„Absinth“ leitet sich vom französischen Wort „absinthe“ ab, welches wiederum vom lateinischen „absinthium“ abstammt – und das bezeichnet die Pflanze Wermut. Absinth ist ein hochprozentiges Getränk in smaragdgrün, wobei die Farbe durch das Chlorophyll (grüner Pflanzenfarbstoff) der enthaltenen Kräuter entsteht. Der Wermut gibt diesem Aperitif einen bitteren Geschmack. Andere Kräuter wie Fenchel und Anis fügen weitere Aromen hinzu. Die Pflanze Wermut erwähnte bereits der „Papyrus Ebers“ im antiken Ägypten – es handelt sich also um eine der am frühesten schriftlich überlieferten Heilpflanzen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief zum Wermut
- Wissenschaftlicher Name: Artemisia absinthium
- Volksnamen (Auswahl): Wermutkraut, Echt-Wermut, Bitterer Beifuß, Alsem, Alsam, Wrämt, Wrem, Wörmd, Wörmete, Els, Als, Bitterals, Vermoth, Wärmeden, Wurmkraut, Grabekraut, Hilligbitter, Biermersch, Berzwurz, Pardehan, Marmude
- Familie: Korbblütengewächse (Asteraceae)
- Verbreitung: Ursprünglich Europa und Westasien, heute überall in Mittel- und Südeuropa, Nordafrika und weiten Teilen Asiens, kultiviert in den USA
- Verwendete Pflanzenteile: Das ganze Kraut
- Inhaltsstoffe: Bitterstoffe (Absinthin), Gerbstoffe, ätherisches Öl, Flavone, Ascorbinsäure
- Anwendungsgebiete:
- Verdauungsstörungen
- Appetitlosigkeit
- Blähungen
- Völlegefühl
Wermutkraut
Absinth wird mit Alkohol durch Mazeration und Destillation des Wermutkrautes hergestellt. Außerdem befinden sich in dem hochprozentigen Getränk je nach Rezeptur
- Anis,
- Sternanis,
- Fenchel,
- Ysop,
- Melisse,
- Koriander,
- Wacholder,
- Muskat,
- Kalmus,
- Engelwurz (Angelika)
- und römischer Beifuß.
Wermutkraut enthält 0,15 bis 0,4 Prozent Bitterstoffe (Absinthin, Artabsin, Anabsin), weiterhin 0,2 bis 1,5 Prozent ätherisches Öl mit Bestandteilen wie zum Beispiel Thujon, Isothujon, Chamazulen, Sabinen, trans-Sabinylacetat und Chrysanthenylacetat. Hinzu kommen Flavone, Gerbstoffe und Ascorbinsäure. Das a-Thujon gilt als Auslöser toxischer Wirkungen des Getränks.
Anis und Fenchel
Der im Absinthgetränk enthaltene Anis bietet ätherisches Öl, vor allem trans-Anethol, wenig cis-Anethol und Estragol.
Der verwendete Fenchel verfügt über ätherisches Öl mit Stoffen wie trans-Anethol, Fenchon, Camphen, Myrcen, Limonen, Terpinolen, Estragol, und Dillapiol. Weiterhin enthält er Kieselsäure, Mineralstoffe (unter anderem Calcium, Eisen, Magnesium, Kalium), die Vitamine A, K und E und mit Ausnahme von B12 alle B-Vitamine. Hinzu kommt ein hoher Gehalt an Vitamin C: 247,3 Milligramm bei 100 Gramm der frischen Pflanze.
Thujon
Im ätherischen Öl des Wermutkrauts ist Thujon enthalten. Dieser Stoff wurde für die negativen Wirkungen des Absinthkonsums im 19. Jahrhundert verantwortlich gemacht. Zu diesen gehörten:
- Schwindelanfälle,
- Wahnphasen,
- Halluzinationen,
- Niedergeschlagenheit,
- Krämpfe,
- temporäres oder dauerhaftes Erblinden
- und genereller psychischer und physischer Verfall.
Heute werden viele dieser Symptome eher dem im Absinth enthaltenen Alkohol zugeschrieben. Beides sind Nervengifte, und beide haben zum Teil ähnliche Wirkungen. Thujon löst tatsächlich in höherer Dosierung epileptische Krämpfe aus und führt zu Verwirrung und verzerrten Wahrnehmungen. Das liegt daran, dass Thujon Serotonin-Rezeptoren blockiert.
Die Wissenschaft hat aber auch festgestellt, dass die Thujonmenge im Absinth zu gering ist, um diese Konvulsionen auszulösen. Auch die euphorisierende Wirkung, die bei heutigem Absinth oft beschrieben wird, geht nicht auf das Thujon zurück.
Dass der Thujongehalt in der Vergangenheit wesentlich höher lag, ist unwahrscheinlich, denn dies würde bedeuten, dass mehr Wermutöle oder Wermutextrakte dem Absinth zugefügt worden wären. Dies hätte ihn jedoch in gleichem Ausmaß bitterer gemacht, bis an die Grenze der Ungenießbarkeit – es ist kaum anzunehmen, dass jemand so etwas zum Vergnügen getrunken hätte. Thujon war der Grund, warum Absinth in vielen Ländern verboten wurde.
Alkohol
Historischer Absinth enthielt zwischen 45 und 78 Prozent Alkohol, und der „typische“ Absinthtrinker nahm das Getränk reichlich zu sich. Der „Absinthismus“ erscheint als eine Form des Alkoholismus. 1914 tranken Erwachsene im Mutterland des Absinth, Frankreich, jährlich um die 30 Liter reinen Alkohol, ein Mehrfaches des heutigen Konsums.
Der in historischen Quellen beschriebene „Absinthismus“ unterschied sich nicht von Alkoholismus:
Die Betroffenen verlangten immer mehr nach Absinth; er wirkte immer weniger, obwohl sie die Dosis steigerten; Motivation, Antrieb und Leistung sanken kontinuierlich; irgendwann ersetzte das Gehirn fehlende Erinnerungen durch Erfindungen; Organschäden gesellten sich zu den psychischen Problemen; auf den Rausch folgten schwere Depressionen.
Methanol, Fusel und Gift
Der historische Absinth war oft ein „Arme-Leute-Getränk“, also klassischer Fusel. Der minderwertige Alkohol enthielt oft Amylalkohol und Methanol. Methanol löst wirklich Schwindel, Übelkeit und Kopfschmerzen aus und führt auf Dauer zu den bei chronischen „Absinthisten“ beschriebenen Erblindungen, Schüttellähmungen und auch zum Tod durch Überdosierung.
Wermut – Wirkungen
Wermut ist ein Bittermittel. Seine Bitterstoffe führen zum Ausschütten von Speichel und Magensaft. Im Magen-Darm-Trakt stimulieren sie die Produktion von Gallensäure und Verdauungshormonen. Die Verdauung läuft auf Hochtouren und der Appetit steigt.
Beim Wermut werden diese Wirkungen durch Gerbstoffe noch verstärkt. Die Pflanze ist also ein Heilkraut gegen Appetitlosigkeit, Blähungen und Völlegefühl, und Absinth wurde zuerst auch als Arznei gegen solche Beschwerden verabreicht. Ähnlich wirken Engelwurz (Angelika), gelber Enzian und Tausendgüldenkraut, die sich ebenfalls im Absinth fanden.
Wie wirkt Anis?
Anis gehört neben Wermut ebenfalls zu den klassischen Absinthkräutern. Er ergänzt mit seiner Süße den bitteren Wermut nicht nur im Geschmack, sondern auch in der medizinischen Wirkung. Anis löst festsitzenden Schleim in den Bronchien, fördert das Abhusten bei Erkältungen und lindert die Beschwerden bei einer Nasennebenhöhlenentzündung.
Er entkrampft und verstärkt die Wirkung des Wermuts bei Blähungen und Völlegefühl. Anis steigert auch die Milchbildung bei Stillenden – jedoch sollten Stillende wegen des Thujons und des Alkohols niemals Absinth zu sich nehmen.
Absinth – Die grüne Fee
Die Beifußarten, zu denen auch Wermut gehört, finden sich unter den ältesten schriftlich überlieferten Heilpflanzen, so werden sie im ägyptischen „Papyrus Ebers“ erwähnt, der mehrere Jahrtausende vor Christus entstand. Hippokrates erwähnte Tinkturen beziehungsweise Extrakte aus Beifuß, im Mittelalter empfahl die Geistliche Hildegard von Bingen in Wein gekochten Wermut als Mittel gegen Wurmbefall. In der frühen Neuzeit war Wermutwein aus mit Trauben vergorenen Wermutblättern ein Mittel gegen Magenbeschwerden.
Das Getränk Absinth entstand vermutlich im ausgehenden 18. Jahrhundert in der Schweiz, im Val-de-Travers. Ein nach Preußen geflohener französischer Arzt namens Pierre Ordinaire soll einen „élixir d’absinthe“ als Arznei verabreicht haben. Dieses Rezept gelangte nach seinem Tod an die Familie Henriod, die es an Apotheken verkaufte. Über die Rolle von Ordinaire und der Familie Henriod gibt es unter Historikerinnen und Historikern verschiedene Thesen.
In jedem Fall kaufte 1797 Major Dubied das Rezept von der Familie Henriod und gründete mit seinem Sohn Marcellin und seinem Schwiegersohn Henri Louis Pernod die erste offizielle Absinth-Brennerei. Nach kurzer Zeit schon produzierten sie 400 Liter am Tag. Der Erfolg fand schnell Nachahmer und bald gab es eine Fülle von Absinthherstellern in Frankreich.
Ursprünglich war das Getränk ein Arzneimittel, avancierte aber schnell zum Rauschgetränk, besonders Künstler liebten es. Absinth bekam den Namen „Grüne Fee“ wegen der smaragdgrünen Farbe, die sich beim Verdünnen mit Wasser milchig weiß färbt. Zu den berühmten Absinthisten gehörten Vincent Van Gogh und sein Freund Paul Gauguin, Koryphäen der schwarzen Romantik wie Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe, Oscar Wilde, Ernest Hemingway und Pablo Picasso.
Absinthisten und Abolition
Im frühen 20. Jahrhundert war Absinth äußerst populär, und der körperliche wie psychische Verfall vieler „Absinthisten“ ließ staatliche Behörden Alarm schlagen. Das im Wermut enthaltene Thujon galt als das Gift, das die Gesundheitsschäden auslöste. Mehrere Staaten Europas hatten 1915 den Absinth verboten, ebenso die USA.
Aktuelle Studien und auch ein Vergleich der bei „Absinthisten“ beschriebenen Symptome mit den Beschwerden bei chronischem Alkoholmissbrauch zeigten keine Schäden, die von Alkoholismus abweichen. Nicht das in geringeren Mengen im Getränk vorhandene Thujon, sondern die Menge und Qualität des konsumierten Alkohols gelten heute als „Schuldige“ für die negativen Auswirkungen des historischen „Absinthismus“. Deshalb erlaubten die meisten Staaten Europas den Verkauf von Absinth seit 1998 wieder.
Absinth kaufen
Aktuell gibt es so viele Absinthsorten, dass die Auswahl schwerfällt. So hat der Adnams Rouge sogar eine rote Farbe, da er mit Blüten des Hibiskus hergestellt wird; manche Absinthe schmecken zitronig und nach Pfefferminze, andere traditionell nach dem Trio Wermut, Anis und Fenchel. Der Roquette 1797 ist nach dem Rezept von Ordinaire hergestellt – Roquette hieß dessen Pferd.
Die höchste Qualitätsstufe ist der Absinthe Verte, der aus Wermut, grünem Anis, Fenchel und weiteren Kräutern mittels Destillation hergestellt wird. Nach der Destillation bekommt er eine besonders intensive grüne Farbe, für die vor allem pontischer Beifuß (Artemisia pontica) verantwortlich ist. Er hat mindestens 64 Prozent Alkohol, bei niedrigerem Alkoholgehalt verblasst das Grün. Historisch war dies die einzige Form des Absinth.
Absinth trinken
Absinth der höchsten Qualitätsstufen wird in der Regel mit Wasser verdünnt getrunken. Er färbt sich dann milchig weiß. Das Wasser sollte keine Kohlensäure enthalten und eiskalt sein. Pur sind die meisten Absinthsorten viel zu stark, außerdem entfalten sich die Aromen erst durch das Mischen mit Wasser. Ein Drittel Absinth und zwei bis drei Teile Wasser ergeben die optimale Mischung.
Das Wasser sollte langsam in den Absinth tropfen, weil sich so die ätherischen Öle der Kräuter besser lösen können. Fügen wir das Wasser Tropfen für Tropfen hinzu, können sich die unterschiedlichen Öle im jeweiligen Wasser-Alkohol-Verhältnis besser entfalten. Füllen wir das Wasser hingegen zu schnell ein, wird der Absinth nicht milchig trüb, sondern wässrig. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
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- Nitsche, Diana Kerstin: Absinth. Medizin- und Kulturgeschichte einer Genussdroge, Dissertation an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg, Heidelberg 2005
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Risikobewertung von Pflanzen und pflanzlichen Zubereitungen 2., ergänzte Auflage, Berlin 2013 (Abruf: 29.9.2020), BfR
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