Eigene Medizin aus Kräutern hat einen besonderen Reiz: Erstens wissen wir genau, was darin ist; zweitens stellen wir durch das eigene Sammeln und Verarbeiten einen sinnlichen Bezug her und fördern damit eine ganzheitliche Heilung; drittens können wir auf ein Repertoire von Arzneien zurück greifen, wenn keine Apotheke in der Nähe ist, und viertens nutzen wir den eigenen Garten als Medizin und stellen so einen Zugang zur Natur her.
Inhaltsverzeichnis
Eine Tinktur ist ein Kräuterextrakt, meist in Alkohol. Käufliche Tinkturen aus der Apotheke bestehen aus getrockneten Pflanzenteilen und Weingeist in einer Stärke von 70 bis 95 Prozent.
Der Vorteil einer Tinktur liegt in der langen Haltbarkeit: Fünf, bisweilen sogar zehn Jahre können die Flüssigkeiten lagern, ohne ihre Wirkung einzubüßen. Sie enthalten wasser- ebenso wie fettlösliche Stoffe, denn Alkohol entzieht beides, im Unterschied zu Tee, der nur die wasserlöslichen und Öl, das nur die fettlöslichen Stoffe extrahiert.
Solche Tinkturen heißen auch Kräuter-Tropfen, allgemein Extrakt oder Essenz. Solche Essenzen mit bitteren Kräutern bezeichnen wir auch als Magenbitter. Offiziell dürfen nur in Apotheken erhältliche Kräuterauszüge auf Alkoholbasis als Tinkturen gehandelt werden.
Wir unterscheiden zwischen normalen Tinkturen aus getrockneten Pflanzen und sogenannten Urtinkturen, bei denen frische Pflanzen in Alkohol eingelegt werden. Tinkturen für Kinder werden bisweilen ohne Alkohol hergestellt.
Beim Zubereiten nutzen wir ein Keramikmesser, da Metall die Wirkung der Heilkräuter beeinflussen kann. Stellen wir Tinkturen selbst her, können wir jede Art von Weingeist oder klaren Schnaps verwenden, zum Beispiel Korn oder Wodka, aber auch 54-prozentiger Rum ist geeignet.
Beim Schnaps geht es nicht um die Marke, sondern um den Geschmack; Wodka und Korn bieten sich an, da sie relativ geschmacksneutral sind. Es gilt: Je höher die Prozente, desto wirksamer die Tinktur.
Alkohollösungen mit 90 Prozent aus der Apotheke sind indessen wesentlich teurer als der 40-prozentige Doppelkorn vom Supermarkt, und der wirkt ebenfalls. Der ideale Alkoholgehalt hängt allerdings davon ab, welche Pflanzenteile wir verwenden.
Wurzeln, Rinden und Samen extrahieren wir am besten mit einem Alkoholgehalt von 50 bis 70 Prozent, für Früchte hingegen empfehlen sich 30 bis 55 Prozent. Dabei extrahiert Alkohol mit einem bestimmten Gehalt jeweils besondere Stoffe der Pflanzen: Saponine und Glykoside bei 20 bis 40 Prozent, Flavonoide, Bitterstoffe und Gerbstoffe bei 38 und 70 Prozent, ätherische Öle hingegen bei 50 bis 70 Prozent.
Tinkturen nehmen wir immer pur oder mit Wasser zu uns, also nicht mit Zucker, Saft oder Softdrinks. Dies könnte die Wirkung beeinträchtigen.
Für wen sind Tinkturen geeignet?
Leberkranke und Alkoholiker dürfen auf keinen Fall Tinkturen auf Alkoholbasis nutzen. Kinder ab drei Jahren können durchaus Tinkturen anwenden, diese sollten aber wesentlich niedriger dosiert sein als bei Erwachsenen und in Wasser aufgelöst werden – bei Kindern bis zu fünf Jahren sind 10 Prozent der Dosis eines Erwachsenen angebracht. Der Alkoholgehalt entspricht dann natürlichem Apfelsaft oder dem Alkohol, den die Gärung im Körper bildet.
Selbstgemachte Tinkturen
Eine Tinktur stellen wir folgendermaßen her:
- Wir sammeln ein Glas voller Heilkräuter und zerkleinern sie.
- Wir gießen hochprozentigen Klaren darüber.
- Wir verschließen das Glas.
- Wir stellen es an einen Sonnenplatz.
- Wir warten zwei bis vier Wochen.
- Dann filtern wir die Tinktur, zum Beispiel durch einen Teefilter.
- Wir gießen die Flüssigkeit in eine dunkle Flasche.
- Wir beschriften die Flasche mit Datum und Inhalt.
- Von der fertigen Tinktur nehmen wir circa 20-30 Tropfen auf einem Löffel zu uns.
Die Hustentinktur
Für eine Hustentinktur verwenden wir Thymian, Salbei und Ysop. Alle drei wachsen in unserem Kräutergarten. Wir sammeln sie im Juli.
Die Tinktur hilft gegen Erkältungshusten, aber auch gegen eine leichte Bronchitis, außerdem gegen Halsschmerzen. Wir nehmen zwei bis drei mal täglich 10 bis 50 Tropfen zu uns.
Ringelblumentinktur
Ringelblume lindert Wunden, Ekzeme, Entzündungen der Haut und Geschwüre. Die Tinktur hilft außerdem gegen Magenübel, Menstruationsschmerzen und Infektionen des Darms. Wir nehmen für die Tinktur die ausgebildeten Blüten.
Arnikatinktur
Arnikablüten geben wir im Verhältnis von eins zu zehn in den Alkohol und lassen die Flüssigkeit circa zwei Wochen an einem sonnigen Platz stehen. Die Tinktur können wir auch für Wickel verwenden, sie gurgeln oder schlucken. Arnika hilft gegen Verstauchungen und Prellungen.
Baldriantinktur
Vom Baldrian nehmen wir die getrockneten Wurzeln und legen sie im Verhältnis von eins zu fünf in klaren Schnaps ein, lassen sie einen Monat stehen und sieben sie danach ab. Baldriantinktur hilft gegen Stress, Nervosität und bei Schlaflosigkeit.
Gänseblümchentinktur
Vom Gänseblümchen verwenden wir die Blütenköpfe, die Faustregel lautet ein Milliliter Alkohol pro Blütenkopf. Wir lassen sie einen Monat ziehen, schütteln den Extrakt gelegentlich und tragen ihn äußerlich auf. Die Tinktur hilft gegen Akne, Pickel und unreine Haut.
Johanniskrauttinktur
Vom Johanniskraut verarbeiten wir die frischen Blüten, übergießen diese mit Alkohol im Verhältnis eins zu fünf und stellen das Gefäß für zwei Wochen an einen sonnigen Platz. Johanniskraut lindert Muskelkater und Verdauungsstörungen.
Wermuttinktur
Wermut übergießen wir mit Alkohol im Verhältnis eins zu fünf und lassen die Mischung nur fünf Tage ziehen. Wir verdünnen 20-30 Tropfen mit circa 0,1 Liter Wasser, trinken dieses dreimal am Tag mehrere Wochen lang. Die Lösung hilft gegen Appetitlosigkeit.
Kamillentinktur
Wir mischen 10 Gramm Kamillenblüten mit 50 Milliliter Alkohol, lassen die Lösung eine Woche stehen, sieben sie ab und stellen sie für drei Tage in den Kühlschrank. De Tinktur lässt sich gurgeln oder auf Umschläge träufeln. Kamille hilft gegen Entzündungen.
Rosskastanien-Tinktur
Wir schälen 10 Kastanien, hacken diese klein, übergießen sie mit Alkohol, bis die Kastanien bedeckt sind, lassen sie vier Wochen stehen, sieben sie dann ab und füllen die Lösung in eine dunkle Flasche. Die Tinktur hilft gegen Krampfadern.
Misteltinktur
Wir sammeln im März die Stängel, Blätter, Knospen und Früchte der Mistel. Mistel reguliert den Blutdruck, hilft gegen Arteriosklerose, Schwindel, Asthma, Nervosität und Angstgefühle.
Magenbitter
Es gibt hunderte von Magenbittern, die oft primär dem Genuss dienen. Für einen Hausmagenbitter verwenden wir zum Beispiel Angelika- und Löwenzahnwurzel, Wacholder-Beeren und die Blätter der Pfefferminze und setzen diese in Alkohol an. Ein Magenbitter bietet sich bei Völlegefühl und Blähbauch an.
Erkältungstinktur
Für eine Erkältungstinktur setzen wir 30 Gramm Fenchel-Früchte, 10 Gramm Kamillenblüten und 10 Gramm Salbeiblätter in Alkohol an, lassen die Mischung drei Wochen stehen und füllen sie dann in dunkle Flaschen um. Wir können sie gurgeln oder für Umschläge verwenden. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Torsten Purle, Darreichungsformen und Zubereitung von Heilkräutern, kraeuter-buch.de, 30.03.2019, Kräuterbuch
- Rudi Beiser, Helga Ell-Beiser: Heilpflanzen-Tinkturen: Wirksame Pflanzenauszüge selbst gemacht, Verlag Eugen Ulmer (16. März 2017)
- Volger, Eberhard: Brinkhaus, Benno: Kursbuch Naturheilverfahren: für die ärztliche Weiterbildung, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2013
- Christian Sollmann: Pflanzliche Urtinkturen und homöopathische Heilmittel selbst herstellen, AT Verlag; Auflage: 1. Auflage (8. Mai 2014)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.