Schulden und Krankheit bedingen sich gegenseitig
Gesundheitliche Probleme stellen eine der Hauptursachen für Überschuldung dar. Jeder siebte Klient einer Schuldnerberatungsstelle in Schleswig-Holstein gab im vergangenen Jahr an, vor allem durch Krankheit, Sucht oder die Folgen eines Unfalls in die Schuldenfalle geraten zu sein. Zugleich führt Überschuldung häufig zu psychischen und physischen Problemen und macht krank. Der Zusammenhang zwischen Schulden und Gesundheit wurde nun auf einem Fachtag der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Kiel beleuchtet.
Mehr Menschen verschulden sich durch Krankheit
Immer mehr Menschen verschulden sich aufgrund von gesundheitlichen Problemen, Sucht oder infolge eines Unfalls. 14,3 Prozent der Klienten von Schuldnerberatungsstellen in Schleswig-Holstein gaben diese Punkte 2015 als Hauptauslöser für ihre Überschuldung an – 2014 waren es noch 13,7 Prozent. Gleichzeitig werden immer mehr Menschen durch Schulden krank, denn diese haben gravierende Auswirkungen auf die psychische und physische Befindlichkeit. Diese Zusammenhänge wurden nun auf einem Fachtag der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung Schleswig-Holstein in Kiel verdeutlicht, welcher im Rahmen der bundesweiten „Aktionswoche Schuldnerberatung 2016“ (6.-10. Juni) stattfand. Experten aus Deutschland und Österreich informierten dabei über den aktuellen Forschungsstand und zeigten anhand von Projekten Lösungswege auf.
Schulden führen oft in die soziale Isolation
Krankheit stellt demnach besonders oft bei arbeitslosen Klienten (18,2 %) die Hauptursache für die Überschuldung dar, bei Erwerbstätigen liegt der Anteil bei 7,4 Prozent. Laut einem Bericht der Diakonie Schleswig-Holstein gehe die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung hier jedoch von einer weit höheren Dunkelziffer aus, da vermutlich nur ein Teil der überschuldeten Menschen überhaupt Kontakt mit einer Beratungsstelle aufnehme.
Zugleich steigt der Anteil der Menschen, die durch ihre Schulden gesundheitliche Probleme bekommen. „Überschuldung ist mehr als nur ein materielles Problem. Sie hat gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen und ihre Familien. Die Bedrohung der existentiellen Grundlage führt in die soziale Isolation und belastet erheblich die physische und psychische Gesundheit“, wird die Leiterin der Koordinierungsstelle, Alis Rohlf, in dem Text zitiert.
Reform des deutschen Sozialsystems trägt Mitschuld
Aus Sicht des Sozialforschers Gerhard Trabert würden auch die zahlreichen sozialen Einschnitte der vergangenen 15 Jahre („Agenda 2010“) eine Mitverantwortung für die derzeitige Entwicklung tragen. Denn durch die deutlich stärkere Eigenbeteiligung im Gesundheitssystem würden vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen entweder Schulden anhäufen oder gar nicht mehr zum Arzt gehen. „In der Folge verschlimmern sich die Krankheiten oder werden chronisch. Außerdem steigt die Sterberate unter den Betroffenen“, so der Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der RheinMain Hochschule in Wiesbaden laut der Mitteilung. „Mittlerweile haben viele Patienten, die unter einer Krebserkrankung leiden, mehr Angst vor einem sozialen Abstieg als vor den direkten Auswirkungen der Krankheit“, erläutert der Experte weiter. (nr)
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