Extrakt aus Veilchen wirkt gegen Multiple Sklerose
Gegen Multiple Sklerose zeigt ein Pflanzenwirkstoff, der sich zum Beispiel aus Kaffee, Kürbis und vor allem Veilchengewächsen isolieren lässt, eine überraschend deutliche Wirkung. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg haben das sogenannte Zyklotid bereits erfolgreich an Mäusen getestet und eine klinische Studie an Menschen ist derzeit in Vorbereitung.
Multiple Sklerose ist eine relativ weit verbreitete Erkrankung des Nervensystems, die bislang nicht heilbar ist. „Der Schlagersänger Howard Carpendale hat die Krankheit und auch die Rheinland-Pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Rund 130.000 Menschen in Deutschland leiden unter Multipler Sklerose oder kurz MS“, so die Mitteilung des Universitätsklinikums Freiburg. Die chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems werde gekennzeichnet durch eine Zerstörung der Isolierschicht der Nervenzellen.
Krankheit mit vielen Gesichtern
Fälschlicherweise greift ein bestimmter Zelltyp weißer Blutkörperchen, die T-Zellen, bei MS-Patienten die Isolierschicht der Nervenzellen an. Dies kann zu unterschiedlichen Beschwerden führen. Oft mache „sich die Krankheit zu Beginn mit Tast- und Sehstörungen bemerkbar“, erläutert Dr. Carsten Gründemann, leitender Biologe der Arbeitsgruppe Naturheilkunde am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg. Im späteren Krankheitsverlauf seien außerdem vermehrt Gangstörungen aufgrund von Krämpfen oder Kraftlosigkeit festzustellen. „Je nachdem, welcher Bereich des Nervensystems besonders betroffen ist, machen sich unterschiedliche Symptome bemerkbar“, so die Mitteilung des Universitätsklinikums weiter. Hieraus folge auch die Bezeichnung „Krankheit mit vielen Gesichtern“.
Bislang sehr eingeschränkte therapeutische Möglichkeiten
Typisch für den Verlauf von MS ist die schubweise Verschlechterung des Zustandes der Betroffenen. Hier bestehen zwar einige therapeutische Optionen, mit denen der Krankheitsverlauf verzögert und die Beschwerden gelindert werden sollen, doch Aussicht auf Heilung haben die Betroffenen bisher nicht. Die Forscher des Universitätsklinikums Freiburg haben mit ihren aktuellen Untersuchungen jedoch die Hoffnung geweckt, dass sich der Krankheitsverlauf künftig möglicherweise mit Hilfe des Pflanzenwirkstoffs Zyklotid stoppen lässt.
Überschießende Immunreaktionen werden gestoppt
Zyklotid ist ein ringförmig aufgebauter Wirkstoff, der aus Pflanzen wie Kaffee, Kürbis und Veilchengewächsen gewonnen werden kann. „In der traditionellen Medizin werden schon seit jeher entsprechende Pflanzenextrakte bei Gelenkbeschwerden eingesetzt“, berichtet Dr. Gründemann. Allerdings sei lange nicht bekannt gewesen, wie die Extrakte wirken. Erst vor wenigen Jahren hatte Gründemann gemeinsam mit Wissenschaftlern um Dr. Christian Gruber von der MedUni Wien nachgewiesen, dass Zyklotid die Bildung von T-Zellen stoppt und damit überschießende Immunreaktionen aufhält.
Erfolgreiche erste Versuche
In weiteren Untersuchungen testeten die Wissenschaftler den Einfluss des Moleküls auf das Immunsystem. Sie bauten das Molekül im Labor nach und überprüften dessen Wirkung. Dabei stellten die Forscher fest, dass natürliches Zyklotid allein bei lokaler Anwendung zwar wirksam ist, aber für die Therapie von Multipler Sklerose bei Weitem nicht ausreichend stark. „Deshalb haben wir das Molekül im Labor noch etwas verändert und konnten so seine Wirkstärke deutlich steigern“, erläutert Dr. Gründemann. Die Ergebnisse der Versuche an Zellkulturen waren durchaus überzeugend und so untersuchte das Forscherteam des Freiburger Universitätsklinikums gemeinsam mit Kollegen aus Österreich, Australien und Schweden, ob der Wirkstoff auch bei Mäusen mit MS den gewünschten Erfolg bringt.
Klinische Studien an Menschen erforderlich
In den Versuchen an Mäusen haben sich die Symptome schon nach einmaliger Gabe des Wirkstoffs deutlich verbessert, berichtet Dr. Gründemann. Zudem sei die Wirkung auch in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung, wenn erste neurologische Störungen auftraten, feststellbar gewesen. Dies spreche dafür, dass sich möglicherweise die zeitlichen Abstände zwischen den Schüben erheblich vergrößern lassen oder die Erkrankung sogar vollständig gestoppt werden kann. In weiteren Untersuchungen sei nun die Wirkung und Sicherheit von Zyklotid bei Menschen zu überprüfen. Die Freiburger und österreichischen Wissenschaftler haben sich ihre Anwendung bereits gemeinsam patentieren lassen und schon eine Lizenz zur weiteren Entwicklung des Medikaments an die schwedische Firma Cyxone vergeben. „Erste Untersuchungen an Patienten sind in etwa zwei Jahren geplant“; berichtet das Universitätsklinikum Freiburg. (fp)
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