Bärwurz dient wie seine Verwandten Kerbel und Petersilie als Gewürzkraut, fördert die Verdauung und regt den Appetit an. Die Pflanze wird mit Honig zu einer „Heilnahrung“ verarbeitet, ihre Wurzel kann als Tee zubereitet werden. Bärwurz gedeiht auf Berg-Mähwiesen in den Silikatgebirgen Mittel- wie Westeuropas mit atlantisch geprägtem Klima, an den Klippen Schottlands wie in den Schluchten des Schwarzwalds.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Meum athamanticum
- Volksnamen: Haarblätterige Bärwurz, Gebärwurz, Hausmark, Wilder Fenchel, Bärdill, Bärkümmel, Berwurtz, Bergpudel, Bärpudel, Herzwurz, Herzwurzel, Herzwurzen, Köppernicke, Köppernickel, Meon, Meum, Bärnzotten, Bärmutterkraut, Beerwurz, Bergbärwurz, Bärenfenchel, Bärfenchel, Saufenchel, Bärwurz-Gleiss, Gleiße mit Blättern, Waldfenchel
- Verbreitung: Mittel- und Westeuropa, östlich bis Bulgarien, südwestlich bis Marokko
- Verwendete Pflanzenteile: Blätter, Wurzel, Samen
- Inhaltsstoffe: Unter anderem Öle, Harz, Kaffeesäure, Phthalid, Ligustilid, Monoterpene, Zucker
- Anwendungsgebiete: Appetit anregen, Verdauung fördern, Blähungen und Völlegefühl lindern
Bärwurz – eine Übersicht
- Bärwurz ist ein Verwandter der Petersilie, des Kerbels und des Anis.
- Wurzel und Blätter dienen als Gewürz ebenso wie als Heilkraut.
- Bärwurz braucht dauerhaft hohe Luftfeuchte und gedeiht auf durchlässig-feuchten Böden. Sie bevorzugt Weiderasen und Geröllfelder in Bergregionen bis zur subalpinen Zone.
- Die Pflanze riecht und schmeckt stark nach Liebstöckel, Petersilie und Sellerie – scharf und süß zugleich.
- Die schlanke Wurzel ist mit dichtem „Pelz“ bedeckt, womöglich rührt daher der Name „Bärenwurzel“. Der volkstümliche Name Bärwurz könnte aber ebenso von „Gebärwurz“ stammen, da die Wurzel gegen Beschwerden der Gebärmutter zum Einsatz kam.
- Eine traditionelle Heilnahrung ist der Bärwurzbirnenhonig, der neben der getrockneten Bärwurz noch andere Kräuter enthält.
Inhaltsstoffe
Eine spanische Studie fasste zusammen: Inhaltsstoffe der Bärwurz sind unter anderem Harze, Fette, ätherische Öle, Phthalid, Monoterpene, Ligustilid, Phenylacrylsäuren wie die Kaffeesäure, Zucker, Stärke und Gummi.
In einer deutschen Studie von 2006 fanden sich als Hauptkomponenten monoterpene Hydrocarbone, Limonene, Alpha-Phellandren, Myrcene und Beta-Ocimene.
Medizinische Anwendungen
In der Heilkunde wurde (und wird gelegentlich immer noch) vor allem die Wurzel eingesetzt. Diese soll den Appetit anregen, die Verdauung und den Auswurf fördern sowie Blähungen mindern. Eingesetzt wird sie bei Völlegefühl, leichten Darmleiden und Menstruationsbeschwerden.
Zu diesen Wirkungen gibt es indessen keine neuen Studien, und in der medizinischen Forschung spielt Bärwurz heute keine Rolle. Indessen wurden in den letzten Jahrzehnten zuvor unbekannte Substanzen im ätherischen Öl der Pflanze entdeckt.
Die frischen Blätter werden in der Küche wie Petersilie genutzt, und wie verwandte Doldenblütler fördern sie die Verdauung und regen den Appetit an. Zu Heilzwecken wird die Wurzel als Tee gekocht, die Blätter werden zerpresst, damit der Saft austritt, und auf Umschläge gelegt, die gegen Gicht und Hauterkrankungen helfen sollen.
Bärwurz-Tee
Innerlich wird Bärwurz als Tee eingesetzt, um Verdauungsbeschwerden zu lindern. Dafür gießen Sie einen Teelöffel der getrockneten Blätter mit 250 Milliliter kochend heißem Wasser auf, lassen alles zehn Minuten ziehen, seihen es ab und trinken es.
Auch die Samen der Bärwurz können Sie als Tee zu sich nehmen, dann sollte der Tee aber rund 20 Minuten ziehen. Tee aus Bärwurzsamen ist in der Volksheilkunde ein Mittel gegen Appetitlosigkeit und Blasenleiden.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen
Bärwurz wurde in klinischen Studien nur am Rand beachtet. Deswegen gab es auch keine klinischen Studien zum Risiko, und weder ESCOP noch Kommission E führen Monographien über die Pflanze.
Da klinische Studien fehlen, sollten Sie zur Sicherheit die Pflanze nicht zu sich nehmen, wenn Sie schwanger sind oder stillen. Nicht einnehmen sollten Sie Bärwurz außerdem, wenn Sie auf Doldenblütler allergisch reagieren. Generell ist Bärwurz leicht verträglich und vielfältig nutzbar.
Bärwurz in Volksmedizin und Medizingeschichte
Heute ist Bärwurz als Heilpflanze weitgehend unbekannt. Dabei hatte die Pflanze in den Lehrbüchern der Medizingeschichte einen festen Platz. Der griechische Arzt Dioskurides erwähnte sie im ersten Jahrhundert, und Galenos im Jahrhundert darauf. Ihnen galt sie als Mittel gegen Harnverhalt und Gelenkschmerzen.
Hildegard von Bingen (1098-1179) empfahl Bärwurz als Mittel gegen Fieber und Gicht; Hieronymus Bock (1498-1554) nahm sie in sein Kräuterbuch auf, sein Schüler Jakob Dietrich (1522-1590) sah in ihr eine Zutat zum „Allheilmittel“ Theriak. Bärwurz wurde in Klostergärten angepflanzt.
Im 16. Jahrhundert war Bärwurz eine wichtige Pflanze in der „Rossarznei“, also der auf Pferde spezialisierten Tiermedizin. Im 19. Jahrhundert spielte getrocknete Bärwurz noch eine Rolle in der Tiermedizin, um Verdauungsbeschwerden des Viehs zu behandeln.
Aus der Humanmedizin verschwand sie langsam, wurde aber weiterhin als Küchengewürz genutzt – dabei lassen sich die Effekte des Gewürzes gegen Völlegefühl, Blähungen und Verdauungsprobleme von den medizinischen Wirkungen nicht strikt trennen.
Indessen erzielen viele Pflanzen gleiche oder bessere Ergebnisse, um Beschwerden des Magen-Darm-Traktes zu lindern. Bärwurz steht hier in einer Reihe mit Tausendgüldenkraut, Mariendistel, Pfefferminze, Rosmarin, Melisse, Bockshornklee, Ingwerwurzel, Knoblauch, Lavendel, Fenchel, Kümmel, Löwenzahn oder Kurkuma.
Die Volksheilkunde nutzte Bärwurz, um diverse Krankheiten zu behandeln: Darmentzündungen, Gelbsucht (Ikterus), Blasen-, Nieren- und Harnwegsleiden, Gicht, Vergiftungen, Weißfluss, Koliken (schmerzhafte Krämpfe) oder Herzerkrankungen. Äußerlich eingesetzt diente sie als Mittel gegen Hautausschlag und arthritische Schmerzen.
Bärwurz in der Küche
Bärwurz lässt sich vielseitig verwenden, hat indessen einen kräftigen Eigengeschmack. Blätter und Samen können mitkochen, da sich die Geschmacksstoffe nicht verflüchtigen. Die Blätter harmonieren geschmacklich mit Schnittlauch und passen kleingehackt sehr gut in Kräuterquarks, Kräuterjoghurt oder Kräuterkäse. Im Erzgebirge gibt es eine „Köppernickel-Suppe“ mit dem Hauptgewürzkraut Bärwurz.
Im Schwarzwald ist eine Spezialität Kräutersalz mit Bärwurz. Das Kraut wird dafür vor der Blüte gesammelt, im Schatten getrocknet, klein geschnitten und unter Meersalz gemischt. Zusammen mit Milch, Sahne, Salz, Pfeffer, Lauch, Dill und Gemüsebrühe ergeben Bärwurzblätter eine cremig-frische Suppe.
Bärwurz-Schnaps
In Bayern, besonders im Bayerischen Wald, wird Bärwurz-Schnaps hergestellt und in Steingutflaschen verkauft. Grundlage ist entweder Bärwurz oder Mutterwurz (Ligusticum mutellina). Bärwurzschnaps wird in dieser Region traditionell nach dem Essen getrunken, da er die Verdauung fördert und Völlegefühle lindert.
Den Ausschlag geben dabei, wie generell bei Kräuterschnäpsen, die verdauungsfördernden Stoffe der Pflanze, nicht der Alkohol. Ein Kräutertee mit Bärwurz hätte also dieselbe Wirkung, wäre jedoch deutlich gesünder, da er keinen Alkohol enthält.
Im Bayerischen Wald wird die Pflanze per Hand gesammelt, aber auch speziell für den Schnaps hergestellt. Das genaue Rezept ist ein Betriebsgeheimnis der jeweiligen Brennereien.
Als Methode dient das Heißextrahieren mit Alkohol, das Destillat enthält dann den Alkohol ebenso wie die Aromastoffe der Pflanze. Der hoch konzentrierte Alkohol wird danach mit Wasser verdünnt, bis er mit 40 bis 45 Prozent trinkbar ist. Das Aroma soll an Moos und Walderde erinnern.
Sammelzeit
Die weichen Bärwurzblätter können Sie von April bis September sammeln, die Blüten im April und Mai. Die Wurzel sollte im Herbst oder Frühjahr vor der Blüte ausgegraben werden.
Die Wurzeln auszugraben, erfordert etwas Aufwand: Sie sind meist nur fingerdick, dafür aber tief im Boden verwurzelt. Die Pflanze hat sich auf „problematische“ Höhenlagen spezialisiert und treibt den Wurzelstock dorthin, wo sie sich mit Wasser und Nährstoffen versorgen kann.
Standort
Bärwurz wächst auf lehmigen Weiden, auf Geröllhalden und mäßig sauren Bergwiesen, in lichten Laubwäldern und am Waldrand von Mittelgebirgen. Als Bergpflanze wächst sie in den Alpen, im Bayerischen Wald ist sie häufig.
In den Alpen gedeiht sie auf steinigen Stellen unter Krummholz. Sie ist eine Charakterpflanze der Berg-Mähwiesen und des Borstgrasrasens in den Silikatgebirgen Mittel- wie Westeuropas mit atlantisch geprägtem Klima und sauren, nährstoffarmen Böden, zum Beispiel im Erzgebirge, Fichtelgebirge oder in den Höhenlagen des Schwarzwaldes. Bärwurz ist „lichthungrig“ und deshalb auf offenen bis halboffenen Stellen zu finden.
Bärwurz pflanzen
Sie sollten die Samen im Herbst oder Vorfrühling ziehen, da sie nicht lange keimen können. Bärwurz gedeiht in sandig-lehmiger Erde, die feucht bleibt. Der Standort sollte in der Sonne oder zumindest im Halbschatten liegen. Bärwurz verträgt einen leicht sauren Boden, sollte aber nicht mit Kalk gedüngt und auch nicht in stark kalkhaltiger Erde gepflanzt werden. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Margot Fischer: Wilde Genüsse. Eine Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen von Adlerfarn bis Zirbelnuss, Wien, 2007
- Max Höfler: Volksmedizinische Botanik der Germanen; in: E. K. Blümml (Hg.): Quellen und Forschungen zur deutschen Volkskunde, Volume 5, Wien, 1980
- Brigitte Hoppe: Das Kräuterbuch des Hieronymus Bock. Wissenschaftshistorische Untersuchung; mit einem Verzeichnis sämtlicher Pflanzen des Werkes, der literarischen Quellen der Heilanzeigen und der Anwendungen der Pflanzen, Stuttgart, 1969
- Andrea Lamprecht: Volksmedizinische Verwendung von Arzneipflanzen und Hausmitteln im Mur- und Mürztal in der Steiermark. Diplomarbeit, Universität Wien, 1990
- Jesús Palá-Paúl, Rita García Jiménez, M. Jose Pérez Alonso et al.: Essential oil composition of the leaves and stems of Meum athamanticum Jacq., from Spain; in: Journal of Chromatography A, Volume 1036, Seiten 245-247, 2004, ScienceDirect
- Hallemichael Tesso, Karl-Heinz Kubeczka, Wilfried A. König: A new phthalide from the essential oil of Meum athamanticum; in: Flavour and Fragrance Journal, Volume 21, Seiten 622-625, 2006, Wiley Online Library
- Henning Wiesner: Studie zur Anwendung der Umbelliferen in der Roßarznei des 16. Jahrhunderts Inaugural - Dissertation zur Erlangung der tiermedizinischen Doktorwürde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, 1971, Uni München
Wichtiger Hinweis:
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