Die Einnahme von Antibiotika beeinträchtigt die schützende Schleimschicht im Darm und erhöht deutlich das Risiko, an einer entzündlichen Darmerkrankung zu erkranken.
Eine neue Studie unter Beteiligung von Fachleuten der Umeå University in Schweden hat ergeben, dass eine Behandlung mit Antibiotika die Integrität der Schleimbarriere im Darm beeinträchtigt, was das Eindringen von Bakterien ermöglicht und zu entzündlichen Darmerkrankungen führen kann. Die Studienergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Science Advances“ nachzulesen.
Welche Rolle spielt die Darmschleimhaut?
Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie beispielsweise Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wird die Schleimhautschicht des Darms zerstört. Diese fungiert als wichtige Barriere zwischen der Darmflora und dem Immunsystem, erklären die Forschenden.
Die genauen Ursachen von entzündlichen Darmerkrankungen bleiben trotz zahlreicher Forschungsarbeiten zu diesem Thema bisher allerdings relativ unklar, so die Fachleute weiter.
Einfluss von Antibiotika unklar
Frühere Studienergebnisse hätten jedoch bereits auf einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antibiotika und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von entzündlichen Darmerkrankungen hingewiesen.
In der neuen Studie fanden die Forschenden jetzt heraus, dass die Einnahme von Antibiotika tatsächlich die schützende Schleimschicht schädigt, die das Immunsystem im Darm vom Mikrobiom trennt, allerdings auf eine völlig unerwartete Art und Weise.
Dabei spielt es keine Rolle, ob Antibiotika oral oder per Injektion verabreicht werden. In beiden Fällen zerstören die Antibiotika diese schützende Schleimschicht, was das Eindringen von Bakterien erleichtert und das Risiko einer Darmentzündung erhöht, berichtet Studienautor Dr. Shai Bel.
Schleimsekretion gehemmt
Das Team verwendete Mausmodelle, um die Auswirkungen von Antibiotika auf die Darmschleimhaut und das Risiko entzündlicher Darmerkrankungen zu untersuchen. Dabei kamen verschiedene moderne Techniken wie maschinelles Lernen und die Messung der Schleimsekretion zum Einsatz.
Es zeigte sich, dass die Einnahme von Antibiotika die Sekretion des schützenden Schleims im Darm hemmte. Dies förderte nicht nur das Eindringen von Bakterien, sondern auch die systemische Vermehrung bakterieller Antigene und die Entwicklung von Geschwüren, erläutern die Fachleute.
Zellen der Darmwand beeinträchtigt
Als eine der bemerkenswertesten Erkenntnisse der neuen Studie nennen die Forschenden, dass die Auswirkungen von Antibiotika auf die Schleimbarriere nicht auf Veränderungen des Mikrobioms zurückzuführen sind.
Die Ursache liege vielmehr in der Wirkung der Antibiotika auf die Zellen in der Darmwand, die für die Schleimproduktion verantwortlich sind.
„Diese Erkenntnis erschüttert das Paradigma, dass Antibiotika nur Bakterien und nicht unsere eigenen Zellen schädigen“, erklärt Dr. Bel in einer aktuellen Pressemitteilung.
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Insgesamt zeigen die Ergebnisse nach Ansicht des Teams, wie wichtig es ist, beim Einsatz von Antibiotika nicht nur das Risiko für Antibiotikaresistenzen, sondern auch deren Auswirkungen auf die Darmgesundheit zu berücksichtigen.
In weiteren Studien gelte es nun zu klären, welche Maßnahmen die negativen Auswirkungen von Antibiotika auf Zellen und die Schleimsekretion reduzieren können. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Jasmin Sawaed, Lilach Zelik, Yehonatan Levin, Rachel Feeney, Maria Naama, et al.: Antibiotics damage the colonic mucus barrier in a microbiota-independent manner; in: Science Advances (veröffentlicht 11.09.2024), Science Advances
- Bar-Ilan University: Landmark study reveals how antibiotics contribute to inflammatory bowel disease risk (veröffentlicht 11.09.2024), Bar-Ilan University
Wichtiger Hinweis:
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