Anlässlich der kommenden Adventszeit untersuchte das LGL im Oktober und November Adventskalender auf ihre Kontamination mit Mineralölbestandteilen. Und wieder wurden die Tester fündig.
Mineralölbestandteile können über viele verschiedene Wege in Lebensmittel gelangen. Ein relevanter Beitrag entsteht durch die Verwendung von Lebensmittelverpackungen aus Altpapier. Hier werden Mineralöle v. a. durch Tageszeitungen eingetragen, die als Recyclingrohstoff dienen, und bei deren Bedruckung mineralölhaltige Farben verwendet werden. Mineralölbasierte Farben können zudem auch zur Bedruckung von Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton (sowohl aus Altpapier, als auch aus Frischfaser) verwendet werden. Außerdem gibt es einige Mineralöle, die für die unterschiedlichsten Zwecke bei der Papierherstellung zum Einsatz kommen. Im Bereich der Lebensmittelverpackungen spielen auch Jutesäcke für den Transport von z. B.Kakaobohnen eine Rolle, die mit Mineralölen imprägniert sein können. Neben Kontaminationen durch Verpackungen gibt es noch weitere Quellen wie beispielsweise Schmieröle von Maschinen, die zur Ernte und Produktion von Lebensmitteln eingesetzt werden, oder Verarbeitungshilfsmittel bzw. Zusatzstoffe für Lebensmittel auf Mineralölbasis. Schließlich sind Mineralöle auch ubiquitäre Umweltkontaminanten, die z. B. über Abgase, Straßenbeläge oder Reifenabrieb in die Umwelt gelangen.
Die Mineralölgemische bestehen aus linearen, verzweigten und cyclischen gesättigten Kohlenwasserstoffen (MOSH – mineral oil saturated hydrocarbons) sowie (zumeist) alkylierten aromatischen Kohlenwasserstoffen (MOAH – mineral oil aromatic hydrocarbons). Sie können u. a. in der Kohlenstoffzahl variieren, zudem enthalten nicht alle Mineralölprodukte MOAH. Diese Eigenschaften sind auch für die gesundheitliche Relevanz von Bedeutung.
MOSH werden bis zu einer Kohlenstoffzahl von C35 in den Lymphknoten, Leber, Milz und Fettgewebe angereichert, im Tierversuch wurden Schäden an der Leber und den Lymphknoten, verursacht durch MOSH, beobachtet. MOAH werden zwar nicht angereichert, bei dieser Fraktion kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass auch krebserregende Stoffe enthalten sind [1].
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind Mineralölkontaminationen grundsätzlich unerwünscht. Übergänge von MOSH auf Lebensmittel sollten so weit wie technisch möglich minimiert werden und es sollte kein nachweisbarer Übergang von MOAH auf Lebensmittel stattfinden [2].
Der Gesetzgeber legt in Artikel 3 der Rahmenverordnung für Lebensmittelkontaktmaterialien Verordnung (EG) 1935/2004 fest, dass Materialien und Gegenstände nach guter Herstellungspraxis so herzustellen sind, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden oder eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen. Diese allgemein formulierte Anforderung soll in Zukunft für den Übergang von Mineralölbestandteilen auf Lebensmittel konkretisiert werden. In einem Entwurf zur Änderung der nationalen Bedarfsgegenständeverordnung, der sogenannten „Mineralölverordnung“, soll der Übergang von MOSH und MOAH aus Papier- bzw.Kartonverpackungen auf Lebensmittel mit Grenzwerten belegt werden. Die Regelung wird sich allerdings nur auf Verpackungen aus Recyclingmaterial beziehen. Ein weiterer Entwurf zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung, die sogenannte „Druckfarbenverordnung“, sieht vor, dass mineralölhaltige Druckfarben zum Bedrucken von Lebensmittelverpackungen künftig nicht mehr verwendet werden dürfen. Diese Verordnung befindet sich derzeit im Notifizierungsverfahren der EU-Kommission [3].
Abseits von Übergängen aus Lebensmittelverpackungen fallen Mineralölkontaminationen von Lebensmitteln in den Anwendungsbereich der EU-Basisverordnung (VO (EG) 178/2002) für Lebensmittel. Nach Artikel 14 dieser Verordnung dürfen Lebensmittel, die aufgrund ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung als nicht sicher gelten, nicht in den Verkehr gebracht werden.
Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen wurden die MOSH– und MOAH-Gehalte von fünf Adventskalendern bestimmt. Dabei wurde sowohl die Schokolade als auch die Kartonverpackung untersucht (siehe Tabelle).
In allen untersuchten Verpackungen wurden MOSH, jedoch keine MOAH nachgewiesen. Den Ergebnissen zu Folge wurden durchweg Frischfaserkartons und mineralölfreie Druckfarben verwendet. Mindestens einer der fünf Kalender enthielt außerdem eine Barriere, die den Mineralölübergang von der Verpackung auf die Schokolade verhindern soll. In diesem Fall war die Schokolade nochmals in Alufolie eingewickelt. Bei einem weiteren Kalender waren die Schokoladen durch eine Zwischenlage von dem Verpackungskarton getrennt, die möglicherweise Barriereeigenschaften aufweist.
MOSH konnten in allen Schokoladen bestimmt werden. Der überwiegende Anteil dieser Stoffe zählt zu einer Fraktion mit einer Kohlenstoffzahl über 24 (> C24). Solche Stoffe sind schwer flüchtig, was einen Übergang aus der Kartonverpackung über den Dampfraum in die Schokolade ausschließt. Bei der Fraktion mit einer Kohlenstoffzahl unter 24 (< C24) ist eine konkrete Aussage dazu nicht möglich, denn diese leichter flüchtigen Stoffe können durchaus in das Lebensmittel diffundieren und somit auch ohne direkten Kontakt in die Schokolade gelangen. Ein möglicher, aber nicht konkret zu beziffernder Beitrag aus der Kartonverpackung (MOSH < C24), würde zum Zeitpunkt der Untersuchung für alle Proben unter dem im Entwurf der Mineralölverordnung vorgeschlagenen Grenzwert für den Übergang von MOSH (2 mg MOSH/kg Lebensmittel) liegen.
In den Schokoladen von drei der fünf Kalender waren MOAH in geringen Konzentrationen nachweisbar. Ein Übergang aus den Kartonverpackungen ist hier ausgeschlossen, da diese keine MOAH enthielten.
Die Analysenergebnisse zeigen, dass sich die Hersteller der Problematik bewusst geworden sind, denn die Kalender sind so gestaltet, dass eine Kontamination der Schokoladen v. a. mit MOAH durch die Kartonverpackung vermieden wird. Allerdings sind andere Quellen nicht sicher auszuschließen.
Die gefundenen MOSH-Konzentrationen in den Schokoladen führen nach einer toxikologischen Einschätzung zu keiner Gesundheitsgefährdung. Die MOAH-Fraktion steht zwar im Verdacht, krebserregende Stoffe zu enthalten, aufgrund fehlender toxikologischer Daten ist eine Einschätzung des tatsächlichen Gefährdungspotentials jedoch derzeit nicht möglich.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geht von einer Exposition der europäischen Verbraucher von 0,03-0,3 mg MOSH pro kg Körpergewicht und Tag aus. Die Exposition gegenüber MOAH liegt bei etwa 20% bezogen auf MOSH, d. h. bei 0,006-0,06 mg MOAH pro kg Körpergewicht und Tag [1]. Die MOSH– und MOAH-Gehalte, die in den 2016 untersuchten Schokoladen gefunden wurden, tragen wie bereits im letzten Jahr unter Berücksichtigung der üblichen Verzehrsmenge (ein Stück pro Tag an 24 Tagen im Jahr) nur zu einem sehr geringen Anteil zur Grundbelastung des Verbrauchers mit Mineralölbestandteilen bei. Zu einem analogen Schluss kam auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf Grundlage von Untersuchungsergebnissen der Stiftung Warentest [2].
Der Verzehr von Adventskalenderschokolade gibt auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse und Erkenntnisse nach Auffassung des LGL keinen Anlass zur Besorgnis.
Lebensmittelrechtlich sind die festgestellten Gehalte nicht zu beanstanden. Die Ergebnisse werden den zuständigen Kreisverwaltungsbehörden dennoch mitgeteilt mit der Bitte, die Hersteller über die Ergebnisse zu informieren, damit diese im Zuge eines vorbeugenden Verbraucherschutzes und eines Minimierungsgebots für Mineralölkontaminationen auf die ermittelten Gehalte reagieren können.
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.