OLG Hamm: Azubi erhält 80.000 Euro für drohende Erblindung
(jur). Vertrödelt eine Augenärztin bei einem Patienten trotz fortschreitender Verschlechterung der Sehleistung eine Augeninnendruckmessung, kann dies teuer werden. Denn wurde damit ein sogenannter Grüner Star mit einer drohenden Erblindung viel zu spät erkannt, liegt ein grober Befunderhebungsfehler vor, für den Schmerzensgeld fällig wird, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem am Dienstag, 31. Mai 2016, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 26 U 107/15). Es sprach damit einer heute 19-jährigen Auszubildenden 80.000 Euro Schmerzensgeld zu.
Die junge Frau leidet seit ihrem zehnten Lebensjahr an Diabetes und hat damit ein höheres Risiko für Sehschäden. Als die Frau nach den Sommerferien 2008 ihre Augenärztin mehrfach wegen fortschreitender Verschlechterung ihrer Sehleistung aufsuchte, wurde der eigentliche Grund nicht erkannt. Selbst bis zur letzten Behandlung im Februar 2009 nahm die Augenärztin nicht die erforderliche Augeninnendruckuntersuchung vor.
Erst im März 2009 wurde bei der Patientin bei einer notfallmäßigen Aufnahme in der städtischen Klinik in Bielefeld ein Grüner Star festgestellt. Dabei wird wegen eines erhöhten Augennnendrucks der Sehnerv irreparabel geschädigt. Infolge der Erkrankung verschlechterte sich die Sehfähigkeit der Frau an beiden Augen von 60 auf nur noch 30 Prozent. Mit hoher Wahrscheinlichkeit muss die Frau mit einer vorzeitigen Erblindung rechnen.
Von ihrer Augenärztin verlangte sie daher ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000 Euro. Es stelle einen groben Befunderhebungsfehler dar, dass bei ihr keine Augeninnendruckmessung und keine Gesichtsfeldmessung durchgeführt wurden, so die Klägerin. Bei einer früheren Diagnose hätte der Augeninnendruck medikamentös gesenkt werden können. Die Verschlechterung der Sehfähigkeit wäre möglicherweise erheblich geringer ausgefallen.
Während das Landgericht Bielefeld der Klägerin ein Teilschmerzensgeld in Höhe von nur 25.000 Euro zusprach, erhöhte das OLG die Zahlung nun auf insgesamt 80.000 Euro. Die Augenärztin habe grob fehlerhaft die notwendige Augeninnendruckmessung unterlassen. Wegen der verspäteten Behandlung ihres Grünen Stars sei der noch jungen Klägerin die Möglichkeit genommen worden, „ein adäquates Leben zu führen“, heißt es weiter in dem Urteil vom 10. Mai 2016.
Sie sei nicht nur bei sportlichen Aktivitäten eingeschränkt, sie könne auch kein Auto fahren. Zudem könne sie nur Berufe entsprechend ihrer eingeschränkten Sehfähigkeit ergreifen. Schließlich müsse sie mit der Gewissheit leben, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lebzeiten ganz erblinden werde. Dies alles rechtfertigte die hohe Schmerzensgeldzahlung, erklärte das OLG zur Begründung. fle/mwo
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.