Bartflechte ist als Flechte eine Symbiose aus einem Pilz und Grünalgen (Cyanobakterien). Sie wächst auf Bäumen in Kaltregionen mit hoher Luftfeuchtigkeit. Der Extrakt aus der Flechte wird als Arznei eingesetzt und enthält Wirkstoffe gegen pathogene Bakterien und Pilze.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Usnea Barbata
- Volksnamen: Baummoos, Waldbart, Baumbart, Altmännerbart
- Familie: Pameliceae
- Verbreitung: Nördliches Europa
- Verwendete Pflanzenteile: Die Flechte, beziehungsweise ein Extrakt aus der Flechte
- Inhaltsstoffe: Usninsäure, andere Flechtsäuren, Polyphenole, Vitamin C, Gerbsäuren, Mehrfachzucker
- Anwendungsgebiete: Erkrankungen der Atemwege (begleitend), Hustenlöser, Appetitlosigkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Blähungen, Verdauung, Hautleiden
Bartflechte– Eine Übersicht
- Die grüngelbe Flechte wächst in Strauchform oder hängt an Baumrinde, Kork, an Baumstämmen und Zweigen, seltener auch auf Gestein, Schindeln oder Dächern.
- Bartflechtenextrakt wird in der Kosmetik eingesetzt.
- Bartflechte bevorzugt ein feuchtes und kaltes Klima und wächst in einem sauren Milieu.
- Die Flechte kann viele Jahrhunderte alt werden, sogar Jahrtausende. Deshalb wird an ihrem Vorkommen das Alter von Gesteinen bestimmt.
- Bartflechte enthält antibiotische Stoffe, die gegen pathogene Pilze und Bakterien wirken. Ein Extrakt aus der Flechte wird besonders bei Hautentzündungen und Infektionen im Bereich des Zahnfleisches und Mundes eingesetzt.
- Bartflechte wird als „Bart“ für Kostüme von Hexen und Perchten im Bayerischen Wald und Tirol verwendet, die in Österreich als immaterielles Kulturerbe anerkannt sind.
- Bartflechten sind ein Indikator für Luftqualität und gegenüber Luftverschmutzung sehr empfindlich. Das liegt daran, dass ihre große Oberfläche Schadstoffen besonders ausgesetzt ist.
Bartflechte– Inhaltsstoffe
Bartflechten enthalten antibiotisch wirkende Usninsäure. Dieser Stoff hilft effektiv gegen Erkältungen und Hautentzündungen, die von pathogenen Bakterien und Pilzen ausgelöst werden. Weitere Inhaltsstoffe, die auf den menschlichen Körper einwirken, sind andere Flechtsäuren, Mehrfachzucker, Polyphenole, Gerbsäuren und Vitamin C.
Usninsäure – ein natürliches Antibiotikum
Usninsäure leitet sich vom Gattungsname Usnea ab, weil sie bei diesen Flechten besonders konzentriert vorkommt. Aber auch andere Flechtengattungen wie Ramalina oder Evernia bilden diese Säure.
Usninsäure wirkt stark gegen grampositive Bakterien und wird deshalb in Salben gegen Erkrankungen der Haut und Schleimhaut genutzt. Der Effekt der Usninsäure liegt daran, dass sie Bakterien hindert, Nukleinsäuren zu bilden. So wird die RNA-Synthese unterdrückt und die Proteinproduktion der Zelle blockiert.
In der medizinischen Forschung steht Usninsäure im Fokus, da sie helfen kann, die Infektion durch Biofilme auf medizinischen Implantaten zu senken. Bilden Bakterien undurchdringliche Oberflächenschichten auf chirurgischen Implantaten wie zum Beispiel Kunstzähnen, dann sind Infektionen durch solche Erreger nur schwer zu behandeln. Bisweilen müssen sogar die Implantate entfernt werden.
Die pathogenen Bakterien Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis sind zwei der Hauptschuldigen für derlei Infektionen und gerade gegen diese wirkt Usninsäure sehr gut. Ein Imprägnieren der Implantate mit Usninsäure könnte verhindern, dass sich ein pathogener Biofilm überhaupt erst bildet.
Bartflechte ist ein Antioxidans
Studien zeigen ein deutliches antioxidatives Potenzial der Usinsäure, das auch unter ganz unterschiedlichen Bedingungen erhalten bleibt. Zu diesem Ergebnis kam 2010 Cornelia Elisabeth Kohlhardt-Floehr in ihrer Doktorarbeit an der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Usninsäure lässt sich demnach als natürlich vorkommendes Antioxidans bezeichnen, das sich positiv auf lebende Organismen auswirkt. Auf der Haut könnte es eine Schutzwirkung gegen UV-bedingte Schäden auslösen. Zu diesen zählen Lipidperoxidation, Hautalterung, Schwächung der Immunabwehr und DNA-Schäden.
Laut Kohlhardt-Floehr ist aber weitere intensive Arbeit nötig, um Usninsäure umfassend für den Menschen nutzbar zu machen. Bisher gäbe es noch keine klinischen Untersuchungen zur antioxidativen Wirkung der Usninsäure in der Haut unter UV-Bestrahlungen. Sinnvoll könnten in vivo Untersuchungen in Form von UV-Erythemtests sein.
Bartflechte – Medizinische Wirkung
Bartflechten gelten als Quelle für natürliche phenolische Komponenten in der Antikrebstherapie, sowohl allein wie auch zusammen mit anderen Medikamenten.
Eine rumänische Studie kam 2018 zu folgendem Ergebnis: Bei Entzündungen im Mund- und Zahnfleischbereich durch Escherichia coli und Pseudomaos aeruginosa wirkte Bartflechtenextrakt nur gegen bestimmte Bakterienstämme, und die Effekte waren besonders begrenzt bei immunschwachen Personen. Bei Entzündungen im gleichen Bereich durch Staphylococcus aureus zeigte der Extrakt jedoch sehr gute Ergebnisse.
Usninsäure in der Bartflechte wirkt gegen Bakterien und Pilze, besonders gegen Mykobakterien, Streptococcus aureus und Methicillin-resistente Staphylokokken. Stoffe (Substanzen) der Bartflechte und auf Basis von Extrakt aus Bartflechte sind effektiv gegen Tuberkelbakterien und grampositive Keime. Allerdings bleibt bisher unklar, ob und in welcher Form diese bei der Einnahme von Präparaten aus Bartflechte wirken.
Eine südafrikanische Studie von 2008 zeigte deutliche Effekte eines Bartflechtenextrakt gegen die Krankheitserreger Enterococcus faecalis, Micrococcus viradans und Staphylococcus aureus und hält die Pflanze für einen guten Kandidaten in Arzneien gegen Infektionserkrankungen durch diese Mikroben.
Ein indischer Review von 2016 hielt folgende Effekte für belegt: Usninsäure und Polyphenole sind die effektivsten Stoffe der Bartflechte gegen Bakterien und Pilze. Extrakte und isolierte Stoffe der Usneaarten wirkten zudem gegen Krebs, gegen Viren, gegen Erkrankungen der Leber und gegen entzündliche Krankheiten.
Es sei notwendig, die genauen Mechanismen zu untersuchen, durch die diese Stoffe wirken. Bartflechte hätte ein großes Potenzial für die Entwicklung zukünftiger Arzneimittel.
Bartflechtenextrakt – Medizinische Anwendungen
Usnea barbata lässt sich als Ur-Tinktur (Homöpathie), als Tee, als Extrakt oder als Wundpulver kaufen. Am häufigsten wird die Flechte als Tinktur gekauft. Die Flechte wird auch getrocknet und geräuchert, die Tinktur äußerlich für Waschungen und Umschläge genutzt. Diese dienen dazu, Hautunreinheiten ebenso zu behandeln wie Abszesse und Furunkel.
Tee aus Bartflechte ist ein traditionelles Mittel gegen Magenbeschwerden und Gallenprobleme. Das Wundpulver wird auf diverse Wunden gestreut, um die Heilung zu beschleunigen und Infektionen zu verhindern. Lutschpastillen mit Bartflechtenextrakt sind eine Arznei gegen Entzündungen im Bereich der Mandeln, des Halses und des Rachens.
Bartflechtenextrakt gegen Hauterkrankungen
Bartflechtenextrakt wird häufig für Hautpräparate eingesetzt. Er gilt als effektiv gegen Akne, Hautentzündungen, Pickel und andere Hautunreinheiten. Bartflechte ist auch ein natürliches und geruchsneutrales Deodorant, das die Ausdünstungen des Körpergeruchs bremst.
Häufig verwendet wird Bartflechtenextrakt gegen Rosacea: Es handelt sich um eine chronische Hauterkrankung, die entzündlich aber nicht ansteckend ist. Symptome sind rötliche Flecken auf Wange, Nase und Stirn, in denen sich entzündliche und schmerzende Bläschen bilden. Auch gegen Fadenpilze und Fußpilz findet sich Bartflechte in Therapien.
Bartflechte – Nebenwirkungen
Bartflechte ist generell gut verträglich. Usninsäure kann allerdings eine allergische Kontaktdermitis auslösen. Bei Holzfällern in Kanada ist nachgewiesen, dass sie eine erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut hatten, nachdem sie mit den Flechten in Berührung kamen. Bartflechtenpräparate, die mit Alkohol versetzt sind, dürfen weder trockene Alkoholiker noch Leberkranke oder Kinder nutzen.
Das sensibilisierende Potenzial wird als gering eingestuft und beruht meist auf hohen Konzentrationen vieler verschiedener Flechtensäuren im lebenden Organismus. Deswegen empfehlen Fachleute, Präparate auf reine Usninsäure-Extrakte auszurichten, die ein deutlich geringeres Risiko böten, Allergien auszulösen.
Bartflechte in der Volksmedizin
Flechten wurden schon im Altertum in diversen Kulturen eingesetzt. Sehr frühe Anwendungen sind aus China bekannt. Sehr alt ist der Gebrauch der Flechten in China. Die Bartflechte war hier vor Jahrhunderten als Muscus arborum bzw. Muscus officinarum oder Muscus cranii humani im Gebrauch.
Sie diente als Mittel, um den Haarwuchs anzuregen. Vermutlich spielte hier die magische Vorstellung eine Rolle, dass Ähnliches Ähnliches bewirkte: Die Bartflechte sieht aus wie langes Haar. Allerdings verwenden auch die Xingu in Brasilien verwandte Arten als Haarwuchsmittel.
Flechten, die Usninsäure enthalten, werden auf der ganzen Welt bei Hautwunden, Geschwüren sowie entzündlichen Erkrankungen eingesetzt, in Chile bei den Araukanern ebenso wie in Zentralafrika.
In Europa wurde in der Volkmedizin nicht zwischen verschiedenen Arten der Gattung Usnea unterschieden. Nach dem zweiten Weltkrieg rückten die Usnea-Spezies dann in den Fokus, als Mediziner den Wirkstoff Usninsäure als antibiotisch erkannten. Dieser ist in Usnea filipendula ebenso enthalten wie bei Usnea hirta oder Usnea florida.
Usninsäure wurde ebenso bei Arzneien gegen Lungenentzündung eingesetzt wie bei Durchfall, den Viren auslösen. Seit den 1960er Jahren kamen Präparate auf den Markt, die Usninsäure enthielten wie Usniplant, Usno, Usneasan oder Usniacin. Indikationen sind und waren Hautentzündungen, bakterielle Infektionen, Ekzeme und Furunkel.
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cornelia Elisabeth Kohlhardt-Floehr: Prooxidatives und antioxidatives Verhalten der Usninsäure unter Ultraviolet-B-Lichtbestrahlung – die Wirkung auf menschliche lymphoide Zellen, Aus der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin 2010, (Abruf 24.03.2022), Uni Berlin
- Violeta Popovici, Laura Bucur, Antoanela Popescu et al.: Comparative Study Regarding Antibacterial Action of the Usnea Barbata l. Extracts on Gram-positive and Gram-negative Bacteria From the Oro-Dental Cavity, in: NORDSCI 2018 Conference Proceedings, Volume 1, Issue 1, Seiten 463-470 2018, (Abruf 24.03.2022), ResearchGate
- I.T. Madamombe, A.J. Afolayan: Evaluation of Antimicrobial Activity of Extracts from South African Usnea barbata, in: Pharmaceutical Biology, Volume 41, Issue 3, Seiten 199-202, 2008, (Abruf 24.03.2022), Taylor
- Brahma N. Singh, Prateeksha Gangwar, Rajesh Bajpai et al.: The genus Usnea: A potent phytomedicine with multifarious ethnobotany, phytochemistry and pharmacology, in: RSC Advances, Volume 6, Issue 26, 2016, (Abruf 24.03.2022), RSC
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.