Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe. Sie geben Pflanzen ihre Farbe und schützen sie vor Schäden durch die Umwelt. Diese Schutzfunktion wirkt bisweilen auch im menschlichen Körper. Deshalb spielen Pflanzen, die Flavonoide enthalten, eine Rolle in der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde).
Inhaltsverzeichnis
Flavonoide – ein Überblick
- Flavonoide sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe.
- Flavonoide befinden sich in oberirdischen Teilen unzähliger Pflanzen – sie kommen in Moosen ebenso vor wie in Farnen und Samenpflanzen.
- Zusammen mit den Phenolsäuren werden sie als Polyphenole zusammengefasst.
- Es gibt mehr als 6.500 bekannte Flavonoide.
- Viele dieser Stoffe sind Glykoside, also an Zuckermoleküle wie Glukose und Rhamnose gebunden. Das gilt nicht für Flavanole und Proanthocyanidine.
- In pflanzlichen Nahrungsmitteln sind sie verbreitet, in Weintrauben und in Zitronen, in Teeblättern und in Kakao, reichlich vorhanden sind sie in Roter Bete, Rotkohl und Äpfeln.
- Das Wort „Flavonoide“ leitet sich ab vom lateinischen „flavus“ und bedeutet „gelb“. Tatsächlich haben viele dieser Stoffe eine gelbe Farbe, längst aber nicht alle.
- Flavonoide schützen die Pflanzen vor schädlichen Umwelteinflüssen. Deshalb sind sie in Schalen und Blättern am stärksten konzentriert.
Die Gruppen der Flavonoide
Die Wissenschaft teilt die Flavonoide in sieben Gruppen ein. Die erste sind die Flavonole, zu diesen gehören Quercetin, Rutin, Kaempferol, Myritecin und Isohamnetin. Zur zweiten Gruppe, den Flavonen, zählen Luteolin, Apigenin oder Morin. Die dritte Gruppe, die Flavanole, besteht unter anderem aus Catechin, Gallocatechin, Epicatechin, Epigallcatechingallat, Theaflavin, Thearubigin, und die vierte, die Flavonone, umfasst zum Beispiel Hesperetin, Naringenin und Eriodictyol.
Taxifolin ist ein Stoff der fünften Gruppe, der Flavanoide, während Genistein und Daidzein in Gruppe sechs zu finden sind – den Isoflavonoiden. Die letzte Gruppe stellen die Anthocyanidine, auch Anthocyane genannt. Zu diesen gehören Cyanidin, Delphinidin, Malvidin, Pelargonidin, Petunidin oder Peonidin.
Welche Funktion haben Flavonoide?
Flavone und Flavonole schützen die Pflanzen vor UV-Strahlen, andere dieser bioaktiven Stoffe locken Bestäuber von Blütenpflanzen an. So sorgen Anthocyanine für ein Spektrum an Farben – von Orange bis zu Rot und Blau.
Blüten mit Anthocyaninen enthalten auch Flavone / Flavonole, die die Anthocyanidine stützen. Eine größere Menge an Flavonen / Flavonolen führt zu einer blauen Färbung. Die Flavonole Quercetagetin und Gossypetin sorgen für die gelben Blüten der Primeln und Chrysanthemen, für gelbe Farben in Dahlienblüten sorgen jedoch Chalkone und Aurone. Die meisten weißen Blüten färben Flavonoide, also Flavone wie Apigenin und Luteolin oder die Flavonole Kaempferol und Quercetin.
Flavonglykoside sind toxisch für Insekten, für Wirbeltiere aber ungiftig. Flavonoide wirken aktiv gegen Viren, Bakterien und Pilze. Flavone und Flavonole schützen vor UV-Strahlung, beugen der Zerstörung von Membranen durch Photooxidation vor. Oft liegen sie wie Mehl auf der Blattoberfläche. Manche Flavonoide lassen sich schlecht verdauen und schrecken deshalb Pflanzenfresser ab.
Wo sind Flavonoide enthalten?
Flavonoide nehmen wir mit pflanzlicher Nahrung zu uns. So kommen Chalkone in Äpfeln, Orangen und Tomaten vor; Flavonole in Buchweizen, Zwiebeln oder Tee; Flavone in Sellerie, Chicoree, Weizen und Isoflavone in Soja, Rotklee oder Kichererbsen. Quercetin befindet sich in Brokkoli, Zwiebeln, roten Trauben und Beerenfrüchten; Luteolin in Möhren, Artischocken, Sellerie und Petersilie, Catechin im Teestrauch, in Birnen und Beeren; Apigenin in Henna, Kamille und Schafgarbe und Kaempferol in Rosmarin, Kiefer, Holunder und Aloe Vera.
Verbreitete Lebensmittel, die Flavonoide enthalten, sind unter anderem: Pflaumen, Kirschen, diverse Beeren, Birnen, Grapefruits, Aprikosen, Paprika und Rote Bete. Kakao enthält ebenso Flavonoide wie Rotwein. Da viele Flavonoide Farbstoffe sind, enthalten die farbintensivsten Pflanzen oft am meisten dieser Substanzen – in unserer Ernährung ist das Obst, beziehungsweise dessen Schalen. Indessen sammeln sich bei Zitrusfrüchten die meisten Bioflavonoide in der weißen Schicht.
Gesundheitliche Effekte
Die Vielzahl der Flavonoide ist noch nicht oder nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht. Bei diversen von ihnen zeigten sich in Studien positive medizinische Wirkungen. Manche haben Effekte gegen Entzündungen, andere stärken die Gefäße, wieder andere wirken gegen Viren oder Krämpfe – einige sind gute Antioxidantien, die freie Radikale bekämpfen, welche einen Faktor beim Entstehen von Tumoren darstellen.
Eine höhere Flavonoidaufnahme, zum Beispiel durch regelmäßigen Konsum von Grünem Tee, geht einher mit einer geringeren Sterblichkeit durch Herzerkrankungen. Eine 2016 veröffentliche britische Langzeitstudie kam zu dem deutlichen Ergebnis, dass Flavonoide in Obst und Gemüse bei regelmäßiger Einnahme dauerhaft das Gewicht senken und Übergewicht (Adipositas) unter Kontrolle halten können.
Wie wirken Flavonoide in der Medizin?
Flavonoide wirken im menschlichen Körper auf verschiedene Weisen. Zentral ist ihr Einfluss auf die DNA und Enzyme, sie aktivieren Zellen und beeinflussen die Signalübermittlung in den Körperzellen. So hemmen Flavonoide fast drei Dutzend Enzyme im Menschen und stimulieren diverse Zellformen der Immunabwehr. Dadurch wirken sie Entzündungen entgegen.
Flavonoide in Weidenrinde haben Effekte gegen Schmerzen und werden in Schmerztherapien eingesetzt. Arzneimittel mit Flavoniden senken Fieber – andere Flavonoide helfen, Angststörungen zu behandeln. Mittel, um die Knorpel zu stärken, enthalten ebenfalls oft Flavonoide – andere Flavonoide gehören zu Medikamenten gegen Heuschnupfen und Allergien. Weiter hemmen bestimmte Flavonoide unkontrolliertes Wachstum von Zellen und Gewebe und dienen in Therapien zu diesen Zwecken.
Pflanzen, die reichlich Flavonoide enthalten, dienen in der Phytotherapie als Mittel gegen Herz- und Leberleiden, fördern die Durchblutung, dienen als Venenmittel, und einige Flavonoide aktivieren die Leukozyten oder bremsen Enzyme, die freie Radikale bilden. Eine Dissertationsstudie zeigte einen Einfluss von Flavonoiden auf die Darmfunktionen, beziehungsweise den dortigen Glucosetransport.
Der Mikrobiologe Paul Ilmer von der Universität Innsbruck und sein Team untersuchten in einer 2011 veröffentlichten Studie die Wirksamkeit der Flavonoide in Bitterorangen. Dafür behandelten sie bekannte Krankheitserreger wie Listeria monocytogenes, Salmonella enterica und Staphylococcus aureus mit einem flavonoidhaltigen Präparat in unterschiedlicher Dosierung.
Laut Ilmer ist derzeit noch unklar, wie genau Flavonoide Krankheitserreger bekämpfen. Klar ist aber, dass sie es tun. Ilmer sagt: „In diesem Fall müssen wir das Pferd von hinten aufzäumen.“
Flavonoide in der Tiermedizin
Ann-Cathrin Stoldt untersuchte in ihrer Doktorarbeit in Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin die Wirkung der Flavonoide Quercetin und Rutin auf Milchkühe. Die Studie kam zu folgendem Ergebnis: Rutin zuzufüttern, allerdings nicht rutinhaltigen Buchweizen, erhöhte den Flavonoidspiegel im Plasma der Kühe, nicht aber die Methanproduktion. Die absolute Flavonoidkonzentration in Plasma und Gewebe beeinflusst den Gesundheitszustand und das Laktationsstadium der Tiere. Quercetin fördert die Gesundheit der Kühe besonders, wenn diese zuvor beeinträchtigt ist, so Stoldt.
Eine Dissertationsstudie an der Tiermedizinischen Hochschule Hannover untersuchte, wie Schweine das Flavonoid Quercetin aufnehmen und im Organismus verteilen. Nach einer Langzeitapplikation konnte Quercetin in allen untersuchten Geweben nachgewiesen werden. Hohe Konzentrationen in Darmwand, Leber und Niere zeigten, dass das Flavonoid stark metabolisiert wird. In Fett, Muskulatur, Lunge und Gehirn waren die Quercetinkonzentrationen weit niedriger, was vermuten ließ, dass sich hier Quercetin auch nach langer oraler Einnahme nicht signifikant anreichert.
Arzneimittel mit Flavonoiden
Pflanzen mit hohen Anteilen an medizinisch wirksamen Flavonoiden werden konzentriert eingesetzt, um Arzneimittel herzustellen. Dies gilt unter anderem für Holunder- und Weißdornblüten, Weinlaub, Birken- und Ginkgoblätter, Kamille oder Mariendistel. Ringelblume mit hohem Quercetingehalt kommt zum Beispiel bei Hautentzündungen zum Einsatz. Johanniskraut lindert Depressionen und Stress, mit bedingt durch die Flavonoide Hypericin und Hyperforin.
Anthocyane / Anthocyanidine
Anthocyane sollen die DNA gegen oxidativen Stress stabilisieren, die Insulinsekretion ausgleichen, Entzündungen hemmen und den Zelltod stoppen. Anthocyane, eine Untergruppe der Bioflavonoide, sind wasserlöslich und sorgen für die rote, violette und blaue Farbe von Pflanzen. Besonders viele davon enthält, der Name sagt es, die Blaubeere. Wörtlich heißt „Anthos kyanos“ im Griechischen „blaue Blume“.
Diese sekundären Pflanzenstoffe helfen dem Körper, freie Radikale zu neutralisieren, was tendenziell Krebs vorbeugen, sowie ein Altern der Haut bremsen könnte. Anthocyane wirken auch gegen potenziell pathogene Mikroben. Eine Studie von 2007 kam zu folgendem Ergebnis: Anthocyane reduzieren Plasmakonzentrationen von Stoffen, die Entzündungen fördern, wirken also antientzündlich.
Das Problem an der Sache ist: Anthocyane, zum Beispiel aus roten Weintrauben und schwarzen Johannisbeeren, nimmt der menschliche Körper kaum auf, wie sich aus geringen Konzentrationen der Stoffe im Blutplasma und Urin zeigt. In vitro übersteigt der antioxidative Effekt der Anthocyane zwar bei weitem den von Vitamin C und Vitamin E, doch die Bioverfügbarkeit ist so miserabel, dass sie diese großartige Wirkung im menschlichen Organismus nicht im gleichen Ausmaß haben. Nichtsdestotrotz schützen sie die DNA und die Kohlenhydrate vor Schäden durch freie Radikale.
Anthocyan oder Anthocyanidin?
Ludwig Clamor Marquart bezeichnete 1835 eine chemische Verbindung, die Blüten blau färbt, als Anthokyan. F.S. Morot isolierte diesen Farbstoff dann 1849 und nannte ihn Cyanin. Nachdem 1913 Richard Willstätter das Anthocyan der Kornblume analysierte, wurde „Anthocyane“ zum Begriff für die gesamte Gruppe dieser sekundären Pflanzenstoffe. Als Anthocyanidin bezeichnen wir im Deutschen den zuckerfreien Teil des Anthocyans. Im Englischen heißen „Anthocyane“ „anthocyanins“.
Proanthocyanidine
Hier handelt es sich um farblose Bitterstoffe, Flavanole, in der Regel Dimere oder Trimere von oligomeren Catechinen. Ihr antioxidatives Potenzial ist achtzehnmal stärker als das von Vitamin C und vierzigmal stärker als das von Vitamin E. Zudem verstärken sie die Wirkung der Vitamine A und E, da diese bei Präsenz von Proanthocyanidinen zehnmal so lange aktiv bleiben. Sie hemmen die Tumorbildung, wirken Entzündungen entgegen und schützen die Gefäße.
Catechine
Catechine sind Bitterstoffe, die trockene Blattmasse des Grüntees besteht zu bis zu 40 Prozent daraus, während sie in Schwarztee durch das Fermentieren zerstört werden. Im Teestrauch bekämpfen die Catechine Pilze, Viren und Bakterien. Das Catechin Epigallocatechin-Gallat (EGCG) beugt Krebserkrankungen vor. Es findet sich konzentriert in japanischen Halbschattentees und in Matcha.
Catechine schützen die Haut vor UV-Strahlung und bremsen die Alterung der Haut. Sie dämmen die Bildung des schädlichen LDL-Cholesterins ein und wirken präventiv gegen Arteriosklerose und koronare Herzerkrankungen. Sie senken das Risiko, einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Eine vorbeugende Wirkung von Grüntee gegen die Alzheimersche und Parkinsonsche Krankheit wird vermutet, ist aber nicht belegt.
Catechine wirken deutlich gegen bestimmte Durchfallbakterien wie Salmonella Clostridium. Dabei schaden sie der Darmflora nicht. Sie beugen auch Erkältungsviren vor. Äußerlich eingesetzt, lassen sich mit Grüntee infektiöse Verletzungen behandeln sowie Hautinfektionen, denn die Catechine töten Keime ab.
Isoflavone
Isoflavon finden wir in Kleerarten, dessen Derivate, die Isoflavone, unter anderem in Sojabohnen (Genistein), in Pflaumenrinde (Prunetin), in Sandelholz (Santal), in Kichererbsen (Biochanin A), in Schwertlilien und Wiesenklee. Isoflavonoide werden in Nahrungsergänzungsmitteln verarbeitet, da sie durch ihre Ähnlichkeit mit Östrogen und Androgenen bei Menschen wie Geschlechtshormone wirken sollen.
Angeblich sollen sie dadurch Hitzewallungen und Schweißausbrüche in den Wechseljahren lindern, Brust- und Prostatakrebs vorbeugen. Zumindest gibt es eine Korrelation zwischen einem hohen Level an Isoflavon im Blut und einer geringen Gefahr, an Brustkrebs zu erkranken. Die Wirksamkeit ist jedoch nicht bewiesen, und deswegen sind solche Präparate mit Isoflavonoiden in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen.
Luteolin
Luteolin finden wir im Färberginster, in Petersilie, Artischocken, Möhren, Sellerie, Oliven, grünem Pfeffer, Minze, Thymian, Oregano, Rosmarin und Kamille. Es fördert den Schlaf und wirkt vermutlich antioxidativ, es hemmt Entzündungen und stärkt die köpereigene Immunabwehr. Eine vermutete Wirkung gegen Krebs ist bisher noch nicht bewiesen.
Kaempferol
Kaempferol ist ein pflanzliches Östrogen und wird auf eine mutmaßliche Wirkung gegen Krebserkrankungen untersucht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen zudem Effekte auf die Osteoporose nach der Menopause. Kaempferol soll gegen Mikroben und Entzündungen wirken, Herz und Nerven stärken sowie Angststörungen ausgleichen. Eindeutig belegt sind diese Wirkungen bislang nicht.
Das Flavonoid kommt vor in roten Weintrauben, Ginkgo, Kohlsorten, Grapefruits, Seidelbast, Tomaten, Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln, Kürbis, Gurken, grünem Salat, Passionsblumen, Aloe vera, Pfirsich, Brom- und Himbeeren, sowie in Rosmarin, Gewürzlilien und einigen anderen Pflanzen.
Taxifolin
Taxifolin nutzt besonders die russische Medizin in Form eines Lärchenextraktes. Es wirkt, der russischen Heilkunde zufolge, als natürliches Antibiotikum, tötet also pathogene Bakterien. Dabei schädigt es nicht die Darmflora, und es haben sich bisher keine Resistenzen gebildet. In Russland gilt Taxifolin auch als Mittel gegen Stoffwechselerkrankungen im Herz-Kreislauf-System wie Bluthochdruck, hoher Cholesterinspiegel, gestörter Fettstoffwechsel und erhöhte Blutzuckerwerte. Äußerlich wird Taxifolin eingesetzt, um Entzündungen der Haut zu behandeln.
Naringenin
Das Flavanon Naringernin befindet sich besonders in Zitrusfrüchten, in Grapefruits und Orangen. Das Glykosid bietet Bitterstoffe wie Narangin, das sich im Magen zu Naringenin aufspaltet. Es ist im Unterschied zu manchen anderen Flavonoiden sehr gut für den Körper verfügbar, nach dem Konsum lassen sich hohe Konzentrationen im Körper nachweisen. Es ist fettlöslich und bleibt an den Zellmembranen. Es neutralisiert aggressive Sauerstoffmolekülverbindungen und schützt so die DNA. Es regt die Phase-II-Enzyme an, welche eine entgiftende Wirkung entfalten.
Flavonoide sind Antioxidantien
Bestimmte Flavonoide wirken als Antioxidantien. Das sind chemische Verbindungen, die verhindern, dass andere Substanzen oxidieren. Diese sind für die Körperfunktionen wichtig, da sie freie Radikale bremsen. Sie deaktivieren also reaktive Sauerstoffansammlungen. Nehmen diese überhand, dann führt dies zu oxidativem Stress.
Oxidativer Stress führt dazu, dass die Zellen mehr Energie benötigen, um die Membranen zu stabilisieren, es kommt zur Oxidation von Proteinen und damit zu gravierenden Änderungen ihrer Struktur. Kann die überforderte Zelle das beschädigte Protein nicht wiederherstellen, sammeln sich geschädigte oxidierte Proteine in der Zelle an. Oxidativer Stress schädigt die DNA.
Durch oxidativen Stress ausgelöste Prozesse sind eine Ursache für Alterung und eine geringere Lebenserwartung. Umgekehrt verlangsamt ein Bremsen des oxidativen Stresses durch Antioxidantien den Alterungsprozess und verlängert das Leben.
Die antioxidativen Effekte verschiedener Flavonoide sind durch ihre Struktur bestimmt und deshalb unterschiedlich. Als Antioxidantien wirken mehrere Flavonoide vermutlich gegen Krebsbildung, sowohl in der Phase der Entstehung wie der Entwicklung von Tumoren. Am wichtigsten sind dabei mutmaßlich Catechine, Anthocyane und Flavonole, da diese zum Großteil bis in den Dickdarm gelangen.
Das größte Potenzial zur Krebsprävention haben Flavonoide aus Grünem Tee, Äpfeln, Zwiebeln, sowie Heidel- und Moosbeeren. Ein starkes antioxidatives Potenzial hat Quercetin. Es wirkt ähnlich als Radikalenfänger wie Vitamin A, C und E. Eine im Rahmen einer Dissertation in Lebenswissenschaften angelegte Studie in Braunschweig zeigte deutliche antioxidative Effekte bei Flanvonoiden, die in Blüten des Holunders und der Silberlinde vorhanden sind.
Eine 2010 veröffentlichte Studie zeigte deutliche antioxidative Effekte der Flavonoide in Grünkohl und wies zugleich nach, dass sich die Intensität der Wirkung durch genotypische und klimatische Einflüsse der jeweiligen Pflanzen unterscheidet.
Wirkung gegen Nervenerkrankungen?
Mitochondrien, Mikrofilamente und Proteine verlieren durch oxidativen Stress ihre Funktionen, dadurch wird der Stoffwechsel gestört, und Zellen verändern sich pathologisch. Oxidativer Stress ist vermutlich eine Ursache für Erkrankungen des Nervensystems wie Schlaganfälle, Parkinson‘sche Krankheit, Alzheimer, Amyotrophe Lateralsklerose oder Chorea Huntington. Auch diabetische Nervenerkrankungen gehen mit erhöhtem oxidativen Stress einher.
Flavonoide als Venenmittel
Venenmittel sollen gegen geschwollene und schwere Beine helfen, die entstehen, wenn die Venen schwach sind, sich deshalb der Bluttransport verlangsamt und Blutflüssigkeit so aus den Venen in das Körpergewebe eindringt. Isoliert dienen mehrere Flavonoide als Venenmittel: Diosmin, Rutin, Citrusbioflavonoide, Hesperidin und Hydroxymethylrutinoside.
Herz-Kreislauf-System
Verschiedene Flavonoide wirken auf die Blutgerinnung, halten die Oxidation von LDL-Lipoproteiden auf und senken den Spiegel des Cholesterins im Blut – nicht aber den des „guten“ HDL-Cholesterins. Flavonoide in Grünem Tee und rotem Traubensaft stärken die innerste Wandschicht der Blut- und Lymphgefäße. Flavonoide wie Taxifolin hemmen die Thrombozytenfunktion, bremsen das Aktivieren der Leukozyten und weiten zudem die Gefäße. Zusammengefasst beugt dies Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vor.
Gegen Viren und Bakterien
Procyanidine, zum Beispiel in Blau- und Moosbeeren, hemmen pathogene Bakterien, die Harnwegsentzündungen auslösen. Flavanole aus Grüntee haben eine bedingte Schutzwirkung gegen Grippeviren.
Gehirn, Gedächtnis und Ginkgo
Das in Weintrauben vorhandene und zu den Flavonoiden gehörende Fisetin stärkt das Langzeitgedächtnis. Der Wirkmechanismus ist nicht hinreichend erforscht, möglicherweise stimuliert der Stoff Signalketten im Gehirn, was dazu führt, dass sich Nervenzellen entwickeln und ausdifferenzieren.
Ginkgo enthält eine Mischung aus Flavonoiden, Ginkgoloiden und Terpenen. Diese Kombination schützt Nervenzellen, fördert das Ausschütten von Botenstoffen im Gehirn, hemmt das Gerinnen des Blutes und wirkt antioxidativ. Wahrscheinlich hilft der Konsum von Ginkgo so gegen eine gestörte Konzentration und gegen Gedächtnisprobleme als Folge einer mangelnden Durchblutung, aber auch gegen chronische Müdigkeit, allgemeines Schwächegefühl und ursächlich durch Blut- / Sauerstoffmangel verursachte Kopfschmerzen.
Flavonoidmangel
Auf einen Flavonoidmangel deutet häufiges Bluten in Nase und Zahnfleisch, eine schnelle Bildung von Blutergüssen (blaue Flecken), ein schnelles Anschwellen der Wunde bei Verletzungen. Auch häufige Infektionen können auf einen Mangel an Flavonoiden hindeuten. Dagegen hilft: Essen Sie regelmäßig Obst und Gemüse. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Monica L. Bertoia, Eric B. Rimm, Kenneth J. Mukamal et al.: Dietary flavonoid intake and weight maintenance: three prospective cohorts of 124 086 US men and women followed for up to 24 years; in: The BMJ, Issue 352, Seite 352, 2016 , BMJ
- Juliane Bieger: Verteilung des Flavonols Quercetin in Organen und Geweben beim Schwein nach mehrwöchiger Verabreichung mit dem Futter. Dissertation an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, 2008, DNB
- Paul Ilmer: Keim-Killer aus der Bitterorange; in: Zukunft Forschung, Issue 2 / 2011, Seiten 26-28, 2011, UIBK
- Annette Karlsen, Lars Retterstöl, Petter Lake et al.: Anthocyanins inhibit nuclear factor-B activation in monocytes and reduce plasma concentrations of pro-inflammatory mediators in healthy adults; in: The Journal of nutrition, Volume 137, Seiten 1951-1954, 2007 , OXFORD ACADEMIC
- Bettina Schwanck: Flavonoide als potentielle Inhibitoren des darmständigen Natrium-abhängigen GlucoseCotransporters 1 (SGLT1). Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vorgelegt von Bettina Schwanck Kiel im Sommer 2012, Kiel, 2012 , Universität Kiel
- Ann-Catrin Stoldt: Effects of the Flavonoids Quercetin and Rutin in Dairy Cows; in: Dissertationen FU, 2017, FU Berlin
- Stephanie Trebst: Flavonoide in Holunder- und Silberlindenblüten - Isolierung, Antioxidativität und Bioverfügbarkeit. Dissertation an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 2014 , TU Braunschweig
- Michaela Zietz, Annika Weckmüller, Susanne Schmidt et al: Genotypic and climatic influence on the antioxidant activity of flavonoids in Kale (Brassica oleracea var. Sabellica); in: Journal of Agricultural and Food Chemistry, Volume 58, Issue 4, Seiten 2123-2130, 2010 , ACS Publications
Wichtiger Hinweis:
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