Alle Menschen kennen Phasen, in denen sie sich „zu nichts aufraffen können“. Aus der geplanten Radtour wird nichts, weil sie es uns schon der Weg zur Toilette schwer fällt. Obwohl wir gerade erst aufgestanden sind, sind wir ohne Antrieb und statt durch den Park zu joggen, schaffen wir es gerade vom Bett zum Sofa.
Wir fühlen uns energielos, unser Schlafbedürfnis lähmt jede Handlung – wir verlieren die Initiative. Unser Umfeld betrachtet uns als lethargisch. Viele unterstellen uns einen fehlenden Willen, Vorhaben umzusetzen.
Während wir uns vornehmen, die Aufgaben des Alltags zu erledigen, schaffen wir kaum etwas: Der Kühlschrank bleibt leer, die unbezahlten Rechnungen stapeln sich, das Wohnzimmer, das wir längst aufräumen wollten, versinkt im Müll.Auf Außenstehende wirkt das wie schlichte Faulheit. Doch es gibt einen Unterschied: Faule stört ihr Zustand nicht. Sie fühlen sich wohl, wenn der tägliche Einkauf wartet, weil das Bett gemütlicher ist.
Antriebslose leiden jedoch unter ihrem Zustand; sie wollen mehr umsetzen als sie schaffen. Sie haben ein schlechtes Gewissen, weil sie die Dinge, die sie sich vornehmen, nicht realisieren. Ihr Zustand ist ein Symptom für psychische oder körperliche Probleme.
Ursachen
Vorüber gehende Antriebslosigkeit kann banale Ursachen haben, und auf die sollten wir achten, bevor wir ernste psychische Probleme oder schwere Krankheiten vermuten.
Zwei wesentliche Ursachen sind Stress und Bewegungsmangel, oft in Kombination. Wenn wir zu vielen Bedürfnissen gerecht werden müssen, ein Arbeitspensum erledigen, das uns überfordert, während gleichzeitig der Partner sich vernachlässigt fühlt, wir uns wie im Hamsterrad fühlen und das, was wir leisten, nie genug ist, dann bedeutet das: Stress.
Unsere Nerven sind überreizt, wir sind innerlich angespannt, wir kommen nicht wirklich zur Ruhe. Auch wenn wir das aus dem Bewusstsein verdrängen, meldet der Körper sich. Die Antriebslosigkeit weist so den Weg auf das, was wir brauchen.
Das übermäßige Bedürfnis zu schlafen sagt: Ruh dich aus, überdenk, was dir wichtig ist, entspann dich, überlege dir, wie du deine Arbeit, dein Leben und deine Beziehungen besser strukturieren kannst.
Bewegungsmangel schaltet unsere Körperfunktionen auf Sparflamme. Wenn wir den Körper nicht ein wenig fordern, leiden die Muskeln unseres Skeletts. Wir verlieren unsere körperlichen Kräfte und unsere Ausdauer. Treppen steigen, laufen oder heben fällt schwer. Wir fühlen uns antriebslos, weil selbst kleine Bewegungen Anstrengung bedeuten.
Gegen Stress helfen Entspannungsübungen wie Yoga oder Autogenes Training, Spaziergänge in der Natur und leichter Sport. Gegen Bewegungsmangel hilft insbesondere ein gezieltes Krafttraining. Dabei geht es nicht darum, Muskelberge aufzubauen, sondern die vernachlässigten Muskeln zu nutzen.
Für alle, die bei der Arbeit vor allem sitzen, ersetzt ein Krafttraining Tätigkeiten, die vor wenigen Jahrzehnten selbst verständlich waren. Wer die Kühe melkte, das Heu einbrachte, Holz hackte oder das Dach reparierte, der setzte viele Muskeln ein, ohne darüber auch nur nachzudenken. Wer heute am Computer arbeitet, trainiert weder Bauch- noch Brust-, weder Bein- noch Beckenmuskeln.
Schon eine Stunde Krafttraining in der Woche beansprucht die erschlafften Muskeln. Nach den ersten Trainingsstunden tut zwar alles weh, doch schon bald verbessert sich das Körpergefühl, und die Antriebslosigkeit verschwindet. Trainierte Muskeln „wollen“ nämlich arbeiten.
Kleine Übungen wirken ebenfalls „Wunder“, wenn wir sie regelmäßig ausführen. Einige Minuten Hanteltraining am Morgen durchbricht die Trägheit. Radfahren trainiert viele Muskeln, den Rücken ebenso wie die Arme, das Gesäß ebenso wie die Beine und den Bauch. In der Stadt öfter auf das Auto zu verzichten, kostet kaum Zeit. Auf dem Rad werden wir wacher, weil wir uns auf unsere Umgebung konzentrieren müssen, wir bekommen mehr Sauerstoff, und wir bewegen uns.
Wandern und joggen lassen sich ebenfalls in den Alltag integrieren. Die Außenreize regen ungenutzte Synapsen an und wir fördern so auch unsere geistige Arbeit.
Schwimmen schließlich fordert fast alle Muskeln, allerdings fühlen wir uns danach erschöpft, so dass wir es außerhalb unserer regulären Arbeitszeit ausführen sollten.
Allerdings sollten wir genau gucken, warum wir uns zu wenig bewegen. Ist es wirklich nur unser Job am Computer oder Bequemlichkeit? Oder steckt allgemeine Frustration dahinter?
Psychische Probleme
Bewegungsmangel und Antriebslosigkeit liegen häufig an allgemeiner Frustration über das eigene Leben. Wozu sollen wir Ziele umsetzen, wenn wir fühlen, dass wir sie sowieso nicht erreichen können? Warum sollen wir uns bei einem Job anstrengen, den wir als sinnlos ansehen? Wozu sollen wir uns, im Wortsinn, bewegen, wenn wir nicht wissen wohin oder keinen Weg sehen, der uns eine Perspektive bietet.
Dann sind wir ohne Antrieb, weil uns Ziele fehlen, die uns antreiben könnten. Jeder Therapeut kennt Menschen, die lethargisch alles an sich vorbei rauschen ließen und dies für den Normalzustand hielten, und nach erfolgreicher Behandlung kaum wieder zu erkennen waren.
Nachdem sie eine belastende Beziehung beendeten, aus einem gehassten Job ausstiegen, in eine bessere Wohnung umzogen, fanden sie Leidenschaften wieder, von denen sie gar nicht mehr wussten, dass sie diese hatten.
Psychische Beschwerden gehen oft einher mit anderen Problemen, die den Antrieb lähmen. Frustrierte greifen zur Flasche und finden so vorerst Glücksgefühle, die fehlende Liebesbeziehungen kompensieren, die Extasy-Pille ersetzt die körpereigenen Drogen nach einer Bergwanderung.
Antriebslos werden wir auch auch, wenn das Vitamin B12, Eisen oder Jod fehlen. Die Ursache können körperliche Beschwerden sein wie ein hoher Blutverlust bei der Menstruation oder Probleme mit der Schilddrüse.
Schädliches Verhalten in Folge allgemeiner Frustration, depressiven Phasen oder Stress fördern aber ebenfalls einen solchen Mangel: Wer Mahlzeiten mit Fisch, Ei oder Nüssen durch die Schnapsflasche ersetzt, der leidet ziemlich sicher nach einer gewissen Zeit an Eisen- und Vitaminmangel.
Suchtkrankheiten, alle Formen der Schizophrenie und klinische Depressionen sind psychische Probleme, die mit Antriebslosigkeit einher gehen. Hier helfen keine einfachen Übungen wie Radfahren oder spazieren gehen, sondern Entgiftungsprogramme und Psychotherapien sind angesagt.
Gegen Eisenmangel gibt es Medikamente oder diese Hausmittel.
Auch das Burnout-Syndrom betrifft die Psyche, ist allerdings eine psychosomatische Störung, zeigt sich also auch im körperlichen Leiden. Oft missverstanden entsteht ein Burnout nicht generell aus Überarbeitung, sondern aus Sinnlosigkeit. Künstler, die nächtelang ohne Schlaf ihre Bilder malen, Schriftsteller, die sich zum schlafen zwingen müssen und selbst im Traum in ihren Roman eintauchen, klagen kaum über Burnout – das gilt ebenso für politische Aktivisten, die im Urlaub wie auf glühenden Kohlen sitzen, weil sie nicht an Demonstrationen teilnehmen können.
Wer aber auf seiner Arbeit gemobbt wird, Aufträge ohne jeglichen Sinn übernimmt, zwischen dem, was er lebt und dem, wie er leben will eine Mauer sieht, der ist Kandidat für einen Burnout. Die Antriebslosigkeit ist hier eher ein Helfer, denn ein Schaden: Sie läutet die Alarmglocken, etwas im Leben zu ändern.
Körperliche Ursachen
Geschlecht in Prozent
Männer 3,369
Frauen 4,309
Ganz anders sieht es aus bei körperlichen Ursachen für Antriebsschwäche. Krebs in seinen vielfältigen Formen kündigt sich durch Energieverlust an. Ein Lungentumor zeigt sich zum Beispiel oft, wenn die Betroffenen beim Joggen schnell aus der Puste kommen, und bei einem Gehirntumor fällt es schwer, Alltagsarbeiten zu koordinieren.
Vorbeugen und Überwinden
Bei allen schweren körperlichen Erkrankungen muss die Krankheit selbst behandelt werden. Bei einer allgemeinen Antriebsschwäche ohne einen im verborgenen lauernden Tumor oder Infektion hilft aber eine bewusstere Lebensführung.
Ruhe, frische Luft und Bewegung gehen dabei einher mit einer ausgewogenen Ernährung. Das bedeutet vor allem genug Eisen, Vitamin B12 und Jod. Tageslicht hilft gegen das Gefühl von Lethargie.
Ist Schlafmangel die Ursache? Sechs Stunden Schlaf braucht der Körper mindestens, ums ich zu regenerieren. Ständige Müdigkeit und Antriebslosigkeit sind nahezu gleich bedeutend. Sorgen Sie also für ausreichend Schlaf.
Wesentlich ist außerdem genug Flüssigkeit. Gerade, wenn wir uns kaum bewegen, trinken wir häufig zu wenig. Während wir die Müdigkeit mit Kaffee und Zigaretten bekämpfen, verlangt der Körper in Wirklichkeit nach einem Glas Wasser.
Es klingt banal, aber oft verschwindet das Problem, wenn wir uns sinnvoll beschäftigen: Einen alten Freund anrufen, den wir schon lange nicht mehr gesehen haben, im Wald wandern gehen, einen Wochenendtrip planen oder eine Stadt besuchen, wo wir schon immer hin wollten.
Bewegungsmangel und Frustration gehen nämlich häufig einher. Wenn wir sinnvolle Ziele in Angriff nehmen, bewegen wir uns automatisch, fühlen uns allein dadurch besser und erleben etwas – und erleben ist das Gegenteil von Lethargie. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Aruna M. Siewert: Natürliche Psychopharmaka: Ganzheitliche Medizin für die Seele, Gräfe und Unzer, 2015
- Michael Petersen: Psychische Probleme - Ansätze der Bioresonanz, XinXii, 2015
- Viola Oertel; Silke Matura: Bewegung und Sport gegen Burnout, Depressionen und Ängste, Springer, 2017
- Pamela DeRosse et al.: "Deconstructing Avolition: Initiation vs persistence of reward-directed effort", in: Psychiatry Research, Volume 273, 2019, sciencedirect.com
- Frank Schneider; Martin Härter; Susanne Schorr: S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression, Springer, 2017
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.