Die Kermesbeere stammt aus Nordamerika und diente dort lebenden Indigenen als Heilpflanze gegen Entzündungen und sogar als Mittel gegen Tumore. Sie ein wirksames Brechmittel – wegen toxischer Effekte aber nur sehr eingeschränkt zu empfehlen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Phytolacca americana
- Volksnamen: Schminkbeere, Scharlachbeere, Tintenbeere (ink berry), Spanische Brombeere, Virginische Purgaz, Kermazelteln, Kermas, Amerikanischer Nachtschatten, Goldene Jungfrau, Unsengkraut, Petrusstab, Fuchsschwanz, Heidnisch Wundkraut, Zähnwehkraut, Goldblume, Goldwundkraut, Schoßkraut, Braunstängel, St. Peterskraut, Wundkraut
- Verwendete Pflanzenteile: Beeren, Samen, Blätter, Wurzeln
- Anwendungen: In der traditionellen Medizin als Abführ- und Brechmittel, bei rheumatischen Beschwerden, Gicht, Entzündungen in Mund und Rachen oder auf der Haut durch Pilze und andere Mikroben, Verdauungsbeschwerden sowie zur Wundheilung.
Inhaltsstoffe
Die Kermesbeere enthält Phytolaccanin, einen scharlachroten Farbstoff, der das Aglykon Phytolaccagenin bildet, Phytolaccoside, Saponinglykoside, Harze, Gerbstoffe, fettes Öl, Enzyme, Lignane, Lectine (Pokeweed-Mitogene). Die Wurzel bietet Alpha-Spinasterol, Histamin sowie Gamma-Aminobuttersäure.
Wirkungen
Kermesbeere wirkt gegen Entzündungen, Viren und Pilze, fördert die Immunabwehr und hat schmerzstillende Effekte. Die Wurzel ist ein starkes Brechmittel – wirksam im Notfall, wenn jemand Gift oder gefährliche Substanzen verschluckt hat, aber wegen toxischer Wirkungen in höheren Dosierungen nicht ungefährlich. Die Blätter sind essbar, durch ihren Gehalt an Saponinen wirken sie in größeren Mengen aber ebenfalls als Brechmittel.
Toxische Wirkung
Die Effekte als Brechmittel und als Verdauungshilfe bei Verstopfung sind zugleich toxische Wirkungen. Die Samen sind giftiger als die Wurzel, die Wurzel ist giftiger als die Blätter, die Blätter sind toxischer als der Stamm, die unreifen Früchte giftiger als die reifen Früchte.
Toxisch wirkt die gesamte Pflanze – bedingt durch die Triterpensaponine. Deren Konzentration ist in den Samen und in der Wurzel am höchsten. Die verwandte Art Phytolacca acinosa var. esculenta enthält weniger Saponine als Phytolacca americana und lässt sich somit besser verwenden.
Die Menge der Saponine schwankt von Pflanze zu Pflanze. Als Faustregel gilt: Bis zu zehn Beeren können Sie als erwachsener Mensch ohne Probleme einnehmen; kleine Kinder sollten den Verzehr unterlassen, da schon eine geringere Menge für sie toxisch wirken kann. Vergiftungserscheinungen sind Übelkeit und Erbrechen (Brechmittel), Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, Durchfall und Krämpfe.
Pokeweed – Indianische Medizin
Amerikanische Ureinwohner setzten die Wurzeln der Kermesbeere gegen
- Katarrhe,
- Dyspepsie,
- Entzündungen in Mund und Rachen,
- Krätze,
- Geschwüre
- und als Brechmittel
ein. Ein Extrakt diente als Mittel gegen Tumore. Die Delawaren nutzten die Pflanze, um das Herz zu stimulieren; indigene Kulturen in Virginia behandelten damit Krebs und Rheumatismus. Native Americans der Rocky Mountains behandelten mit Pokeweed Epilepsie, Ängstlichkeit und neurologische Störungen. Die Paiute fermentierten die Beeren in Wasser und bereiteten daraus einen Narkosetee zu.
Kermesbeere – Volksmedizin, Mythos und Homöopathie
Die Amerikanische Kermesbeere und noch mehr ihre nahen Verwandten wie die Asiatische Kermesbeere wurden (und werden) in der Volksheilkunde vielfach innerlich und äußerlich eingesetzt. So sollten Extrakte aus den Blättern gegen Schmerzen in den Milchdrüsen von Frauen wirken, bei Mandelentzündung und anderen Halsschmerzen helfen sowie bei grippalen Infekten, äußerlich aufgetragen gegen Hautentzündungen, Geschwüre, Ekzeme, rheumatische Schmerzen und gegen Schmerzen der Gicht.
Die Homöopathie nutzt Extrakte aus der Kermesbeere bei Angina, Beschwerden der Atemwege, des Lymphsystems, bei Entzündungen in Mund und Rachen sowie bei Rheuma. Da diese Extrakte extrem verdünnt sind, besteht nicht die Gefahr einer Vergiftung, da sie keine nachweisbaren bioaktiven Stoffe enthalten – allerdings ist ihre medizinische Wirkung bislang nicht belegt.
Kermesbeere in der Frauenheilkunde
In der Frauenheilkunde der Volksmedizin galt Kermesbeere als Mittel gegen Stillprobleme, zum Beispiel gegen einen Milchstau, eine entzündete Brust oder bei zu wenig Muttermilch. Sie sollte auch beim Abstillen helfen und ebenso gegen Brustschmerzen beim prämenstruellen Syndrom (PMS).
Anwendung
Die Kermesbeere fällt als Gartenpflanze unter die Giftpflanzen, mit denen Kinder nicht in Berührung kommen sollten. Von einer innerlichen Anwendung sollten Sie wegen der Gefahr einer Vergiftung absehen.
Gegen Mandelentzündung oder Entzündungen des Rachenraums gibt es geeignetere, wirksame Arzneien, die ungefährlich sind – bei Bakterien als Auslöser Antibiotika, bei viralen Infekten schmerzstillende Medikamente. Äußerlich können Sie Tees und Extrakte aus den Wurzeln und / oder Blättern gegen rheumatische Schmerzen einsetzen und auch gegen Hautentzündungen.
Woher stammt der Name?
“Phyton” bedeutet im Griechischen Pflanze und “lacca” im Italienischen Lack. Kermes ist aus dem Arabischen übernommen und bedeutet Rot. Mehr denn als Heilpflanze oder Gift diente die Kermesbeere in der Vergangenheit dazu, Süßigkeiten und Rotwein einzufärben. Das Scharlachrot leuchtet intensiv. In den USA heißt sie auch „Inkweed“ oder „Inkberry“, also Tintenbeere. Im amerikanischen Bürgerkrieg schrieben Soldaten Briefe mit dem roten Saft der Beeren.
Kermesbeere erkennen
Die Kermesbeere blüht weiß in dichten Trauben von Juli bis August. Die Blätter sind elliptisch, die Pflanze wächst bis zu zwei Meter hoch. Sie ist in ganz Deutschland als Zierpflanze verbreitet, in Süddeutschland ist sie vielerorts als invasiver Neophyt vorhanden. Aus den Blüten entwickeln sich die typischen scharlachroten bis purpurschwarzen Beeren.
In Norddeutschland breitet sie sich derzeit noch weniger aus, da Pokeweed sonnigere Standorte bevorzugt. Sie besiedelt als erfolgreicher Neuankömmling Brachflächen wie Schuttplätze, Bahndämme oder leer stehende Grundstücke. Ihren „Siegeszug“ in Mitteleuropa trat sie an, als Kermesbeeren aus botanischen Gärten verwilderten.
Ein invasiver Neophyt
Fachleute raten dringend, die Verbreitung von Phytolacca frühzeitig einzudämmen, falls keine dichten Bestände erwünscht sind. Kermesbeere ist konkurrenzstark, und sie verdrängt andere Pflanzenarten mit ähnlichen Ansprüchen. Sobald die Pflanzen ihre Samen streuen, wird es sehr mühsam und teuer, sie vollständig zu entfernen. Um die Verbreitung zu bekämpfen, sollten die Pflanzen mit der gesamten Wurzel vor dem Aussamen entfernt werden.
Die herausgegrabenen Kermesbeeren dürfen nicht auf einem Grünhaufen lagern, sondern sollten verbrannt werden. Die Pflanzen auf einen Haufen zu werfen führt zum Gegenteil des Erwünschten: Die Beeren reifen nach und liefern so Samen in Hülle und Fülle, und die in einem Grünhaufen entstehende Wärme sowie Feuchtigkeit ermöglicht das Sprießen sekundärer Wurzeln bei Sprossstücken ebenso wie das Austreiben alter Wurzeln.
Um zu verhindern, dass Kermesbeeren und andere invasive Neophyten Waldgebiete schädigen, achten Sie bitte darauf, keine Grünabfälle aus dem Garten im Wald zu entsorgen. Falls Sie bereits einen dichten Bestand haben in ihrem Garten und diesen entfernen wollen, sollten Sie langärmlige Kleidung und eine Schutzbrille tragen sowie eine Atemmaske aufsetzen. Beim Zerstäuben des Pflanzensaftes kann dieser in die Schleimhäute dringen und so die Augen, Nase und den Rachenraum reizen.
Gewinner der Klimaerwärmung
Die Amerikanische Kermesbeere hat ihr Potenzial als Neophyt noch lange nicht vollständig ausgeschöpft. Sie wird vermutlich in den nächsten Jahren entlang der Flüsse neues Territorium erschließen. Als Sonnenliebhaber gehört sie zu den „Gewinnern“ des Klimawandels und könnte sich weiter nach Norden ausbreiten.
Pokeweed als Heilpflanze – Ausblick
Amerikanische Kermesbeere ist mehr eine Gift- als eine Heilpflanze. Selbstversuche, die Wurzeln, Blätter, Rinde oder Beeren innerlich als Tee anzuwenden, sollten unterbleiben. Eine äußere Anwendung gegen Hautentzündungen ist möglich, bei unerwünschten Wirkungen wie Rötungen oder Schmerzen sollte der Extrakt aber unmittelbar abgewaschen werden. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mardones, V. O.: A Description of Phytolacca americana and the Basis of its Ribosome Inactivating and Mitogenic Constituents, Senior Research Paper, (Abruf 19.02.2020), academia
- The European Agency for the Evaluation of Medicinal Products, Veterinary Medicines Evaluation Unit: Committee for veterinary medicinal products, Phytolacca Americana, summary report, EMEA/MRL/600/99-FINAL, April 1999, ema
- He, Yong-Wen et al.: Inhibition of hepatitis B virus relication by pokeweed antivrial protein in vitro. In: World J Gastroenterol. 14 (10): 1592-1597. März 2008, Baishideng
- Horii, Yasuhiro, Hhirano, Toshio: Pokeweed Mitogen (PWM) in: Encyclopedia of Immunology. 1998, sciencedirect
- Fatih, M. et al.: Use of a novel colony assay to evaluate the cytotoxicity of an immunotoxin containing pokeweed antiviral protein against blast progenitor cells freshly obtained from patients with common B-lineage acute lymphoblastic leukemia. In: J Exp Med, 163 (2): 347–368, 1986, JEM
- Neller, Kira C. M. et al.: The Pokeweed Leaf mRNA Transcriptome and Its Regulation by Jasmonic Acid. In: Plant Sci. 2016; 7: 283. Published online 2016 Mar 16, frontiers
Wichtiger Hinweis:
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