Diagnose Brustkrebs führt bei vielen Frauen zu posttraumatischen Belastungssymptomen
Die Diagnose Brustkrebs kann bei den betroffenen Frauen posttraumatische Belastungssymptome auslösen. Dies hat ein Forscherteam aus München herausgefunden. Bei über der Hälfte der Betroffenen halten die Symptome mindestens ein Jahr an. Ärzte sollten sich bewusst machen, dass die Patientinnen auch in diesem Bereich Unterstützung brauchen.
Genauere Erforschung von Brustkrebs
Der Deutschen Krebshilfe zufolge erkranken in Deutschland jährlich rund 75.000 Frauen an Brustkrebs. Etwa 17.000 Patientinnen sterben jedes Jahr daran. Weltweit befassen sich zahlreiche Wissenschaftler mit der genaueren Erforschung der Krankheit und gewinnen immer wieder neue Erkenntnisse. Erst kürzlich berichtete ein Forscherteam von der Universität Buffalo im US-Staat New York über ein hohes Brustkrebsrisiko bei Frauen durch Parodontitis. Nun haben Wissenschaftler der Ludwig Maximilians-Universität (LMU) in München festgestellt, dass bereits die Diagnose Brustkrebs posttraumatische Belastungssymptome auslösen kann.
Posttraumatische Belastungssymptome noch nach einem Jahr
Laut einer Pressemitteilung der Münchner Uni zeigte die Studie Cognicares um Dr. Kerstin Hermelink vom Brustzentrum der Frauenklinik der LMU, dass diese Symptome bei der Mehrheit der Frauen noch ein Jahr nach dem Befund messbar sind. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Psycho-Oncology“. Das Team um Kerstin Hermelink und ihrer Doktorandin Varinka Voigt hat im Rahmen der von der Deutschen Krebshilfe geförderten Studie Cognicares mehr als 160 Brustkrebspatientinnen über einen Zeitraum von einem Jahr wissenschaftlich begleitet und mit 60 Frauen ohne eine Krebsdiagnose verglichen. Zu drei Zeitpunkten wurden alle Teilnehmerinnen auf Symptome posttraumatischer Belastung untersucht.
Patientinnen mit emotionaler Taubheit und großer Reizbarkeit
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann mit ohnmächtiger Wut, Todesangst, Trauer und emotionaler Leere einher gehen. Es kann auch zu körperlichen Beschwerden wie Schweißausbrüchen, Zittern, Übelkeit, Atemnot oder Herzrasen kommen. In der Münchner Studie zeigten 82,5 Prozent aller Patientinnen vor Beginn der Behandlung posttraumatische Belastungssymptome wie zum Beispiel ständige, unabweisbare Gedanken an die Erkrankung, das Gefühl emotionaler Taubheit, große Reizbarkeit mit Wutausbrüchen und übermäßige Schreckhaftigkeit. Zwar hatten ein Jahr später nur wenige Patientinnen (zwei Prozent) eine voll ausgeprägte Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, doch über die Hälfte (57,3 Prozent) litt noch immer unter posttraumatischen Symptomen.
Diagnose Brustkrebs schlimmer als schwerer Unfall
„Es ist bemerkenswert, dass die hohe seelische Belastung durch die Erkrankung über einen so langen Zeitraum bestehen bleibt“, so Hermelink. Wie schwer die Diagnose Krebs wiegt, zeigt auch ein Vergleich mit anderen Auslösern von Traumata: Von den Patientinnen, die bereits vor ihrer Erkrankung und Diagnose ein anderes Trauma erlebt hatten, die zum Beispiel Opfer eines schweren Unfalls oder eines gewalttätigen Angriffs geworden waren, hielten demnach 40 Prozent die Diagnose Brustkrebs für die schlimmere Erfahrung.
Daten basieren nicht auf Selbstauskunft
„Cognicares ist eine der ganz wenigen Längsschnittstudien, die es zu traumatischen Störungen nach der Diagnose Brustkrebs gibt“, erklärte Hermelink. Den Angaben zufolge basieren die Daten nicht auf Selbstauskunft, sondern wurden mithilfe eines diagnostischen Interviews von Psychologen erhoben. Es wurden nur Patientinnen ohne Metastasen untersucht: Frauen, die also berechtige Hoffnung auf eine Heilung haben konnten. Außerdem wurden Frauen mit psychischen Vorerkrankungen und fehlenden Deutschkenntnissen ausgeschlossen. „Wir gehen daher davon aus, dass unsere Daten die Verbreitung posttraumatischer Belastungssymptome bei Brustkrebspatientinnen und gesunden Frauen eher unterschätzen“, so Hermelink.
Warum die Belastung bei manchen Patientinnen länger anhält
Die Wissenschaftler haben in ihren Daten nach Einflussfaktoren gesucht, warum nicht alle Patientinnen posttraumatische Belastungssymptome entwickelten und warum die Belastung bei einigen länger anhielt. „Einen Einfluss der Art der Operation oder einer Behandlung mit Chemotherapie konnten wir nicht nachweisen. Dagegen zeigte sich deutlich ein günstiger Effekt von Bildung. Offenbar ist Bildung ein Marker für Ressourcen, die es erlauben, sich schneller von der psychischen Belastung durch eine Krebsdiagnose wieder zu erholen“, erläuterte Hermelink.
Patientinnen benötigen entsprechende Unterstützung
Wie die Uni schreibt, sind die Studienergebnisse auch vor dem Hintergrund interessant, dass das Klassifikationssystem DSM, das in der Psychiatrie als Leitfaden für Diagnosen verwendet wird, seit dem Jahr 2013 lebensbedrohliche Erkrankungen nicht mehr als potenzielle Auslöser für Traumata aufführt. „Vor dem Hintergrund unserer Studienergebnisse und meiner Erfahrungen aus der Arbeit mit Brustkrebspatientinnen als Psychoonkologin halte ich das für falsch“, sagte Hermelink. „Ärzte sollten sich bewusst sein, dass nach einer Brustkrebs-Diagnose ein Großteil der Patientinnen posttraumatische Belastungssymptome entwickelt und eine entsprechende Unterstützung benötigt.“ (ad)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.