Insekten könnten die Welternährung revolutionieren
Je größer die Weltbevölkerung wird, desto schwieriger ist es, alle Menschen mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Hinzu kommen Veränderungen im Zuge des Klimawandels, welche die Ertragslage in der Landwirtschaft zusätzlich bedrohen. Einen Ausweg könnte die Umstellung auf Insekten als Futter- und Lebensmittel bieten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veranstaltet nun ein wissenschaftliches Symposium, auf dem die Vorteile aber auch mögliche gesundheitliche Risiken der Insekten-Nahrung erörtert werden.
Insekten gelten dem BfR zufolge „als ernährungsphysiologisch günstige Nahrungsquelle“, denn viele Insekten seien reich an hochwertigen Proteinen und ihr Energiewert sei vergleichbar mit dem von Fleisch. Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge werden weltweit mehr als 1.900 Insektenspezies verzehrt, berichtet das BfR. Allerdings sei der Verzehr von Insekten und die Verwendung von Insekten als Futtermittel für Nutztiere in Europa bisher nicht üblich. Hier könne jedoch ein wachsendes öffentliches Interesse an den Insekten-Nahrungsmitteln festgestellt werden.
Insekten eine wertvolle Nahrungsquelle
Nach Auffassung des BfR ist es wichtig, zunächst mögliche gesundheitliche Risiken durch Insekten als Lebens- und Futtermittel besser zu erforschen. Das BfR-Symposium „Insekten als Lebens- und Futtermittel – Nahrung der Zukunft?“.soll hier einen Beitrag leisten. Angesichts ihres durchschnittlichen Proteingehalte zwischen 35 und 77 Prozent gelten Insekten grundsätzlich jedoch als durchaus wertvolle Nahrungsquelle und sie werden zum Beispiel auch als Alternative zu importierten Proteinfuttermitteln, wie beispielsweise Soja, diskutiert, berichtet das BfR. Der durchschnittliche Fettgehalt essbarer Insekten liege bei 13 bis 33 Prozent, ihr Energiewert sei vergleichbar mit Fleisch und zudem würden Insekten viele Ballaststoffe sowie – je nach Spezies – eine Vielzahl von Mikronährstoffen und Vitaminen enthalten.
Zukunft der Welternährung
Essbare Insekten gelten laut Angaben des BfR „als ökologisch und ethisch sinnvolle Alternative zu Fleisch.“ Bei der Produktion von Insekten als Eiweißlieferanten werde die Ökobilanz als günstig angesehen, weil sie als wechselwarme Tiere weniger Energie als klassische Nutztiere benötigen. Auch werde ihre Futterverwertungseffizienz dadurch als höher und die CO2-Bilanz als günstiger eingeschätzt als bei der Fleischerzeugung mit warmblütigen Nutztieren wie Rind, Schwein oder Geflügel, so die Mitteilung des BfR. Zudem seien die Haltung und der Verzehr von Insekten auch unter dem Aspekt des Tierschutzes als unproblematischer einzuschätzen. Den Insekten werde daher insbesondere für die Zukunft der Welternährung eine entscheidende Rolle beigemessen.
Bewertung gesundheitlicher Risiken erforderlich
„Insekten als Nahrungsquelle stoßen zunehmend auf öffentliches Interesse“, betont Professor Dr. Reiner Wittkowski, Vizepräsident des BfR. Umso wichtiger sei es zu klären, wie sicher diese neuen Lebensmittel sind. Untersuchungen zur toxikologischen und mikrobiologischen Sicherheit von Insekten liegen laut Aussage von Prof. Wittkowski bislang allerdings kaum vor. Bei der Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken seien auch die toxikologischen Eigenschaften der Inhaltsstoffe, Kontaminanten und Rückstände in aus Insekten hergestellten Lebens- und Futtermitteln zu berücksichtigen, berichtet das BfR. Darüber hinaus müsse das mögliche allergene Potential von Lebensmitteln aus essbaren Insekten abgeklärt werden. Weitere wichtige Aspekte seien die mikrobiologischen Risiken und Fragen der Hygiene bei der Auswahl, Haltung und Zucht von Insekten.
Insekten als Futtermittel weithin akzeptiert
In der Öffentlichkeit werden Insekten laut Angaben des BfR immer wieder als zukunftsweisende, nachhaltige Nahrungsquelle diskutiert, weil „im Vergleich zu Fleisch die ökologischen, ökonomischen, physiologischen und ethischen Vorteile überwiegen sollen.“ Eine aktuellen repräsentativen Umfrage des BfR, deren Ergebnisse auf dem Symposium vorgestellt werden sollen, habe ergeben, dass die meisten Deutschen keine gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten erwarten, sich aber mehr Informationen dazu wünschen, bevor sie Insekten verzehren würden. Die Mehrheit der Deutschen akzeptiere den Umfrageergebnissen zufolge Insekten als Futtermittel. Die Akzeptanz als Lebensmittel falle hingegen gespalten aus. Hier werde zwar der hohe Eiweißgehalt als Vorteil bewertet, doch die individuelle Ekelbarriere bilde einen häufig genannten Nachteil. Gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Insekten werden von einem Großteil der Befragten nicht erwartet, sie würden Insekten aber dennoch nicht essen.
Positive Berichterstattung über Insekten-Nahrungsmittel
Eine erhöhte Akzeptanz könnten Insekten als Lebensmittel erfahren, wenn sie durch Verarbeitung unkenntlich gemacht werden und mehr Informationen – insbesondere zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit – vorlägen, berichtet das BfR weiter von den Umfrageergebnissen. Die höchste Akzeptanz für Insekten als Lebensmittel sei bei gebildeten, urbanen Männern im Alter zwischen 18 und 30 Jahren festzustellen. Zu den Medienberichten über Insekten als Lebens- und Futtermittel erklärt das BfR, dass diese in den vergangenen zwei Jahren zum überwiegenden Teil positiv ausgefallen seien. Im Vordergrund hätten Vorteile wie der hohe Eiweißgehalt und die Bedeutung für die Welternährung gestanden. Gesundheitliche Risiken seien bisher kaum Thema in den Medien.
Erheblicher Forschungsbedarf
Derzeit werden Insekten in der EU lebensmittelrechtlich als neuartige Lebensmittel bewertet, erläutert das BfR. Die Mehrheit der weltweit verzehrten Insekten stamme heute noch direkt aus der der Natur, doch zur Nutzung von Insekten als Lebens- oder Futtermittel werde künftig eine industrielle Zucht unter kontrollierten Bedingungen angestrebt. Hier bestehe erheblicher Forschungsbedarf, sowohl in Bezug auf die technologischen Aufbereitungs- und Verarbeitungsschritte als auch auf die toxikologische und mikrobielle Sicherheit, so die Pressemitteilung des BfR. (fp)
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