Es ist Zeit für ein Umdenken in Bezug auf verarbeitete Lebensmittel. Denn Fachleute warnen, dass bestimmte Arten von verarbeiteten Lebensmittel wahrhaft süchtig machende Eigenschaften aufweisen.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Forschenden der University of Michigan wurde analysiert, wie der Konsum von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln mit der Sucht nach Essen verbunden ist, welche verarbeiteten Lebensmittel das größte Suchtpotenzial aufweisen und warum dies der Fall ist. Die Ergebnisse können in dem englischsprachigen Fachjournal „BMJ“ nachgelesen werden.
Süchtig nach bestimmten Lebensmitteln?
Süchtig nach bestimmten Lebensmittel zu sein, ist nicht etwa eine Ausrede für die Zunahme von Gewicht. „Es gibt eine konvergierende und konsistente Unterstützung für die Gültigkeit und klinische Relevanz der Lebensmittelsucht”, betont Studienautorin Professorin Ashley Gearhardt in einer Pressemitteilung.
Daher müsse anerkannt werden, dass bestimmte Arten von verarbeiteten Lebensmitteln tatsächlich süchtig machende Eigenschaften aufweisen. Dies könnte nach Ansicht der Expertin zu einer Verbesserung der globalen Gesundheit beitragen.
Natürliche Lebensmittel unbedenklich
Zunächst gilt dabei allerdings zu beachten, dass nicht alle Lebensmittel süchtig machen. „Die meisten Lebensmittel, die wir als natürlich oder minimal verarbeitet betrachten, liefern Energie in Form von Kohlenhydraten oder Fett – aber nicht beides“, fügt Studienautorin Alexandra DiFeliceantonio hinzu.
Typische Beispiele für solche natürlichen und nicht süchtig machenden Lebensmittel seien Äpfel und Lachs. Der Apfel weist beispielsweise ein Verhältnis von Kohlenhydraten zu Fett von etwa eins zu null auf, wogegen Lachs ein Verhältnis von null zu eins hat, erklärt das Team.
Kombination von Kohlenhydraten und Fett macht süchtig
Vergleicht man dagegen einen Schokoladenriegel mit diesen natürlichen Lebensmitteln, falle auf, dass dieser Kohlenhydrate und Fett in einem Verhältnis von eins zu eins aufweise. Genau solch ein Verhältnis scheine das Suchtpotenzial eines Lebensmittels deutlich zu erhöhen.
Leider haben viele verarbeitete Lebensmittel sowohl einen höheren Anteil an Fett, als auch an Kohlenhydraten, und diese Kombination zeigt eine andere Wirkung auf das Gehirn, als es bei natürlichen Lebensmittel der Fall ist, die ausschließlich Kohlenhydrate oder Fett enthalten, erläutert DiFeliceantonio.
Eine wichtige Rolle für das Suchtpotenzial von verarbeiteten Lebensmittel könnten auch Lebensmittelzusatzstoffe spielen, die typischerweise bei der industriellen Verarbeitung verwendet werden. Dies müsse zukünftig genauer untersucht werden.
Substanzkonsumstörung durch Lebensmittel
Die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit extrem verarbeiteten Lebensmitteln, die gleichzeitig einen hohen Anteil an raffinierten Kohlenhydraten und zugesetzten Fetten aufweisen, erfüllen laut den Forschenden bei einigen Menschen durchaus die Kriterien für die Diagnose einer Substanzkonsumstörung.
Beispiele für solche Verhaltensweisen sind eine geringere Kontrolle über die Nahrungsaufnahme, starkes Verlangen, Entzugssymptome und fortgesetzter Konsum trotz Folgen wie Fettleibigkeit, Essanfällen, schlechterer körperlicher und geistiger Gesundheit und geringerer Lebensqualität, erklären die Fachleute.
Süchtig nach ultraverarbeiteten Lebensmitteln
Das Team stellte in einer Auswertung von 281 Studien fest, dass schätzungsweise 14 Prozent der Erwachsenen und zwölf Prozent der Kinder unter einer Abhängigkeit von ultraverarbeiteten Lebensmitteln leiden.
Dabei sei es besonders besorgniserregend, dass in machen Ländern ultra-verarbeitete Lebensmittel eine wichtige Kalorienquelle der täglichen Ernährung darstellen.
Dies betreffe nicht nur Länder mit einem niedrigen Einkommen, sondern auch Länder mit einem hohen Einkommen, wenn dort der Zugang zu minimal verarbeiten Lebensmitteln eingeschränkt ist, was zu sogenannter Ernährungsunsicherheit beitrage.
Liegt eine solche Ernährungsunsicherheit vor, sind Betroffene stärker auf ultraverarbeiteten Lebensmitteln angewiesen und leiden daher auch eher unter Lebensmittelabhängigkeit, berichtet das Team.
Veränderungen der Ernährung geboten
Eine Einstufung bestimmter Lebensmittel als süchtig machend, könnte zu weitgreifenden Veränderungen im Bereich der sozialen Gerechtigkeit, der klinischen Versorgung und der öffentlichen Politik führen, betonen die Forschenden.
Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig es ist, darauf zu achten, dass man in seiner Ernährung möglichst wenig hochverarbeitete Lebensmittel zu sich nimmt, um eine mögliche Lebensmittelabhängigkeit und deren bedenkliche Folgen für die Gesundheit zu vermeiden. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ashley N Gearhardt, Nassib B Bueno, Alexandra G DiFeliceantonio, Christina A Roberto, Susana Jiménez-Murcia, et al.: Social, clinical, and policy implications of ultra-processed food addiction; in; BMJ (veröffentlicht 09.10.2023), BMJ
- Virginia Tech: International team of scientists says identifying some foods as addictive could shift attitudes, stimulate research (veröffentlicht 09.10.2023), Virginia Tech
Wichtiger Hinweis:
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