Breiteres Becken soll die Geburt erleichtern
Frauen haben von Natur aus ein etwas breiteres Becken als Männer, damit bei der Geburt genug Platz für den Kopf des Babys vorhanden ist. Wie eine Schweizer Studie nun gezeigt hat, wird das Becken dabei offenbar besonders breit, wenn die Frau ihr fruchtbarstes Alter erreicht. Wie die Wissenschaftler der Universität Zürich aktuell im Fachmagazin “Proceedings of the National Academy of Sciences” berichten, nimmt die Breite des weiblichen Beckengürtels ab Beginn der Pubertät deutlich zu, wird dann aber ab etwa 40 Jahren wieder schmaler. Diese „Neuprogrammierung“ stehe demnach vermutlich in direktem Zusammenhang mit den Änderungen im weiblichen Hormonhaushalt.
Verbreiterung beginnt mit Einsetzen der Pubertät
Ist eine Frau in der Körpermitte relativ breit gebaut, wird dies umgangssprachlich oft als „gebärfreudiges Becken“ bezeichnet. Nicht ohne Grund, denn das weibliche Becken weitet sich im Laufe der gebärfähigen Zeit, um den Körper auf eine bevorstehende Geburt vorzubereiten. Ein breites Becken erleichtert den Austritt des Kindes, während ein sehr enger Beckenausgang unter der Geburt Komplikationen verursachen kann. Nun berichten Forscher um Marcia Ponce de León von der Universität Zürich in den “Proceedings“, wie diese Veränderungen in der weiblichen Anatomie genau vor sich gehen. Demnach beginne die Verbreiterung ab Beginn der Pubertät, bis der weibliche Beckengürtel zur fruchtbarsten Zeit seine maximale Breite erreicht. Im weiteren Verlauf des Lebens werde das Becken dann wieder schmaler.
„Ab dem Alter von etwa zehn Jahren ändert sich die Entwicklung bei Frauen substanziell, während die männliche Entwicklung ihren früheren Verlauf fortsetzt”, schreiben die Experten in ihrem Artikel. „Um das Alter von 40 bis 45 Jahren ändert sich die weibliche Entwicklung erneut, in eine Richtung, die der männlichen Entwicklung weitgehend entspricht“, so die Wissenschaftler weiter.
Im Kindesalter nur geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Die Wissenschaftler hatten für ihr Projekt insgesamt 275 gesunde Personen mittels Computertomographie (CT) untersucht, um die Entwicklung des Beckens im Laufe der Zeit nachvollziehen zu können. Es zeigte sich, dass zwischen den Geschlechtern zwar von vornherein geringe Unterschiede in diesem Bereich bestehen – doch richtig deutlich wurden diese erst mit Beginn der Pubertät. Denn im Alter zwischen 15 bis 25 Jahren würde sich demnach bei Frauen z.B. die Lage der Sitzbein-Schambein-Region verändern, wodurch der Beckenausgang sowie die Abstände zwischen den Hüftpfannen breiter werden. „Insgesamt münden diese Entwicklungsveränderungen in einen breiten, für die Geburt günstigen Geburtskanal”, so das Team weiter. Diese Veränderungen würden ihren Höhepunkt im Alter von 25 bis 30 Jahren nehmen, wobei es den Forschern nach unerheblich sei, ob die Frau ein Kind geboren hat oder nicht.
Zusammenspiel von Genen und Hormonen
Dieser besondere Aufbau des weiblichen Beckens sei vermutlich auf ein komplexes Zusammenspiel von Hormonen wie z.B. Östrogen und bestimmten Genen zurückzuführen und bliebe bis zur Menopause erhalten. „Der weibliche Organismus kann offensichtlich das Becken ‹auf Abruf› verbreitern und ist nicht einfach einem genetisch festgelegten Entwicklungsprogramm ausgeliefert“, wird Ponce de León in einer Mitteilung der Uni Zürich zitiert. Gleichzeitig würden die Hormone auch stark von der Ernährung und durch Umweltfaktoren beeinflusst. „Geburtsschwierigkeiten sind demnach weniger ein evolutionäres Problem. Vielmehr scheint es eine Frage der Balance zwischen den Hormonen und äusseren Faktoren zu sein, welche die Größe des Geburtskanals und die vorgeburtliche Entwicklung des Kindes beeinflussen.“
Doch warum reduziert sich die Breite des Beckens nach dem gebärfähigen Alter der Frau wieder? Dies stehe den Forschern nach vermutlich im Zusammenhang mit dem aufrechten Gang. Denn ein engeres Becken wirke sich stabilisierend auf den Beckenboden aus und helfe dadurch, den hohen Druck abzufangen, welcher durch das Gehen im Unterleib entsteht. „Während des Lebens einer Frau wird das Dilemma zuerst in eine Richtung entschärft, indem der Geburtskanal während der fruchtbarsten Phase breiter wird, und dann in die andere, indem die Maße nach der Menopause enger werden“, resümieren die Wissenschaftler in ihrem Artikel. (nr)
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