Künstliches Herz: Leben mit einer Pumpe aus Metall
Vor 30 Jahren erhielt der erste deutsche Patient ein künstliches Herz. Der schwer kranke Mann lebte danach allerdings nicht mehr lange. Seitdem hat sich jedoch viel getan. Heute gibt es wesentlich weniger Komplikationen und die Lebensqualität hat sich für einen Großteil der Betroffenen deutlich verbessert.
Nicht genügend Spenderorgane
Der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) zufolge warten derzeit mehr als 10.000 schwer kranke Patientinnen und Patienten in Deutschland auf ein Spenderorgan. Manche müssen wegen schlechten Allgemeinzustandes von der Warteliste genommen werden, andere sterben, weil kein Organ rechtzeitig zur Verfügung steht. Es ist zwar erfreulich, dass die Zahl der Organspender nach Jahren des Rückgangs wieder gestiegen ist, doch diese reichen längst noch nicht aus. Benötigen Patienten oder Patientinnen ein Herz, gibt es oft die Möglichkeit, ein künstliches Organ einzusetzen. Die metallenen Pumpen werden mittlerweile seit 30 Jahren in Deutschland implantiert. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet über den ersten Patienten, dem hierzulande ein künstliches Herz eingesetzt wurde und was sich seitdem getan hat.
Kunstherz zur Erinnerung im Wohnzimmerschrank
Zwei Jahre lang hatte Frank Baier (Name geändert) zwei Herzen in seiner Brust: sein eigenes, zu schwaches Herz sowie ein Kunstherz, das die Arbeit zum großen Teil übernahm. Heute bewahrt Baier das künstliche Herz in seinem Wohnzimmerschrank auf, als Erinnerung. „Ich bin froh, dass ich es wieder los bin“, sagte der 50-Jährige. Er ist der künstlichen Pumpe aber trotzdem dankbar – schließlich hat sie sein Leben gerettet. Kunstherzen gibt es seit nunmehr 30 Jahren. Das menschliche Herz kann sich – anders als andere Muskeln – regenerieren, wenn es sich eine Weile erholen kann. Die künstlichen Herzen helfen dabei. Der Grund, warum sich das Herz regenerieren kann, ist noch nicht genau geklärt. „Beim Herzmuskel gelten andere Mechanismen, die noch nicht alle erforscht sind“, erläuterte Thomas Krabatsch, Oberarzt am Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB).
Akkus fürs Herz am Zigarettenanzünder aufgeladen
Bei Baier hat das Leiden laut dpa im Januar 2011 begonnen. „Ich habe mich nicht gut gefühlt, kaum noch Luft bekommen. Da hat meine Frau einen Krankenwagen geholt“, so der Berliner. Wie er erklärte, setzte seien Erinnerung erst wieder ein, als er im Herzzentrum aus dem Koma erwachte – einen Monat später. „Meine ersten Gedanken waren: Wo bin ich hier, was liegt da neben mir?“ Aus seinem Bauch ragte ein Kabel, das das Kunstherz mit Akkus und Controller verband, die in einer Tasche neben seinem Bett steckten. „Ich wollte das Ding sofort wieder loswerden, habe aber langsam verstanden, dass es Tag und Nacht bei mir bleibt“, sagte Baier, der damals eine schwere Herzmuskelentzündung hatte. „Das Schlimmste war, dass ich nicht mehr duschen und baden durfte.“ Die Gefahr eines Kurzschlusses oder einer neuen Infektion war einfach zu groß. Auf die Technik konnte sich Baier verlassen: „Das Gerät hat nie versagt.“ Die beiden Akkus mit je sechs Stunden Laufzeit musste er regelmäßig laden. „Das ging auch während einer Autofahrt mit dem Zigarettenanzünder. Und nachts konnte ich die Akkus an die Steckdose anschließen und ganz beruhigt schlafen“, so der ehemalige Händler.
Erster Patient lebte nicht lange
Früher waren die Patienten weitaus unflexibler. „Noch vor etwa zehn Jahren wurden die Pumpen mit Kompressoren angetrieben, die so groß waren wie ein Kühlschrank“, erklärte Krabatsch. Und als Emil Bücherl vor 30 Jahren in Berlin dem ersten Patienten deutschlandweit ein Kunstherz einpflanzte, war an Mobilität gar nicht zu denken. Das von ihm entwickelte „Berliner Kunstherz“ galt in der damaligen Zeit als Sensation, der Arzt als einer der Pioniere auf dem Gebiet. Sein erster Patient lebte allerdings nur kurz. Nachdem ihm am 7. März 1986 die künstliche Pumpe eingesetzt worden war, bekam der 39 alte Patient nur vier Tage später ein Spenderherz und starb kurz darauf an Komplikationen. Doch seither hat sich viel getan. „Heutzutage können Patienten mit ihrem Herzunterstützungssystem nach Hause gehen, es gibt deutlich weniger Komplikationen, und die Laufzeit ist definitiv länger“, erläuterte der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiotechnik, Johannes Gehron.
Patient lebt seit zehn Jahren ohne Komplikationen
In der Vergangenheit hätten Patienten bereits nach drei oder vier Jahren erneut mit Problemen wie etwa Schlaganfällen rechnen müssen. „Jetzt wurde an der Medizinischen Hochschule Hannover ein Patient vorgestellt, der schon zehn Jahre komplikationsfrei ist“, so Gehron. Schon vor Jahren berichtete die MHH über den europäischen Rekord, den sie mit dem Herzunterstützungssystem „Heartmate II” erzielten. 2014 wurde an der niedersächsischen Klinik weltweit erstmals ein neues Kunstherz des Typs „Heartmate III“ implantiert. Bundesweit hat sich die Zahl der jährlich eingesetzten Kunstherzen von 2005 bis 2015 auf 1.000 Stück fast verdreifacht.
Idealerweise wird Kunstherz durch Spenderherz ersetzt
Im Idealfall wird ein Kunstherz später von einem Spenderherz ersetzt. Allerdings könne die Zahl der Spender längst nicht den steigenden Bedarf decken. Angaben der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) zufolge sank die Anzahl der Herztransplantationen 2015 erneut und zwar von 294 im Jahr 2014 auf 283. Im bisherigen Rekordjahr 1998 waren es 526 Herztransplantationen. Von der DGTHG wird ein weiterer Abwärtstrend befürchtet. Die Mediziner träumen daher von einem Kunstherz ohne Kabel, das sich total implantieren lässt. Laut Krabatsch sei es schon vorgekommen, dass Patienten das Kabel unbemerkt in einer Autotür einklemmten und starben. Oder in einem Stau standen und die Akkus nicht laden konnten. Frank Baier ist heute nicht mehr auf Steckdosen angewiesen: „Ich wollte damit nicht auf Dauer weiterleben“, sagte er mit Blick auf das Gerät. Er habe natürlich trotzdem Glück gehabt, dass sein Arzt damals den Eingriff wagte. Der dpa zufolge erhielten am Herzzentrum in Berlin seit den 1980er-Jahren etwa 2.250 Patienten eine künstliche Pumpe. Lediglich bei 100 von ihnen konnte das Kunstherz wieder entfernt werden. Wie es heißt, war nur bei drei dieser Patienten das eigene Herz auf Dauer doch nicht stark genug. „Sie brauchten erneut ein Kunstherz“, so Krabatsch. (ad)
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