Patienten, die unter Ödemen leiden, sind mit der Lymphdrainage bestens vertraut. Das Therapieverfahren zur Stimulation des Lymphflusses wird nämlich insbesondere bei bestehenden Wassereinlagerungen nahezu standardmäßig angewandt. Allerdings gibt es noch eine Vielzahl anderer Indikationen, die für die Anwendung der Lymphdrainage sprechen. Bei welchen Beschwerden sie hier im Detail auf die Behandlungsmethode zurückgreifen können, welche Funktion das Drainageverfahren hat und wie genau dieses durchgeführt wird, verraten wir Ihnen in unserem Spezialbeitrag zum Thema.
Inhaltsverzeichnis
Unser Lymphsystem
Das lymphatische System (Systema lymphaticum) bezeichnet einen essenziellen Teil unseres Immunsystems wie auch unseres Stoffwechselsystems. Wie der Blutkreislauf besteht es aus einem körperweiten Netz von Gefäßen, die für eine flächendeckende Zirkulation der sogenannten Lymphe (Lympha) im Organismus sorgen. Das Wort lympha ist dem Lateinischen entlehnt und bedeutet übersetzt etwa so viel wie „klares Wasser“. Und tatsächlich ist die Lymphe eine klare Flüssigkeit, die aufgrund ihres transparenten, dünnflüssigen Charakters auch gerne als Körperwasser bezeichnet wird.
Die Lymphe
Dieses Körperwasser besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Komponenten, ähnelt in seiner Zusammensetzung aber stark der Gewebeflüssigkeit. Die wichtigsten Inhaltsstoffe der Lymphe sind dabei:
- Enzyme,
- Glucose,
- Harnstoff,
- Kalium,
- Kalzium,
- Kreatinin,
- Natrium,
- Phosphat
- und Proteine.
Gebildet wird die Lymphflüssigkeit aus einem Teil des Blutplasmas, das durch den Effekt des osmotischen Drucks aus kleinen Kapillargefäßen zunächst in das umliegende Körpergewebe abgegeben wird. Dabei kommt die Lymphe bereits einer ihrer wichtigsten Funktionen nach, nämlich der Nährstoffversorgung von Gewebezellen.
Zeitgleich nimmt die Lymphflüssigkeit im Gewebe auch Abbauprodukte der Zellen auf, von denen infolge rund 90 Prozent zurück in die Blutgefäße überstellt werden. Die restlichen zehn Prozent dieser zellulären Stoffwechselprodukte bestehen aus Stoffpartikeln wie etwa Proteinen oder Lipiden, die zu groß für einen Transport im Blutkreislauf sind und deshalb zusammen mit der Lymphe über die Lymphgefäße (Vasa lymphatica) transportiert werden müssen. Dabei leiten die lymphatischen Gefäße täglich gut zwei bis drei Liter Lymphe, die stetig im Körper zirkuliert und so Nährstoffe und Stoffwechselprodukte durch den Organismus transportiert.
Lymphknoten
Eine weitere wichtige Funktion des Lymphsystems besteht in der Analyse von Krankheitserregern. Zu diesem Zweck werden Proben von bereits entdeckten Erregern durch Immunzellen zu den Lymphknoten (Nodus lymphoideus) transportiert. Die fünf bis zehn Millimeter großen Knotenpunkte des lymphatischen Systems dienen zum einen als Filterungseinheiten für in der Lymphe gelösten Stoffwechselprodukte. Zum anderen werten Sie Erregerbestandteile aus und aktivieren anschließend die Produktion spezifischer Abwehrzellen zur Bekämpfung des identifizierten Erregertyps.
Übrigens: Die im Lymphsystem agierenden Immunzellen sind auch als Lymphozyten bekannt, wobei unschwer zu erkennen ist, dass sie ihren Namen direkt von dem lymphatischen System erhalten haben.
Eine Lymphknotenschwellung bei bestehenden Infektionskrankheiten, aber auch bei Krebserkrankungen, deuten in Anbetracht der Lymphknotenfunktion also zunächst einmal auf eine gesteigerte Aktivität der Lymphknoten hin, die sich im Rahmen der Erregerabwehr ereignet. Die Schwellungen treten dabei maßgeblich in Körperregionen auf, die besonders viele dieser „Filterstationen“ für die Lymphe aufweisen. Hierzu zählen:
- Kopf,
- Hals,
- Achselhöhlen,
- Brust,
- Bauch
- und Kniekehlen.
Mit Blick auf Krebserkrankungen sind die Abwehrfunktionen des Lymphsystems dabei relativ tückisch. Denn durch den Transport von Krebszellen zu den Lymphknoten können sich diese im weiteren Verlauf auch im lymphatischen System selbst ausbreiten.
Die Komplexität der Lymphbahnen fördert diesbezüglich sogar eine körperweite Ausbreitung der Krebszellen, welche sich dann abermals gehäuft an lymphknotenreichen Körperabschnitten wie der Achselhöhle oder Brust einlagern. Neben der Anwendung bei Ödemen ist die Lymphdrainage deshalb insbesondere bei Brustkrebs eine beliebte Methode, um den Lymphabfluss nach einer Operation anzuregen und den schnellen Abtransport verbliebener Krebszellenrückstände zu erwirken, bevor diese sich erneut festsetzen und Metastasen oder Krebsneubildungen provozieren.
Definition – Was ist eine Lymphdrainage?
Schon die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) beschäftigte sich vor gut 3000 Jahren mit der Vorstellung verschiedener Körperkreisläufe. Damals stand der sogenannte Qi-Fluss als essenzieller Energiekreislauf des Körpers im Vordergrund, welcher durch spezielle Techniken der manuellen Therapie wie beispielsweise
- Akupressur,
- Akupunktur,
- Massage
- oder Schröpfen
stimuliert werden konnte. Die Vorstellung bestimmter Meridiane als Energieleitbahnen, die den gesamten Körper wie ein Netz durchspannen und je nach Art des Meridians die Gesundheit verschiedener Körperorgane bestimmen, hat in der TCM bis heute einen wichtigen Stellenwert und ist Grundlage eines Großteils von Behandlungsmaßnahmen.
Sie gab Medizinern schon früh erste Einblicke in die Wichtigkeit ganzheitlicher Therapiekonzepte, bei denen auch Körperregionen, die auf den ersten Blick nicht mit dem eigentlichen Beschwerdeherd in Verbindung stehen, durch eine gezielte Mitbehandlung den Genesungsprozess deutlich beschleunigen können. Durch die bloße Stimulation des Körperflusses und seiner Leitbahnen lassen sich hier Organ- und Gefäßbeschwerden beheben, die durch einen Stau oder eine Blockade des Qi-Flusses hervorgerufen werden und so die körperliche Gesundheit beeinträchtigen.
Ganz ähnlich funktioniert auch die manuelle Lymphdrainage. Auch hier werden gezielte Massagegriffe genutzt, um den Lymphfluss zu stimulieren. Dabei baut der Massageexperte mit seinen Handgriffen fokussierten Druck auf die Lymphgefäße auf, um den Abtransport der darin befindlichen Lymphe zu verbessern.
Inzwischen gibt es sogar die sogenannte apparative Lymphdrainage, bei der anstatt der Hände spezielle Gerätschaften wie etwa eine Druckmanschette zur Stimulation der Lymphbahnen eingesetzt werden.
So ausgereift das Verfahren zur Lymphdrainage heute auch ist, dauerte es bis zu ihrer Entwicklung doch wesentlich länger als es bei den manuellen Behandlungstechniken der TCM der Fall ist. Schuld daran war einerseits die Tatsache, dass erste Denkansätze zur Existenz und Funktion des Lymphsystems zunächst einmal für Jahrtausende in der Versenkung verschwanden, ehe sie von Medizinern der Moderne wieder neu entdeckt wurden. Andererseits hielten sich, medizinisch betrachtet, einige äußerst riskante Behandlungspraktiken, die viel zu lange anstelle der schonenden Lymphdrainage durchgeführt wurden.
Geschichte der Lymphdrainage
Im Vergleich zu den Körpermeridianen wurden körpereigene Systemkreisläufe wie das Lymphsystem oder der Blutkreislauf erst in der Neuzeit erforscht. Gerade die Funktionsweise der Lymphgefäße blieb Medizinern dabei lange ein Rätsel. Zwar war man sich relativ früh über die Funktion des Blutes als „roter Lebenssaft“ im Klaren, die genaue Bedeutung des Blutflusses für die Gesundheit des Menschen, ebenso wie das Wechselspiel zwischen Blut- und Lymphfluss wurde von der Wissenschaft jedoch erst sehr spät erkannt.
Den Behandlungsmaßnahmen, die im Rahmen (vermeintlicher) Blutkrankheiten durchgeführt wurden, kam das nicht immer zugute. Man denke nur an Therapiemaßnahmen wie den Aderlass, der sowohl in der Antike als auch im Mittelalter zu mitunter sehr unsinnigen Zwecken eingesetzt wurde. Viele Patienten starben damals, teils durch hohen Blutverlust, der als Folge unverhältnismäßiger Blutentnahmen eintrat, teils aber auch durch schiere Sinnlosigkeit des Aderlasses.
Dieser konnte zwar durchaus bei einigen Gesundheitsbeschwerden wie etwa Diabetes oder Vergiftungen helfen. In diversen anderen Krankheitsfällen, beispielsweise bei Eisenmangel oder Infektionskrankheiten wie der Pest und Syphilis, trieb er aufgrund wenig effizienter Anwendungsgrundlage die Todesrate allerdings eher zusätzlich in die Höhe anstatt sie zu senken. Eine Lymphdrainage zur differenzierteren Reinigung des erkrankten Körpersystems hätte hier oftmals bessere Ergebnisse erzielt und sogar Leben gerettet. Vor allem bei Beschwerden wie
- Immunschwächen,
- Gicht,
- Migräne,
- Ödemen (Wassereinlagerungen),
- Rheuma,
- Schmerzbeschwerden
- oder Stoffwechselstörungen
wäre diese Form der Therapie schon damals ein wesentlich schonenderes Verfahren gewesen.
Erste Denkansätze im antiken Griechenland
Erste Ideen zu einem zweiten Gefäßkreislauf im Sinne des Lymphsystems, der neben dem Blutkreislauf existiert und wie dieser der Reinigung bzw. Versorgung von Körperzellen dient, kamen diesbezüglich jedoch erst im späten Mittelalter, etwa zu Beginn des 17. Jahrhunderts, auf. Dies, obwohl es schon um 500 vor Christus erste Denkansätze zu einem Transportsystem für das „weiße Blut“ gab, wie die Lymphe seinerzeit von Medizingelehrten wie Hippokrates oder Aristoteles genannt wurde.
Die Wissenschaftler der Alexandrinischen Schule, darunter auch der berühmte Arzt Philon, gaben dem System sogar einen Namen. Sie nannten es Ductus lactei (lat. für Milchgänge) und beschrieben es als einen Verbund von Gefäßen, die von den Därmen ausgehen und in „drüsenartige Körper mündeten“. Zweifelsohne sind hiermit die Lymphknoten gemeint, was aufzeigt, wie nahe man eigentlich schon in der Antike an der Entschlüsselung des Lymphsystems dran war.
Unglücklicherweise, und zu großer Wahrscheinlichkeit auch dem großen Brand der Bibliothek von Alexandria im Jahre 47 vor Christus geschuldet, bei dem unzählige Schätze des Wissens dem Feuer zum Opfer fielen, geriet das alte, noch sehr vage Wissen um das Lymphsystem für über 2000 Jahre in Vergessenheit.
Wiederentdeckung in der frühen Neuzeit
Mehr durch Zufall wurde es am 23. Juli 1622 durch den italienischen Arzt Gaspare Aselli während der Operation eines Hundes wiederentdeckt, als der Arzt zwei weiße Stränge im Leib des Tieres entdeckte, die entlang des Bauch- und Brustbereiches verliefen und die Aselli zunächst fälschlicherweise für Nervenstränge hielt. Beim Durchtrennen selbiger Stränge trat allerdings unverzüglich eine milchig weiße Flüssigkeit aus den Gefäßen aus, die Lymphe.
Als der Arzt wenige Tage darauf einen weiteren Hund operierte, konnte er dieselben Gefäße verblüffenderweise jedoch nicht mehr auffinden. Er kam zu dem Schluss, dass das erste Tier vor dem chirurgischen Eingriff Nahrung zu sich genommen hatte und die Lymphbahnen während der Operation deshalb sichtbar mit dem Nährstofftransport beschäftigt waren.
Das zweite Tier hingegen war nüchtern und die Lymphbahnen deshalb nur hauchdünn ausgeprägt und mit dem bloßen Auge nicht zu erfassen. Folgerichtig leitete der italienische Mediziner daraus ab, dass der Lymphfluss eng mit dem Verdauungsprozess in Verbindung steht. Aselli gab den entdeckten Lymphbahnen einen ganz ähnlichen Namen wie die Gelehrten der alexandrinischen Schule. Er nannte sie nämlich „Milchvenen“.
Erste Beschreibung des Lymphsystems
Erst 30 Jahre nach Asellis Wiederentdeckung des Lymphsystems gab der dänische Arzt und Anatom Thomas Bartholin den Lymphgefäßen 1652 schließlich ihren heutigen Namen. Auch gilt er als Erstbeschreiber des Lymphsystems, dessen anatomische Schilderungen zum Verlauf der Lymphbahnen bis heute weitestgehend unverändert blieben.
Sie wurden später von anderen Anatomen und Ärzten wie dem niederländischen Anatom Anton Nuck oder den französischen Medizinern Marie Philibert, Constant Sappey und Henri Rouvière wieder aufgegriffen, um Verfahren zu entwickeln, mit denen man die Lymphgefäße besser sichtbar machen konnte. Im 19. Jahrhundert und damit 200 Jahre nach der Wiederentdeckung des Lymphsystems durch Aselli kam es so endlich erstmals zur Anfertigung von Kupferstichen, die den Verlauf der Lymphgefäße im menschlichen Körper nachzeichneten, sowie zur Entdeckung von speziellen Drainagepunkten innerhalb des lymphatischen Systems.
Entwicklung der Lymphdrainage in den 1930er Jahren
Noch jüngeren Datums ist die Technik der manuellen Lymphdrainage selbst als effektive Behandlungsmethode des Lymphsystems zur Stimulation des Lymphflusses. Sie wurde erst in den 1930er Jahren von dem dänischen Physiotherapeuten Emil Vodder entwickelt, nachdem ihm aufgefallen war, dass Patienten mit chronischer Erkältung vergrößerte Halslymphknoten aufwiesen.
Er begann daraufhin, die geschwollenen Lymphknoten vorsichtig zu massieren, was offenbar die Genesung seiner Patienten beschleunigte. Seither wird die Massage der Lymphbahnen als manuelle Lymphdrainage nicht nur bei Infektionskrankheiten, sondern auch bei einer Vielzahl weiterer Gesundheitsbeschwerden eingesetzt, die von einer Stimulation der Lymphknoten und Lymphgefäße profitieren. Außerdem bildet das Verfahren eine wichtige Maßnahme in der Krankengymnastik und ist ein fester Bestandteil in der Ausbildung zum Physiotherapeuten wie auch zum Masseur.
Anwendungsgebiete der Lymphdrainage
Grundsätzlich soll die Lymphdrainage immer dem Zweck dienen, den Stofftransport innerhalb der Lymphbahnen zu stimulieren und so die Reinigung bestimmter Gewebeabschnitte zu verbessern. Wichtig kann eine solche Stimulation des Lymphflusses bei ganz unterschiedlichen Gesundheitsproblemen sein.
Ödemleiden
Bei Ödemen lässt sich durch das Drainageverfahren zum Beispiel ein schnellerer Abtransport von Wassereinlagerungen im Gewebe erreichen. Dadurch werden die Ödeme enorm verkleinert, wenn nicht sogar vollständig entleert.
In diesem Zusammenhang bildet die Lymphdrainage auch einen essenziellen Bestandteil der sogenannten Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie (KPE), welche die Standardbehandlung bei einem Lymphödem darstellt. Sie setzt sich insgesamt aus vier Behandlungsschritten zusammen, die neben der Drainage eine gezielte Hautpflege, das Anlegen von Kompressionsverbänden sowie gezielte, entstauende Bewegungsübungen beinhaltet.
Lymphödeme können Begleiterscheinung einer Reihe von Krankheiten sein. So zeichnen sich zum Beispiel Erkrankungen, die mit starken Fetteinlagerungen einhergehen (z.B. Adipositas), durch ein erhöhtes Ödemrisiko aus. Auch eine Venenschwäche und damit zusammenhängende Störungen im venösen Bluttransport bedürfen häufig einer Lymphdrainage, um den Blutfluss zu stimulieren.
Ein dritter Grund für das Drainageverfahren sind Ödeme, die im Zuge einer Operation auftreten. Gerade im Rahmen einer Krebserkrankung entstehen nicht selten entsprechende postoperative Schwellungen, wenn während des chirurgischen Eingriffs ein oder mehrere Lymphgefäße durchtrennt wurden. Dabei wäre ein schneller Abtransport von Lymphe und Gewebewasser hier besonders wichtig, um zu verhindern, dass Rückstände von Krebszellen nur unzureichend ausgespült werden.
Wundheilung
Apropos Operation: Eine Lymphdrainage kann auch die Entstehung von Narben im Zuge einer Operationswunde reduzieren. Das gilt vor allem für chirurgische Eingriffe im Bereich der Brust (z.B. bei Brustkrebs). Sollten hier während der Operation Lymphbahnen und/oder Lymphknoten in Mitleidenschaft gezogen werden, wird der Abfluss der Lymphe im Wundbereich dadurch massiv gestört.
Die Folge sind vermehrte Einlagerungen von Lymphwasser ins Gewebe, das im weiteren Verlauf Druck auf die Operationswunde ausübt und so die Wundheilung beeinträchtigt. Durch das Drainageverfahren lässt sich hier ein verbesserter Lymphabfluss und damit nicht nur eine schnellere Wundheilung erreichen, sondern auch das Risiko von Narbenbildungen senken und sogar die Gefäßneubildung anregen.
Immunschwächen
Fernab von Ödemen und gestautem Lymphwasser gibt es noch weitere Krankheitsgründe für eine Lymphdrainage. Zu erwähnen ist hier unter anderem der immunologische Aspekt. Dieser trug, wie bereits erwähnt, zur ursprünglichen Erfindung des Drainageverfahrens bei. In der Tat kann die manuelle Lymphdrainage nämlich das Immunsystem stärken, indem sie durch sanfte Massage der Lymphknoten den dort stattfindenden Abwehrmechanismus stimuliert. Auf diese Weise wird im Übrigen auch die Fehlerkennungsrate der Lymphknoten reduziert, was beispielsweise Allergien und Autoimmunkrankheiten entgegenwirken kann.
Allgemeine Sekretstaus
Neben dem Abfluss von Lymphwasser kann die Lymphdrainage auch bei der Ausleitung von Entzündungssekreten, Blut, Fetteinlagerungen und Gewebewasser helfen. Selbst Stoffwechselstörungen, die zumeist ebenfalls eine unnatürliche Einlagerung von Sekreten ins Gewebe bedeuten, sprechen gut auf das Drainageverfahren an. Aus diesem Grund wird die Massage der Lymphbahnen auch im Rahmen von
- Blutergüssen,
- Cellulite,
- Diabetes,
- Diätmaßnahmen,
- Gicht,
- Knochenbrüchen,
- Muskelfaserrissen,
- Verbrennungen
- und Schwellungen
angewendet. Auch die Ausleitung von Eitersekreten und Porenschlacken wird durch die Lymphdrainage angeregt, weshalb selbst Kosmetikerinnen und Hautärzte in ihrer Ausbildung die Massagetechnik erlernen, etwa um Hautunreinheiten wie Akne zu behandeln.
Schmerzen und Verspannungen
Es wird immer wieder betont, dass die Lymphdrainage nicht nur einen ausleitenden, abschwellenden und immunstärkenden Effekt, sondern auch eine schmerzlindernde und entspannende Wirkung hat. Diese machen sich Mediziner zum Beispiel bei
- Kopfschmerzen,
- Migräne,
- Morbus Sudeck,
- Muskelverspannungen,
- Rheuma,
- Schleudertrauma,
- Schmerzbeschwerden nach einer Operation,
- Verstauchungen
- und Zerrungen
eingesetzt. Die entspannende Wirkung auf die Muskulatur geht dabei sogar so weit, dass die Darmmuskulatur in besonderem Maße davon profitiert und sich mit Hilfe der Lymphdrainage Verdauungsstörungen und Darmkrämpfe lösen lassen.
Ablauf einer Lymphdrainage
Wie weiter oben aufgezeigt ist die manuelle Lymphdrainage eine besondere Form der Massage, bei der mit leichten Kreis- und Druckbewegungen gearbeitet wird, um die Frequenz der Lymphangione und damit den Lymphfluss zu steigern.
Die übliche Frequenzrate in Ruhe von circa zehn bis zwölf Kontraktionen pro Minute lässt sich durch die Drainagemassage auf bis zu 20 Kontraktionen pro Minute steigern, was bereits aufzeigt, wie stark die massagebedingte Stimulation ausfallen kann. Das Geheimnis der Lymphdrainage liegt dabei in dem wechselnden Druck, den der Masseur durch die unterschiedlichen Grifftechniken am Lymphsystem aufbaut. Er sendet einen rhythmischen Stimulationsreiz an das Lymphgewebe, wodurch die Pumpleistung der Lymphbahnen erhöht und damit der Lymphfluss gesteigert wird.
Das Verfahren der Lymphdrainage selbst wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder perfektioniert und nach medizinischen Standards weiterentwickelt. Alternativ zum manuellen Verfahren bieten technologisch versierte Medizineinrichtungen heutzutage auch eine apparative Form an, bei der die Massagegriffe über entsprechende Apparaturen simuliert werden.
Die vier Grundgriffe der Lymphdrainage nach Vodder haben jedoch in jedem Fall bis heute ihre Gültigkeit und gestalten sich wie folgt:
- Stehender Kreis: Zur Durchführung des stehenden Kreises ist es wichtig, die Hände ganz flach im Bereich der Lymphknoten aufzulegen. Im Anschluss wird mit den Handflächen behutsam in Abflussrichtung der Lymphknoten massiert. Dabei sollte nur sehr wenig Druck auf das Gewebe ausgeübt werden. Die Grifftechnik wird infolge mehrmals wiederholt, bevor der nächste Griff zur Anwendung kommt.
- Drehgriff: Bei diesem Massagegriff legt der Masseur oder Physiotherapeut seinen Daumen flach auf die Haut auf, während von den übrigen Fingern nur die Fingerkuppen die Haut berühren. Ausgehend von dieser Fingerstellung wird dann in leichten Drehbewegungen der Verlauf der Lymphbahnen nachgefahren. Der Drehgriff wird üblicherweise mehrmals wiederholt.
- Schöpfgriff: Diese Grifftechnik funktioniert im Grunde wie der Drehgriff. Einziger Unterschied ist, dass nun nicht mit, sondern gegen Verlaufsrichtung der Lymphbahnen gekreist wird. In abwechselnder Ausführung geben Dreh- und Schöpfgriff ein gutes Beispiel dafür, wie der wechselnde Rhythmus der Handbewegungen bei der Lymphdrainage Stimulationsreize an das Lymphsystem entsendet.
- Pumpgriff: Hier sind alle Finger mit Ausnahme des Daumens gerade ausgestreckt. Der Daumen hingegen ist angezogen, wodurch sich das Schwimmhäutchen zwischen Daumen und Zeigefinger leicht spreizt. In einem Winkel von 45 Grad wird nun ein pumpender Druck auf die behandelte Extremität ausgeübt. Der Pumpgriff funktioniert besonders gut an den Schultern sowie den Extremitäten.
Spezielle Lymphdrainage-Griffe gegen Ödeme
Zusätzlich zu diesen vier traditionellen Handgriffen der Lymphdrainage sind im Laufe der Zeit noch weitere Griffe entstanden, die sehr speziell gegen Ödeme bzw. Fibrosen eingesetzt werden. Drei davon sind hier besonders hervorzuheben:
- Hautfaltgriff: Der Hautfaltgriff wird maßgeblich bei Vorliegen einer Fibrose eingesetzt. Zur Durchführung wird eine Hautfalte des Patienten mit einer Hand angehoben und anschließend der Daumen der anderen Hand gegen die Hautfalte gepresst. Es folgt eine Tiefenbewegung, in deren Verlauf der Daumen weiter nach unten gedrückt wird. Ziel dieses Griffes ist es, Fibrosen zu lockern und so Spannungsverhältnisse im Gewebe zu lösen.
- Scheibenwischergriff: Ein weiterer Griff, der es zum Ziel hat, Fibrosen zu entschärfen und dadurch verursachte Beschwerden zu lindern. Beide Hände werden beim Scheibenwischergriff flach nebeneinander aufgelegt und dann wiederholt wie ein Scheibenwischer geöffnet und geschlossen. Dieser Griff ähnelt den herkömmlichen Massagegriffen mitunter am meisten.
- Ultrafiltrat-Verdrängungsgriff: Diese Grifftechnik existiert speziell zur Ausleitung von Ödem-Flüssigkeit. Sie soll dabei helfen, die Flüssigkeitsansammlungen schneller in den Blutkreislauf zu überstellen, sodass sie von dort aus abtransportiert werden können. Zu diesem Zweck werden die Finger fest aneinandergepresst und dann die flache Hand auf das Ödem gelegt. Für ungefähr 20 bis 30 Sekunden wird nun ein zunehmender Druck in die Tiefe des Gewebes ausgeübt, was den Ödem-Inhalt in Richtung der Blutgefäße pressen soll.
Für gewöhnlich wird eine Lymphdrainage nicht gesondert, sondern kombiniert mit anderen Behandlungsmaßnahmen wie etwa Krankengymnastik oder der Kompressionstherapie durchgeführt. Eine Drainagesitzung dauert im Rahmen einer solchen Volltherapie etwa 20 bis 60 Minuten und darf nur von geschultem Personal, also einem Physiotherapeuten oder Masseur mit entsprechender Vorbildung, ausgeführt werden.
Lymphdrainage – Nebenwirkungen
Nicht angewendet werden sollte eine Lymphdrainage, wenn bestimmte chronische Krankheiten oder eine Gefäßschwäche vorliegen. Hier könnte die Drainage zu schweren Nebenwirkungen führen. Bei bestehenden Krebs- und schweren Infektionskrankheiten erhöht das Verfahren das Risiko einer weiteren Verteilung der Krankheitserreger über die Lymphgefäße. Das Behandlungsverfahren darf deshalb auf keinen Fall bei einer der folgenden Krankheiten zum Einsatz kommen:
- Asthma bronchiale,
- chronisch niedriger Blutdruck (Hypotonie),
- Hautentzündungen,
- Herzinsuffizienz,
- Herzrhythmusstörungen,
- Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose),
- Thrombosen,
- Venenentzündungen
- sowie bei Vorliegen bösartiger Tumore.
(ma)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Kasseroller, Renato und Brenner, Erich: Kompendium der Lymphangiologie, Georg Thieme Verlag KG, 2015
- Wittlinger, Hildegard; Wittlinger, Andreas; Wittlinger, Dieter und Wittlinger, Maria: Manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder, Georg Thieme Verlag KG, 2018
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- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich-Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): S2k Leitlinie Diagnostik und Therapie der Lymphödeme, AWMF Reg.-Nr. 058-001 (abgerufen 12.11.2019) , Deutsche Gesellschaft für Lymphologie
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.