BGH: Alkoholsucht allein noch kein Grund für Psychiatrie
(jur). Alkoholkranke dürfen nicht allein wegen ihrer Alkoholsucht gegen ihren Willen in die geschlossene Psychiatrie untergebracht werden. Eine zwangsweise, von ihrem Betreuer beantragte Unterbringung ist nur dann zulässig, wenn der Alkoholismus „im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen, insbesondere einer psychischen Erkrankung steht“ oder die Sucht ein entsprechendes Ausmaß erreicht hat, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 13. April 2016 (Az.: XII ZB 95/16).
Damit hob der BGH eine Entscheidung des Landgerichts Itzehoe auf, einen 51-jährigen Alkoholkranken gegen dessen Willen in die geschlossene Psychiatrie unterzubringen. Der unter einer Betreuung stehende Mann ist seit vielen Jahren alkoholkrank.
Es kam zu wiederholten Delirien und Stürzen, bei denen er sich verletzte. Auch mehrere Aufenthalte in betreuten Wohngruppen und Kliniken konnten häufige Krampfanfälle und zwei Suizidversuche nicht verhindern. Der Betreuer des Mannes beantragte schließlich die geschlossene Unterbringung.
Ein psychiatrischer Gutachter stellte zwar fest, dass der Kranke tatsächlich die „Struktur einer geschlossenen Unterbringung“ benötige. Allerdings sei er noch eingeschränkt zur Bildung eines freien Willens fähig. Gegen seinen Willen sei eine Unterbringung daher nicht möglich.
Nach Einholung eines Zweitgutachtens genehmigte das Landgericht eine einjährige Unterbringung. Es lägen „hirnorganische Wesensveränderungen sowie Folgeschäden wie eine Leberzirrhose vor. Der Alkoholismus habe das Ausmaß eines „geistigen Gebrechens“ erreicht, so dass eine zwangsweise Unterbringung zulässig sei. Es drohe krankheitsbedingt die Gefahr einer Selbstschädigung. Den Suchtdruck leugne der 51-Jährige völlig.
Der BGH hob dieses Urteil nun auf und verwies das Verfahren zur weiteren Prüfung an das Landgericht zurück. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei die geschlossene Unterbringung nur zulässig, wenn dies dem Wohl des Betreuten dient und wegen einer psychischen Krankheit oder seelischen oder geistigen Behinderung die Gefahr einer Selbstschädigung besteht. Der Betreute dürfe aber nicht gegen seinen freien Willen untergebracht werden.
Alkoholismus sei für sich genommen keine psychische Krankheit oder eine geistige oder seelische Behinderung. Auch die bloße Rückfallgefahr begründe keine vom Betreuer zwangsweise beantragte Unterbringung. Hier sei nicht ausreichend geprüft worden, inwieweit der 51-Jährige noch einen freien Willen bilden könne. Bestehe ein freier Wille, stehe es ihm auch frei, „Hilfe zurückzuweisen“, betonten die Karlsruher Richter.
Hier sei das Zweitgutachten fehlerhaft und nicht neutral gewesen, da es zum freien Willen keine ausreichenden Feststellungen erhob. Dies müsse das Landgericht nun nachholen. (fle/mwo)
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