem Team der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und internistische Intensivmedizin (Medizinische Klinik III) an der Uniklinik RWTH Aachen, angeführt von Mara Vell und unter Leitung von Dr. med. Carolin Schneider, Assistenzärztin in der Medizinischen Klinik III.
Studie mit über 1,7 Millionen Teilnehmenden
Den Angaben zufolge umfasste die Studie mehr als 1,7 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus drei verschiedenen Kohorten: der UK Biobank, der Penn Medicine Biobank und der TriNetX-Kohorte.
Mithilfe der sogenannten Propensity Score Matching-Methode wurden verschiedene wichtige Parameter wie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), ethnische Zugehörigkeit, Begleiterkrankungen und Medikamenteneinnahme berücksichtigt, so dass die Gruppen – mit und ohne regelmäßige Statineinnahme – bezogen auf die Baseline-Charakteristika ausgeglichen waren.
Die Studienpopulation umfasste auch Menschen mit erhöhtem Risiko für Leberkrebs, beispielsweise Personen mit Diabetes, genetischer Prädisposition für Lebererkrankungen sowie Menschen mit spezifischen Begleiterkrankungen oder Lebensstilfaktoren, die das Risiko für Lebererkrankungen erhöhen.
Deutliche Verringerung des Risikos für Leberneuerkrankungen
Die Studienergebnisse zeigen, dass die regelmäßige Einnahme von Statinen mit einer deutlichen Verringerung des Risikos für Leberneuerkrankungen und eines leberassoziierten Todes verbunden ist. Darüber hinaus senken diese Cholesterinsenker das Risiko, an einem hepatozellulären Karzinom, einer häufigen Form von Leberkrebs, zu erkranken.
„Diese Zusammenhänge haben wir in den meisten untersuchten Gruppen festgestellt, wobei die Vorteile mit der Dauer der Statintherapie zuzunehmen schienen“, erläutert Mara Vell.
In der UK Biobank hatten Personen, bei denen zuvor keine Lebererkrankung zugrunde lag und die regelmäßig Statine einnahmen, eine um 15 Prozent verringerte Chance, eine neue Lebererkrankung zu entwickeln, und eine um 28 Prozent niedrigere Wahrscheinlichkeit, an leberbedingten Ursachen zu sterben.
Das Risiko, an einem hepatozellulären Karzinom zu erkranken, wurde bei Statin-Nutzenden um 42 Prozent reduziert. Diese Assoziation war in der TriNetX-Kohorte noch stärker ausgeprägt, wo das Risiko, an einem hepatozellulären Karzinom zu erkranken, um 74 Prozent bei Statin-Nutzenden verringert wurde.
Ergebnisse beruhen auf Assoziationen
„Zusammenfassend deuten unsere Ergebnisse stark darauf hin, dass Statine eine bedeutende Rolle bei der Prävention von Lebererkrankungen und Leberkrebs spielen könnten, sofern sich die Ergebnisse in klinischen Studien bestätigen“, so Dr. med. Carolin Schneider.
„Es ist aber wichtig zu verstehen, dass unsere Ergebnisse auf Assoziationen beruhen und keine kausalen Zusammenhänge belegen“, führt die Wissenschaftlerin weiter aus.
„Mit anderen Worten: Obwohl wir eine starke Verbindung zwischen regelmäßiger Statineinnahme und einem geringeren Risiko für Lebererkrankungen und leberbedingte Todesfälle festgestellt haben, beweist unsere Studie nicht endgültig, dass Statine direkt für diese positiven Ergebnisse verantwortlich sind“, sagt Dr. Schneider.
„Der Effekt könnte auch durch andere Faktoren bedingt sein, die eng mit der Statineinnahme verbunden sind. Darüber hinaus unterliegt unsere retrospektive Kohortenstudie gewissen Einschränkungen, wie möglichen Störfaktoren, die die beobachteten Zusammenhänge beeinflussen können. Daher sollten unsere Ergebnisse als Grundlage für zukünftige Forschung betrachtet werden.“
Weitere Studien erforderlich
Laut dem Forschungsteam sind weitere Studien, idealerweise randomisierte kontrollierte Studien, die als Goldstandard für die Bestimmung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen gelten, erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigen und die involvierten Mechanismen zu verstehen.
Diese zukünftigen Studien sollten auch die optimale Dosierung sowie Dauer der Statineinnahme zur Prävention von Lebererkrankungen untersuchen sowie potenzielle Risiken oder Nebenwirkungen bei langfristiger Statineinnahme in verschiedenen Bevölkerungsgruppen bewerten.
„Nur dann können wir voller Zuversicht Statine als primäre Präventionsstrategie für Lebererkrankungen in der allgemeinen Bevölkerung empfehlen. Darüber hinaus wäre es wertvoll zu untersuchen, welche Patientenuntergruppen den größten Nutzen von einer Statintherapie haben“, so Dr. Schneider.
Cholesterinsenker nicht vorsorglich einnehmen
Obwohl die Studie auf eine potenziell schützende Rolle von Statinen bei Lebererkrankungen hinweist, sollte mit der Einnahme keinesfalls ohne Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt begonnen werden.
„Die Entscheidung zur Einleitung einer Statintherapie sollte immer auf einer umfassenden Bewertung des Gesundheitszustands des einzelnen Patienten, potenzieller Risiken und möglicher Vorteile basieren“, empfiehlt Mara Vell. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Uniklinik RWTH Aachen: Studie zeigt möglichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Statinen und dem Risiko einer Lebererkrankung, (Abruf: 09.07.2023), www.ukaachen.de
- Mara Sophie Vell, Rohit Loomba, Arunkumar Krishnan, et al.: Association of Statin Use With Risk of Liver Disease, Hepatocellular Carcinoma, and Liver-Related Mortality; in: JAMA Network, (veröffentlicht: 26.06.2023), jamanetwork.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.