Bundesverfassungsgericht: Prüfung erst im Rentenalter möglich
Befürchten Steuerzahler im Zusammenhang mit ihrer Altersvorsorge eine Doppelbesteuerung, können sie dies erst als Rentner verfassungsrechtlich prüfen lassen. Mit zwei am Mittwoch, 20. Juli 2016, veröffentlichten Beschlüssen wies das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Beschwerden gegen die Besteuerung der Vorsorgeaufwendungen während des aktiven Arbeitslebens ab (Az.: 2 BvR 290/10 und 2 BvR 323/10).
Im ersten Fall klagte ein Arbeitnehmer gegen die Besteuerung seiner Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im zweiten Fall wollte ein freiberuflicher Steuerberater erreichen, dass seine Beiträge zum berufsständischen Versorgungswerk als „vorweggenommene Werbungskosten“ steuerfrei bleiben.
Beide befürchten eine Doppelbesteuerung. Das wäre der Fall, wenn sie jetzt aus versteuerten Einkünften Geld für das Rentenalter ansparen und dies dann später bei der Auszahlung nochmals als Einkommen besteuert würde.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002. Es rügte damals eine Ungleichbehandlung zwischen Beamtenpensionen sowie der gesetzlichen und anderen Rentenzahlungen (Az.: 2 BvL 17/99).
Der Gesetzgeber reagierte darauf mit dem Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004. Dabei wurde die Besteuerung der Beamtenpensionen beibehalten. Bei der gesetzlichen Rente und auch der berufsständischen Versorgung Selbstständiger wird bis 2040 in mehreren Stufen ein Wechsel von der sogenannten vorgelagerten zur nachgelagerten Besteuerung vollzogen. Dies bedeutet, dass ein immer höherer Anteil der Renten „nachgelagert“ bei der Auszahlung besteuert wird, ab 2040 dann voll. Im Gegenzug wird ein steigender Anteil der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder anderen Vorsorgeeinrichtungen vom zu versteuernden Einkommen abgezogen. Die Rentenbeiträge sind in diesem Umfang also nicht mehr aus dem schon versteuerten Einkommen zu zahlen und sind so von der „vorgelagerten“ Besteuerung befreit.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es notwendig und daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die 2004 gerügte Ungleichbehandlung in der Übergansphase fortbesteht (Beschlüsse vom 29. und 30. September 2015, Az.: 2 BvR 1066/10, 2 BvR 1961/10 und 2 BvR 2683/11; JurAgentur-Meldung vom 1. Dezember 2015).
Mit seinen neuen Beschlüssen entschied das Bundesverfassungsgericht, dass in der Übergangsphase auch anderweitige Ungleichbehandlungen hinzunehmen sind, solange es nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt.
Generell lasse sich dies nicht nur durch eine Befreiung der heutigen Vorsorgeaufwendungen erreichen, sondern ebenso durch eine Steuerbefreiung der späteren Rentenbezüge. Vor- und nachgelagerte Besteuerung müssten daher entsprechend aufeinander abgestimmt werden. „Aus dem Verbot doppelter Besteuerung lässt sich (daher) kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit der Beiträge in der Aufbauphase ableiten.“
Zwar sei eine Doppelbesteuerung insbesondere bei Erwerbstätigen denkbar, die 2039 bis 2043 in den Ruhestand gehen. Ob es dazu komme, hänge aber immer vom Einzelfall ab. Daher sei auch erst jeweils im Rentenalter eine verfassungsrechtliche Prüfung möglich.
Weiter bestätigten die Karlsruher Richter die Deckelung des vorgelagerten Steuerabzugs Altersvorsorgeaufwendungen auf jährlich 20.000 Euro beziehungsweise 40.000 Euro für Ehe- und Lebenspartner. Dies habe der Gesetzgeber zulässig mit der Vermeidung von Missbrauch begründet, befand das Bundesverfassungsgericht in seinen jetzt schriftlich veröffentlichten Beschlüssen vom 14. Juni 2016. mwo/fle
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