Eine gesunde Darmflora leistet einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor Infektionen, Allergien und anderen Krankheiten. Wenn sie aber, zum Beispiel durch Antibiotika, zerstört wird, leidet auch das Gedächtnis darunter. Das haben deutsche Forscher nun herausgefunden.
Gesunde Darmflora kann das Gehirn schützen
Dass eine intakte Darmflora einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor Infektionen, Allergien und anderen Krankheiten leistet, ist lange bekannt. Sie kann aber womöglich auch das Gehirn gesund halten, wie deutsche Forscher im vergangenen Sommer in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“ berichteten. Die Bakterienzusammensetzung im menschlichen Darm hat demnach Einfluss auf Immunzellen im Gehirn. Nun haben Wissenschaftler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) berichtet, dass eine spezielle Sorte Immunzellen zwischen Darmflora und Hirn vermittelt. „Die Erkenntnisse haben Bedeutung für die Folgen der Langzeitanwendung von Antibiotika, könnten aber auch dabei helfen, die Symptome von psychiatrischen Leiden zu lindern“, schreibt das MDC in einer Pressemitteilung.
Darm und Hirn „reden“ miteinander
Wie es in der Mitteilung heißt, „reden“ Darm und Hirn miteinander. Und zwar über Hormone, Stoffwechselprodukte oder direkte Nervenverbindungen. Ein weiteres Bindeglied ist eine bestimmte Population von Immunzellen aus der Gruppe der Monozyten, wie Dr. Susanne Wolf aus der MDC-Forschungsgruppe um Prof. Helmut Kettenmann zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Magdeburg, der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) herausgefunden hat. Die Experten veröffentlichten ihre Ergebnisse nun im Fachjournal „Cell Reports“.
Mikrobiom mit Antibiotika ausgeschaltet
Um zu ihren Erkenntnissen zu gelangen, schalteten die Forscher in Mäusen das Mikrobiom, also die Bakterien der Darmflora, mit einem Antibiotika-Cocktail aus. Als sie die Nager mit unbehandelten Tieren verglichen, beobachteten sie deutlich weniger neu gebildete Nervenzellen in der Hippocampus-Region des Gehirns. Den Forschern zufolge verschlechterte sich auch das Gedächtnis der Mäuse, denn diese Bildung neuer Hirnzellen – „Neurogenese“ genannt – ist wichtig für bestimmte Gedächtnisleistungen. Bei ausgeschaltetem Mikrobiom ging zusammen mit der Neurogenese auch die Zahl einer bestimmten Immunzellen-Population im Gehirn deutlich zurück, die der Ly6Chi-Monozyten.
Versuchstiere mit unterschiedlichen Strategien kuriert
Als Wolf und ihr Team nur diese Zellen aus den Mäusen entfernten, verringerte sich die Neurogenese. Verabreichten sie den mit Antibiotika behandelten Tieren Ly6Chi-Monozyten, nahm die Neurogenese wieder zu. Ihren eigenen Angaben zufolge kurierten die Wissenschaftler die Antibiotika-behandelten Tiere mit zwei unterschiedlichen Strategien. Nahmen die Mäuse eine Mixtur aus ausgewählten Bakterienstämmen ein oder absolvierten sie ein freiwilliges Training im Mäuse-Laufrad, wurden die negativen Wirkungen der Antibiotika rückgängig gemacht. Die Monozytenzahl erholte sich ebenso wie die Gedächtnisleistung und Neurogenese. Eine Wiederherstellung der Darmflora mit dem Mikrobiom unbehandelter Tiere war laut den Experten nicht erfolgreich.
Folgen für die Behandlung psychiatrisch erkrankter Personen
Laut Wolf ist die bisher unbekannte Vermittlerfunktion der Immunzellen wissenschaftlich besonders interessant. „Mit den Ly6Chi-Monozyten haben wir vielleicht einen neuen generellen Kommunikationsweg von der Peripherie ins Hirn entdeckt.“ Auf den Menschen übertragen bedeuten die Ergebnisse nicht etwa, dass alle Antibiotika die Gehirnfunktion stören, denn die verwendete Kombination von Medikamenten war extrem stark. „Möglicherweise sind aber ähnliche Effekte bei Therapien mit Antibiotika über einen langen Zeitraum zu erwarten“, so Wolf. Die Antibiotika wirken auch ohne Umwege über die Darmflora auf die Neurogenese, wie weitere Ergebnisse des Forscherteams zeigen. Des Weiteren hat die neue Arbeit auch Folgen für die Behandlung psychiatrisch erkrankter Personen, etwa Schizophrenie- oder Depressions-Patienten mit beeinträchtigter Neurogenese, erklärte Susanne Wolf: „Möglicherweise können diesen Patienten ergänzend zu Medikamenten und Sport auch probiotische Präparate helfen. Um das zu prüfen, würden wir gern zusammen mit der Charité klinische Pilotstudien durchführen.“ (ad)
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