Moderater Alkoholkonsum erhöht nicht die Lebenserwartung
Vielfach wurde in der Vergangenheit über mögliche positive gesundheitliche Effekte bei moderatem Alkoholkonsum spekuliert. Etliche Menschen sind bis heute davon überzeugt, dass ein Glas Wein am Tag, sie länger und gesünder leben lässt. Die hierzu vorliegenden wissenschaftliche Beweise seien jedoch „bestenfalls wackelig“, berichtet das Fachmagazin „Journal of Studies on Alcohol and Drugs“. In der aktuellen Ausgabe des Journals wird eine umfassende Studie kanadischer Forscher des Zentrums für Suchtforschung an der University of Victoria zu dem Thema vorgestellt.
Die Wissenschaftler des University of Victoria’s Centre for Addictions Research in British Columbia haben in ihrer umfassenden Untersuchung die Ergebnisse von 87 älteren Studien ausgewertet, um der Frage nach möglichen gesundheitlichen Vorteilen des Alkoholkonsums auf die Schliche zu kommen. Ihr Fazit ist jedoch ernüchternd. Ein Großteil der Studie, in denen Vorteile festgestellt wurden, seien fehlerhaft und die Ergebnisse daher nicht verlässlich. Nach Auffassung des Studienautors Tim Stockwell gibt es viele Gründe, um bei Aussagen zu vermeintlichen positiven gesundheitlichen Effekten des moderaten Alkoholkonsums skeptisch zu sein.
Studien mit erheblichen Schwächen
Zahlreiche positive Effekte des moderaten Alkoholkonsums bis hin zu einer deutlichen Verlängerung der Lebenserwartung wurden in den ausgewerteten Studien festgestellt, doch zeigten die Studien bei genauerer Betrachtung erhebliche Schwächen. Viele waren fehlerhaft und im Studiendesign so angelegt, dass Vorteile an Stellen festgestellt wurden, wo tatsächlich keine Vorteile zu finden sind, berichten die Forscher.
Entscheidend ist zum Beispiel bei den Untersuchungen die Frage, wie die „Abstinenzler“ definiert wurden, mit denen anschließend die Gruppe der moderaten Alkoholkonsumenten verglichen wurde, erklärt Tim Stockwell, Direktor des Zentrums für Suchtforschung in British Columbia. So seien meistens moderate Trinker (maximal zwei Drinks pro Tag) mit „aktuellen“ Abstinenzler verglichen worden, wobei die Gruppe der Abstinenzler jedoch Menschen in einem besonders schlechten Gesundheitszustand umfassen konnte, für die Alkoholkonsum aus diesem Grunde ausgeschlossen war.
Kein Kausalzusammenhang gegeben
Wurde die Gruppe der Abstinenzler um besonders stark gesundheitlich vorbelastete Personen bereinigt, zeigten sich in den beanstandeten Studien keine Vorteile des moderaten Alkoholkonsums gegenüber der Abstinenz, berichten Stockwell und Kollegen. Lediglich 13 der 87 Studien hatten in ihrem Design eine überproportionale negative Vorbelastung der Abstinenzler ausgeschlossen und in diesen Studien wurden keine gesundheitlichen Vorteile des Alkoholkonsums festgestellt, schreiben die Forscher. Nach Bereinigung der verwendeten Daten habe sich zudem gezeigt, dass Menschen, die weniger als einen Drink in der Woche zu sich nahmen, die höchste Lebenserwartung hatten. Angesichts der extrem geringen Alkoholaufnahme und dem unregelmäßigem Konsum sei hier jedoch kein Kausalzusammenhang anzunehmen.
Unplausible Vorteile bei moderatem Alkoholkonum beschrieben
In den vorliegenden Studien habe sich bei maßvollem Alkoholkonsum ein unplausibel breites Spektrum von gesundheitlichen Vorteilen ergeben, betont Studienautor Stockwell. So hätten moderate Alkoholkonsumenten im Vergleich zu Abstinenzlern zum Beispiel ein geringeres Risiko von Taubheit oder gar Leberzirrhose gezeigt.
„Entweder ist Alkohol ein Allheilmittel … oder moderater Alkoholkonsum ist in Wirklichkeit ein Hinweis auf andere Faktoren“, so Stockwell. In Bezug auf die unterschiedlichen Arten von alkoholischen Getränken haben sich laut Angaben der Forscher zudem keine Effekte auf die Lebensdauer ergeben. „Aber selbst wenn das der Fall wäre, bleibt es unwahrscheinlich, dass der Alkoholgehalt selbst die Ursache ist“, erläutert Stockwell. (fp)
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