Acker-Witwenblume war historisch ein Heilkraut gegen Krätze und andere Hautkrankheiten. Heute hat sie in der Medizin an Bedeutung verloren – vermutlich, weil es andere effektive Mittel gibt. Sie ist eine typische Pflanze extensiv bewirtschafteter Felder und Wiesen und gehört zu den wichtigsten Nährblumen für bedrohte Insekten.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Knautia arvensis
- Volksnamen: Nähkisselchen, Wiesenskabiose, Scabiosenkraut, Wiesen-Witwenblume, Feld-Witwenblume, Krätz-Kraut, Kratzkraut, Grindkraut, Ackergrindkraut, Honigblume, Wiesenknautie, Witwenblume; diverse regionale Bezeichnungen: Knopfblume, Krähenschnabel, Pfannenstiel, Müllerknopf, Domherrenknöpfe, Sackuhr, Fotzmäuler, Läuseblume
- Familie: Geißblattgewächse (Caprifoliaceae)
- Verbreitung: Ursrprünglich Europa, Kaukasus, Kasachstan und der Westen Sibiriens sowie Tunesien. Als Neophyt im Osten Sibiriens, in Argentinien und Nordamerika.
- Verwendete Pflanzenteile: Die getrockneten und zerkleinerten Blätter, die frischen oberirdischen Teile, historisch auch die Wurzel
- Inhaltsstoffe: Gerbstoffe, Bitterstoffe, Gerbsäure und Triterpenglykoside
- Anwendungsgebiete: Krätze und andere Hauterkrankungen wie Akne, Ekzeme, Geschwüre, Abszesse und Furunkel, Läuse, Milben, Flöhe; Harntrieb (Diuretikum), Blutreinigung, Wundbehandlung (zusammenziehende Wirkung), Juckreiz, Wurmbefall, Husten, Erkrankungen der Atemwege
Witwenblume – eine Übersicht
- Die alte Bezeichnung „Scabiosa“ leitet sich ab vom lateinischen „scabies“ für Krätze, denn genau gegen diese von Milben verursachte Hautkrankheit wurde die Pflanze eingesetzt.
- Der Artname „arvensis“ verweist hingegen auf den Lebensraum der Pflanze. Das lateinische Wort „arvum“ bedeutet „Saatfeld“ oder „Weidestelle“.
- Acker-Witwenblume wächst besonders gerne in voller Sonne auf trockenen Wiesen und Weiden, auch auf Feldrainen (den unbebauten Flächen zwischen zwei Äckern) oder in offenem Buschland, auf Halbtrockenrasen, an Weg- und Waldrändern sowie in Saumbiotopen.
- Kräuterbücher der frühen Neuzeit erwähnten die Pflanze als „Herba Scabiosae“ und empfahlen Blüten, Kraut und Wurzel als Arzneien.
- In der Volksheilkunde wurde Witwenblume gegen akute und chronische Hauterkrankungen eingesetzt: Schuppenflechte, Krätze („Krätz-Kraut“), Ekzeme, Hautausschlag auf dem Kopf mit Bildung von Schorf („Grindkraut“), und auch gegen die durch Papillomaviren ausgelösten Feigwarzen im Genitalbereich.
- Die Acker-Witwenblume ist konkurrenzschwach und bevorzugt Magerwiesen. Deswegen finden wir sie heute in Deutschland weit seltener als in der kleinteiligen vorindustriellen Landwirtschaft.
- In Deutschland gibt es nur die Acker-Witwenblume und die Wald-Witwenblume. In Norddeutschland kommt sogar nur die erste der beiden vor. Die Wald-Witwenblume liebt feuchte Böden, Auwälder und kühlere Orte, vor allem zwischen 400 und 2000 Meter Höhe.
- Witwenblumen haben nur vier Kronenblätter, die leicht mit ihnen verwechselbaren Skabiosen fünf. Ein Blatt der Knautien erschien also verwitwet, und daher leitet sich vermutlich der Name ab. Tauben-Skabiose lässt sich nur durch den Vergleich der Blätter und des Fruchtstandes eindeutig von Witwenblumen unterscheiden.
Acker-Witwenblume – Inhaltsstoffe
Die Pflanze liefert Gerbstoffe, Bitterstoffe, Gerbsäure und Triterpenglykoside. Zu den bioaktiven Stoffen zählen Cryptochlorogensäure, Chlorogensäure und Glucopyranoside. Acker-Witwenblume enthält Iridoide wie Dipsacan, Triterpene wie Ursolsäure, Triterpensaponine wie Knautiosid, Phytosterole (pflanzliche Hormone), Flavonoide und Kaffeesäurederivate. Eine neues C-6 Flavon Glycosid wurde in einer Studie 2011 zusammen mit sieben anderen Substanzen aus der Pflanze isoliert.
Medizinische Wirkungen
Wissenschaftliche Untersuchungen zu medizinhistorisch überlieferten Anwendungen der Acker-Witwenblume sind kaum vorhanden. Insofern lässt sich nicht valide belegen, ob traditionelle Therapien mit Kraut, Blüten und Wurzel bei folgenden Beschwerden effektiv sind: Orale Einnahme bei Husten, Fadenwürmern und Entzündungen im Hals, äußerlich aufgetragen bei Blutergüssen, Ekzemen, Geschwüren, entzündeter Haut im Analbereich, Jucken im After- und Genitalbereich und Krätze.
Inhaltsstoffe des „Krätz-Kraut“ legen mögliche Wirkungen nahe: Adstringierend (Bindegewebe zusammenziehend, was die Wundheilung fördert), diuretisch (regt den Harntrieb an), sowie die Verdauung beziehungsweise die Darmaktivität fördernd (Bitterstoffe, Gerbstoffe). Bestimmte Flavonoide wirken sich ausgleichend auf die Darmfunktionen aus, laut einer Doktorarbeit an der Universität Kiel 2012.
Witwenblume in Medizingeschichte und Volksmedizin
Lonicerus Kreuterbuch von 1564 empfahl das „Skabiosenkraut“ gegen Grind und Aussatz, die Wurzel zudem gegen Brustenge, Brustgeschwüre, Seitenstechen, zur Blutreinigung und Wundheilung sowie bei inneren Abszessen, äußerlich bei Krätze, Hautflechte und Feigwarzen. In der frühen Neuzeit galt Witwenblume auch als Mittel gegen Typhus und andere Fiebererkrankungen, gegen Schlangenbisse und Gelenkverletzungen.
Leonhardt Fuchs (1501-1566) sah das „Apostekraut“ als Arznei gegen krustenbildenden Hautausschlag und Räude. Man solle dafür die Pflanze zerstoßen und den Körper damit einreiben. Um Milben abzutöten, solle man das Haar mit einer Lauge aus dem Kraut waschen.
Der englische Kräuterkundler John Gerard schrieb im 16. Jahrhundert, eine Infusion aus Witwenblume zu trinken wäre ideal, um Hautbeschwerden zu heilen, und würde Schweißfluss auslösen, der das Herz von Erkrankungen befreie. In Dänemark wurde Witwenblume gegen Brusterkrankungen, Krätze und Ausschlag eingesetzt, in Polen, um Durchfall zu beenden und Wunden zu behandeln, in Ungarn gegen Tuberkulose, Krätze und Wurmbefall.
Medizinische Anwendungen
Medizinisch eingesetzt wurde ein Tee aus den frischen oder getrockneten Blüten und Blättern. Dazu lässt sich rund ein Teelöffel frische oder ein halber Teelöffel getrocknete Blätter / Blüten mit einer Tasse heißem Wasser aufgießen und nach zehn Minuten trinken. Davon wurden täglich zwei bis drei Tassen pro Tag konsumiert. Dieser Tee sollte mehrere Wochen eingenommen werden.
Umschläge mit dem Tee wurden auf die Hautregionen gelegt, die von Ausschlag, Ekzemen, Krätze et cetera betroffen waren. Auch die frischen Blätter selbst wurden genutzt und zum Beispiel direkt auf juckende Stellen im Analbereich gelegt oder gegen Spulwürmer gegessen. Für Waschungen und Bäder wurde der Tee in Bade- und Waschwasser gegossen.
Sicherheit und Nebenwirkungen
Nebenwirkungen sind nicht bekannt – weder allergene noch phototoxische, wie sie bei anderen Wiesenblumen auftreten können. Es gibt jedoch zu wenige wissenschaftliche Studien, um definitiv zu sagen, ob Ackerblume unbedenklich ist. Da solche Untersuchungen fehlen, sollten Schwangere und Stillende keine Produkte aus dieser Pflanze zu sich nehmen.
Acker-Witwenblume – Kennzeichen
Acker-Witwenblume ist eine mehrjährige Krautpflanze, die im Sommer grünt und den Winter im Rhizom (Wurzelgeflecht) überdauert. Die Blütenstände sind typisch kopfförmig, wölben sich und tragen raue Haare. Ein Blütenkorb enthält bis zu 50 kleine Blüten. Diese haben eine rosa oder sanft violette Farbe.
Lebensraum
Acker-Witwenblume wächst auf Wiesen, an Wegrändern und auf Halbtrockenrasen und gerne auf extensiv bewirtschafteten Äckern, so die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Sie bevorzugt kalkhaltigen Boden. Sie gehört zum Pflanzenspektrum magerer Glatthaferwiesen und dem dortigen lückigen Aufbau, zusammen mit Wiesen-Salbei, Wilder Möhre, Margerite, Wiesen-Flockenblume, Glatthafer, Frauenmantel, Wiesen-Schaumkraut, Wiesen-Glockenblume oder Großem Wiesenknopf.
Ökologische Bedeutung
Acker-Witwenblume gehört zu den wichtigsten Nektarblumen für Wildhummeln, Wildbienen, Schmetterlinge und andere Insekten, unter anderem, weil auch Tiere mit kurzem Rüssel an den Nektar gelangen. Der Skabiosen-Scheckenfalter ist sogar auf diese und ähnliche Blumen spezialisiert. In Schmetterlingswiesen findet sie sich zusammen mit Wilder Malve, Barbarakraut, Borretsch, Natternkopf, Steinklee, Ackersenf und Wilder Karde.
Witwenblume in der Küche
Witwenblume eignet sich als Zutat in der Kräuterküche. Dazu sammeln Sie die Blätter und Blüten im Juli und August.
Die frischen jungen Blätter passen in Wildkräuter-Pestos, Salate, Suppen, Saucen und Omeletts. Sie schmecken allerdings bitter-würzig, deswegen sollten Sie die Blätter vor Gebrauch zwei Stunden in warmes Wasser einlegen. Auch für Smoothies, Bratlinge oder Kräuterquark eignen sich die Blätter. Die milden Blüten passen zu Salaten, in Süßspeisen, zu Gemüse oder auf Dips. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Brigitte Bartha-Pichler, Markus Zuber und Theo Geiser: Teufelsfeige und Witwenblume: Historische Zierpflanzen – Geschichte, Verwendung, Botanik. Basel, 2010
- Karl Hiller, Matthias Melzig: Lexikon der Heilpflanzen und Drogen. 1. Band A-K, Heidelberg / Berlin, 1999
- Landesanstalt für Umwelt Baden-Würtemberg: FFH-Lebensraumtyp 6510 - Magere Flachland-Mähwiesen (abgerufen am 13.10.2021), LUBW
- Jaroslaw Moldoch, Barbara Szajwaj, Milena Massulo et al.:Phenolic Constituents of Knautia arvensis Aerial Parts; in: Natural product communications, Volume 6, Issue 11, Seiten 1627-1630, 2011 , SAGE journals
- Bettina Schwanck: Flavonoide als potentielle Inhibitoren des darmständigen Natrium-abhängigen GlucoseCotransporters 1 (SGLT1). Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel, 2012 , Uni Kiel
- Dr. Michael Tierra: Herbal Medicine in Shakespeare’s England. From Dr. John Hall’s Case Studies; East West School of Planetary Herbology™ (abgerufen am 13.10.2021), Planetherbs
- Verbrauchergesundheit: Amtsblatt der Europäischen Union vom 09. Februar 2006 (abgerufen am 13.10.2021), Verbrauchergesundheit
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.