Aus Sojamehl: Vegetarische Schnitzel, Burger und Wurst im Trend
Vegetarische und vegane Lebensmittel haben in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt. Selbst in herkömmlichen Supermärkten stehen mittlerweile fleischlose Schnitzel, Burger oder Würstchen in den Regalen. Die Herstellungsmethode ähnelt in manchen Fällen der Produktion von Erdnussflips. Darüber, wie gesund Fleischersatz ist, gibt es keine einheitliche Meinung.
Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte
Waren Vegetarier oder Veganer vor einigen Jahren von manchen Menschen noch als „Körnerfresser“ verspottet worden, ist eine fleischlose Ernährungsweise heute in allen Bevölkerungsschichten und Regionen verbreitet. Immer mehr Menschen leben aus gesundheitlichen, ökologischen, moralischen oder ethischen Gründen vegan oder vegetarisch. Parallel dazu hat sich auch der Markt verändert. In der Vergangenheit fand sich Fleischersatz, der schmeckt wie Fleisch, fast nur im Bioladen oder Reformhaus, heute sind solche Produkte in fast jedem gut sortierten Supermarkt zu haben. In einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa wird mehr über die Produktion von vegetarischen Alternativen zu Fleisch berichtet.
Umsatz um fast 90 Prozent gestiegen
In der Laborhalle des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik (DIL) kippt der Mitarbeiter Florian Singer bei ohrenbetäubendem Lärm gemahlenes Sojamehl in einen Trichter einer mannshohen Apparatur. Es entzieht sich zwar dem Auge, was in der Maschine passiert, doch am Ende quillt wie aus einer Tube eine flache, graue Teigmasse heraus. Davon schneidet Singers Kollege Hendrik Thoben etwa 50 Zentimeter lange Rechtecke ab und legt sie in eine Kiste. Damit ist der erste Schritt zu einem fleischlosen Schnitzel gemacht. Nach Angaben des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, dem Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, ist der Umsatz mit Fleischersatzprodukten in den vergangenen vier Jahren um 88 Prozent gestiegen.
Fleischlose Ware von Wurstherstellern
Selbst Nahrungsmittelhersteller, die ihren Namen mit Wurst- und Fleischprodukten gemacht haben, bieten mittlerweile fleischlose Produkte an. Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle beispielsweise hat aktuell 16 solcher Produkte im Angebot; darunter vegetarischen Aufschnitt, Schnitzel oder vegetarisches Hack-“Fleisch“. Wie Godo Röben, der bei dem Lebensmittelhersteller Marketing, Forschung und Entwicklung verantwortet, laut dpa erklärte, seien inzwischen auch die ersten veganen Produkte auf dem Markt: „Ende 2015 haben vegetarische Produkte einen Anteil von circa 20 Prozent am Umsatz unseres Unternehmens erreicht.“
„Lob – vor allem von Verbrauchern“
Auch Wettbewerber Wiesenhof bietet seit letztem September vegane Fleischwurst und Mortadella an. Laut dem Geschäftsführer des Wiesenhof-Marketings, Ingo Stryck, sollen bald weitere Produkte im Handel sein, unter anderem ein vegetarisches Tiefkühl-Schnitzel. „Wir sind bislang sehr zufrieden mit der Markteinführung und erhalten für unsere Veggie-Linie viel Lob – vor allem von Verbrauchern“, so Stryck. Der dpa zufolge nimmt das fleischlose Schnitzel oder der Chicken-Nugget seinen Ausgang in einer Produktionsanlage wie der, die beim DIL in Quakenbrück im Osnabrücker Land steht. Das Institut wurde in den 1980er Jahren gegründet und leistet für die mittelständischen Lebensmittelhersteller in der Region Forschungs- und Entwicklungsarbeit.
Wie bei der Produktion von Erdnussflips
Der DIL-Sprecher Sebastian Biedermann erläuterte, dass sich das angewendete Verfahren Extrusion nenne und im Prinzip dieselbe Methode sei, mit der auch Erdnussflips hergestellt werden. Dabei wird der Rohstoff – in diesem Fall Sojamehl – durch zwei gegenläufige Schnecken getrieben. Unter dem Einfluss von Druck, Hitze und Wasser entsteht schließlich die Teigmasse, die jedoch im Unterschied zu den Flips am Ende nicht fluffig aufploppt, sondern von ihrer Textur und späterem „Mundgefühl“ her an Fleisch von Schwein, Rind, Geflügel oder Fisch erinnern soll. „Das Geheimnis liegt in den Kühldüsen“, so Biedermann. Nach der Extrusion wird der Teig-Rohling noch einmal gekühlt, am Ende kommt ein pflanzliches Produkt mit den erwähnten Eigenschaften von Fleisch heraus: „Was da auf molekularer Ebene passiert, wissen wir noch nicht.“ Dem Sprecher zufolge hat das DIL zehn Jahre lang an der Technik geforscht, die inzwischen weltweit im Einsatz ist.
Geschmack erst in der Weiterverarbeitung
Wie es weiter heißt, ist der „natürliche“ Geschmack des Fleischersatzes aus Pflanzen neutral. Eine Kostprobe von dem Teig-Rohling ähnele einem Stück essbarer Pappe. Den endgültigen Geschmack und das Aussehen bekommt das Produkt in der Weiterverarbeitung, indem es etwa mariniert und portioniert wird, erläuterte Singer. Dabei werden Ingredienzen wie Farbstoffe oder Geschmacksverstärker beigemengt – Stoffe also, die viele Gesundheitsbewusste nicht auf ihrem Teller haben wollen. „Je höher der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels ist, desto mehr Zutaten und Zusatzstoffe kommen zum Einsatz“, erklärte Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Allerdings seien generelle Aussagen wegen der Vielfalt der Produkte schwierig. So sei etwa ein einfaches Tofu-Produkt vom Verarbeitungsgrad her ähnlich wie Käse.
Nutzen für die Gesundheit?
„Wenn sich jemand vegan ernährt und ersetzt das Fleisch einfach durch hoch verarbeitete Fleischersatzprodukte, landet er damit nicht unbedingt bei einer ausgewogenen, vollwertigen veganen Ernährung“, so die Ernährungswissenschaftlerin. Vielmehr komme es darauf an, wie oft man so etwas esse. Ob vegane Ernährung gut oder schlecht für die Gesundheit ist, wird von Experten nicht einheitlich beantwortet. Menschen, die auf rein pflanzliches Essen setzen, verzichten zwar auf Cholesterin, aber auch auf das wichtige Vitamin B 12. Daher wird Veganern oft geraten, dauerhaft zu entsprechenden Nährstoffpräparaten zu greifen. (ad)
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