Depressiv oder nur verstimmt? Zehn wichtige Fragen zum Thema Schwermut
Experten schätzen, dass in Deutschland ca. vier Millionen Menschen depressiv sind. Doch woran erkenne ich eigentlich, ob ich nur verstimmt bin oder schon unter „Schwermut“ leide? Und was bringen mediterrane Kost, Schlafentzug, Lichtduschen oder Magnetstimulation im Falle einer Erkrankung? Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema von Dr. Friedrich Straub, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein.
Depressionen sind eine Volkskrankheit: 20 Prozent von uns erkranken einmal im Leben daran. Hoffnungslosigkeit, Trauer und Verzweiflung machen sich breit. Dabei sind seelische Tiefs grundsätzlich ein natürlicher Teil unseres Lebens – ebenso natürlich wie auch Stimmungshochs. „Werden wir von engen Freunden zurückgewiesen, erleiden wir berufliche Misserfolge oder trennen wir uns vom Lebenspartner, so kann die Psyche aus dem Gleichgewicht geraten. Wir fühlen uns mies und niedergeschlagen“, erläutert Dr. Friedrich Straub, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein.
Doch was unterscheidet Verstimmungen von Depressionen?
„Eine Depression ist weitaus mehr als nur ein Stimmungstief“, erläutert der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Trübsinn, Antriebslosigkeit und Verzweiflung bestimmen den Alltag – und das über eine lange Zeit: Im Gegensatz zu Verstimmungen, unter denen viele Menschen insbesondere in Trauerphasen oder in der trüben Jahreszeit leiden, können Depressionen (lat. deprimere = niederdrücken) Monate und Jahre andauern. Dazu kommen häufig weitere Beschwerden wie Ängste, Magen- oder Darmprobleme, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. „Die Bewältigung des (Berufs-)Alltags wird für die Betroffenen immer mehr zum Problem. Aus eigener Kraft schaffen sie es kaum, das Tief zu überwinden“, so Dr. Straub. Ein weiteres typisches Anzeichen für eine Depression ist plötzlich eintretende Interessenlosigkeit. „Ob Job, Hobbys oder Freunde – alles verliert an Bedeutung“, berichtet der Experte. Die Betroffenen können sich kaum noch für etwas begeistern. Empathie, Freude und Konzentrationsfähigkeit nehmen merklich ab.
Wie kommt es zu einer Depression?
Medizinische Ursache sind Störungen des Hirnstoffwechsels. Auslöser können beispielsweise Schlaf- und Lichtmangel, Stress, Einsamkeit oder Trauer sein. Aber auch die genetische Veranlagung ist von Bedeutung. In der Regel spielen verschiedene biologische, soziale und psychologische Momente eine Rolle. Hinter einer Verstimmtheit können sich auch Angststörungen oder Psychosen verbergen. Nicht selten stecken dahinter aber auch Diabetes, Demenzerkrankungen, Medikamente oder Schilddrüsenprobleme. Deshalb ist ärztliche Klärung erforderlich und stets der erste wichtige Schritt zur effizienten Behandlung.
Was hilft bei depressiven Verstimmungen?
„Menschen mit Depressionen ziehen sich in der Regel von anderen Menschen stark zurück“, weiß Dr. Straub aus seiner täglichen Praxis. „Sie meiden Treffen mit Freunden und Familien-Feiern, aber genau das ist natürlich nicht gut“, warnt der Facharzt. Auch wenn es sehr schwer fällt, ist es äußerst wichtig, soziale Kontakte zu pflegen: also rauszugehen unter Leute und am Leben teilzuhaben. Bei leichteren Verstimmungen können auch Sport und Entspannung sowie pflanzliche Wirkstoffe wie Johanniskraut hilfreich sein.
Wann sollte ich zum Arzt oder in eine Klinik gehen?
Leide ich länger als 14 Tage unter depressiven Verstimmungen, so sollte der Hausarzt konsultiert werden. Er kann beurteilen, ob weitere Fachärzte aufgesucht werden sollten oder ob psychologische Hilfe angebracht ist. Dabei gilt: Je frühzeitiger die Behandlung beginnt, desto kürzer und leichter ist sie in der Regel. Bei schweren Depressionen ist gegebenenfalls der Aufenthalt in einer Fachklinik empfehlenswert. Auf Basis einer ausführlichen Anamnese und Diagnostik wird hier für jeden Patienten ein individueller Behandlungsplan erstellt, der Persönlichkeit und Beschwerden jedes Einzelnen individuell berücksichtigen sollte.
Reduziert gesunde Kost das Depressionsrisiko?
Studien weisen darauf hin, dass mediterrane Ernährung nicht nur Herz und Kreislauf gut tut, sondern eventuell auch dabei helfen kann, Depressionen entgegenzuwirken. Heilen lässt sich Schwermut jedoch nicht durch Mittelmeer-Schonkost mit viel Omega-3-Fettsäuren. Sicher ist hingegen, dass beispielsweise Schokolade durch Erhöhung des Serotoninspiegels im Gehirn die Stimmung kurzfristig heben kann.
Mit Schlafentzug aus dem Seelentief?
Viele Therapeuten empfehlen bei schweren Depressionen eine Wachtherapie. Der kontrollierte Schlafentzug führt zu einer Veränderung der Botenstoffe im Gehirn und damit bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einer Verbesserung der Stimmungslage. Doch Schlafentzug ist alles andere als eine Dauerlösung: Oft folgt bereits nach der nächsten durchgeschlafenen Nacht eine weitere Phase tiefer Schwermut. Dennoch bleibt die positive Erfahrung, dass selbst bei starker Depression eine Besserung möglich ist und damit Grund zur Hoffnung besteht.
In welchen Fällen hilft die Magnetstimulation?
Studien haben gezeigt, dass die Magnetstimulation eine sichere, schonende und verträgliche Behandlungsmethode bei schweren Depressionen sein kann. „Insbesondere für Patienten, bei denen Psychopharmaka und Psychotherapien nichts bewirken, stellt diese Behandlungsmethode eine Alternative dar“, so Dr. Straub. Durch die Magnetstimulation werden in bestimmten Gehirnarealen Nervenzellen aktiviert. Es kommt zu einer erhöhten Ausschüttung an Hirnbotenstoffen (Neurotransmitter) und in Folge davon zu einer antidepressiven Wirkung. Als mögliche „Nebenwirkungen“ können bei manchen Patienten Kopfschmerzen und Schwindel auftreten. In der Regel sind mindestens zehn Behandlungen erforderlich. Diese werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt.
Wie funktioniert die Lichttherapie?
Bekanntlich drückt die dunkle Jahreszeit bei vielen Menschen aufs Gemüt. Vor allem bei leichten bis mittelschweren Winterdepressionen empfehlen viele Ärzte deshalb eine Lichttherapie zur Stimmungsaufhellung. Die Patienten sitzen dabei täglich eine halbe Stunde entspannt vor einer Leuchte mit bis zu 10.000 Lux. Das Kunstlicht (ohne schädlichen UV-Anteil) fördert die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin. Die Mehrzahl der Patienten verspürt nach zwei- bis dreiwöchiger Behandlung mit der „Lichtdusche“ eine Besserung der Beschwerden.
Sind Depressionen heilbar?
Während bei leichteren Depressionen meist eine Psychotherapie ausreicht, kommen bei schweren Formen üblicherweise Psychopharmaka (Antidepressiva) hinzu. Die stimmungsaufhellenden Medikamente helfen dabei, den Stoffwechsel im Gehirn wieder ins Lot zubringen. Doch Menschen, die depressiv sind, neigen immer wieder zu Rückfällen. Häufig erleiden sie mehrmals im Leben depressive Phasen. Vorbeugende Maßnahmen gibt es nicht. Viel Bewegung an der frischen Luft ist jedoch wohltuend für Psyche und Stimmungslage – also möglichst oft Radfahren, Laufen oder Spazieren gehen.
Was können Angehörige tun?
Angehörige können Betroffenen helfen, indem sie diese eventuell zum Arzt begleiten und bei der Behandlung unterstützen. Oft hilft es auch einfach zu signalisieren, dass man jederzeit für den Erkrankten da ist und man sich gemeinsam den Herausforderungen stellt. Statt Vorwürfen sind Geduld und Verständnis erforderlich, um die Behandlung konstruktiv zu unterstützen. Ohne professionelle therapeutische Begleitung geht es aber trotz aller gut gemeinten Hilfe nicht. (pm)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.