Baumwolle ist die Naturfaser aus den Fruchtkapseln des Baumwollstrauchs. Sie besteht zu rund 91 Prozent aus Zellulose (auch „Cellulose“ geschrieben) und liefert einen ebenso strapazierfähigen wie atmungsaktiven Stoff, der in der Medizin eine wichtige Rolle als Verbandsmaterial spielt. In der Textilindustrie ist Baumwolle ebenfalls begehrt, weil sie im Vergleich zu anderen Naturstoffen nicht kratzt und nur sehr selten Allergien auslöst.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Gossypium spec.
- Volksnamen: Cotton, Katun, Kattun, Molton
- Familie: Malvengewächse (Malvaceae)
- Verbreitung: Ursprünglich Asien, Afrika und Amerika, heute vor allem China, Indien, Pakistan, USA und Brasilien
- Verwendete Pflanzenteile: Naturfaser aus den Samenhaaren
- Inhaltsstoffe: Gossypol, Cellulose
- Anwendungsgebiete: Verbandsmaterial, Kompressen, elastische Binden oder Gaze, um Wunden zu versorgen
Baumwolle – Eine Übersicht
- Baumwolle nimmt Körperflüssigkeiten auf, lässt sich immer wieder waschen und ist atmungsaktiv. Besonders in heißen Ländern wird Kleidung aus Baumwolle anderen Textilien vorgezogen.
- Die Medizin braucht Baumwolle ebenso wie lebenswichtige Medikamente. Kompressen, Verbände, Mullbinden in unterschiedlichen Größen, eng oder weit gewebt, werden genutzt, um ein großes Spektrum verschiedener Wunden zu versorgen.
- Baumwollplantagen waren ein Motor für die Versklavung von Millionen Menschen, die aus Afrika nach Amerika deportiert wurden.
- Gigantische Monokulturen und Unmengen an Pestiziden vernichten für die Baumwollproduktion komplexe Ökosysteme. So ist der wasserintensive Baumwollanbau der Sowjetunion maßgeblich verantwortlich für das Austrocknen des viertgrößten Binnensees der Erde. Der Aralsee wurde zur Salzwüste.
- Heute ist China das Zentrum der Baumwollproduktion, gefolgt von Indien. Dann kommen die USA, Pakistan und Brasilien.
- Der bei der Baumwollproduktion abfallende Ölkuchen wird für Viehfutter und als Dünger verwendet, die Samenschalen werden zu Viehfutter, Dünger, Kleie, Verpackungen und synthetischem Gummi verarbeitet.
- Raffinierrückstände nutzt die Kosmetik- und Pharmaindustrie, sie liefern die Basis für Gummi und Kunststoffe, Imprägnierungen, Beschichtungen von Leder, Papier und Textilien. Diese Rückstände dienen durch das Gossypol auch als Insektizid.
Inhaltsstoffe
Die für Textilien benutzte Baumwollfaser besteht zum größten Teil aus Zellulose. Die Pflanze enthält den giftigen Stoff Gossypol.
Die zu Öl gepressten Samen können deshalb als Baumwollsaatöl nicht unmittelbar verwendet werden, sondern das Gossypol wird durch Raffinieren entfernt. Erst dann kommt das Öl als Speiseöl in den Handel, während die Rückstände mit dem Gossypol unter anderem als Insektizid dienen.
Baumwollgewebe
Die Samen der Baumwolle verlängern ihre Epidermis als Haare (Lint). Diese Haare werden zu Fäden gesponnen.
Eine Baumwollfaser besteht aus bis zu 30 Lagen Zellulose in einer gedrehten Struktur, und dadurch eignet sie sich hervorragend für Textilien. Baumwollgewebe ist weich, hält Belastungen stand, ist atmungsaktiv und lässt sich waschen.
Baumwolle – Stoff
Baumwollstoff kann viel Feuchtigkeit absorbieren, und das gilt auch für Salze, Hautfette und Säuren. Baumwolle lässt sich sehr gut waschen, da der nasse Stoff noch reißfester ist als der trockene.
Baumwolltextilien fühlen sich trocken an, wenn sie 20 Prozent ihres Gewichts an Waser aufgenommen haben. Sie tropfen erst, wenn sie zu mehr als 65 Prozent vollgesaugt sind.
Für Thermotextilien eignet sich Baumwolle wenig, da sie keine Wärme isoliert. Dafür ist Baumwollkleidung atmungsaktiv und verfilzt nicht.
Baumwollfaser ist allerdings kaum elastisch und zieht sich beim häufigen Waschen zusammen. Baumwolltextilien können sogar gekocht oder heiß gebügelt werden, und das ist für Hygiene und Medizin wichtig: Durch Kochen werden pathogene Bakterien und andere Mikroben abgetötet.
Baumwolle – Eigenschaften
Baumwolle ist kochfest. Das ermöglicht Hygiene und Sterilisation daraus produzierter Stoffe in der Medizin und Krankenpflege.
Vliesbaumwolle wird durch Verschmelzen oder Verkleben von Fasern hergestellt und aus ihr lassen sich medizinisch nutzbare Produkte machen, zum Beispiel:
- Handtücher,
- Bandagen,
- Einwegtücher,
- Auflagen,
- und vor allem medizinische Watte.
Überall, wo Desinfektion und Sterilisation nötig sind, um eine hohe Keimfreiheit zu gewährleisten, wird Baumwolle eingesetzt. Baumwollfasern eignen sich als Verbandsmaterial und Abdeckungsmaterial.
Sie werden in der /strong>Medizin ebenso eingesetzt wie in der Rehabilitation und im Wellnessbereich. Baumwolle ist Grundstoff für Mullbinden und Verbände, aber auch Teil von Mischgeweben in Bandagen, Haltegurten und Stütztextilien.
Die kochfeste Baumwolle entspricht den hohen Standards in der Kranken- und Altenpflege. Hier findet sie sich in neuartigen Webstrukturen und Oberflächen, die Hautschäden (Dekubitus) durch Aufliegen verhindern sollen, außerdem in Inkontinenzwäsche, in Bett- und Operationswäsche.
Baumwollunterwäsche
Baumwolle hat hygienische Vorteile für Unterwäsche. Synthetische Materialien wie Nylon und Polyester speichern Hitze und Feuchtigkeit. Die wiederum fördern das Wachstum von Bakterien und Pilzen.
Harnwegsinfektionen und Infektionen des Genitalbereichs können die Folge sein. Die luftdurchlässige Baumwolle bremst hingegen das Wachstum solcher Krankheitserreger und mindert damit das Risiko für Infektionen.
Baumwolle in der Kulturgeschichte
Baumwollpflanzen wachsen natürlich in warmen Ländern und können nur dort ihre Fruchtkapseln entwickeln. Es gab sie ursprünglich ebenso in Südasien wie in Afrika und Amerika.
Die Menschen in Indien kultivierten sie und von hier gelangte Baumwolle nach Mesopotamien in die frühen Hochkulturen. Vom Nahen Osten verbreitete sie sich dann nach Ägypten und Griechenland.
Eine elementare Rolle spielte Baumwolle für Kulturen Südamerikas, also für die Inka und ihre Vorgänger. Frühe Zentren zwischen Anden und Pazifik basierten auf Baumwolle und dem Fischreichtum des Ozeans.
Aus Baumwolle waren die Fischernetze, aus Baumwolle bestand die Kleidung, aus Baumwolle wurden Körbe und Decken geflochten. Selbst die Hängebrücken, die Schluchten überspannten, waren aus Pflanzenseilen gefertigt.
Die Waffe der Inka, die Bola, drei gedrehte Schnüre mit Steinen und die Steinschleuder, wurde aus Baumwolle und Steinen hergestellt.
Der Anbau und die Verarbeitung der Baumwolle waren harte Handarbeit. Die „Wolle“ wurde per Hand von den Sträuchern gepflückt, aus der Fruchtkapsel entfernt und per Hand gewebt.
Erst die Webmaschinen der Industrialisierung ersparten diese Arbeit den Menschen, doch Anbau und Ernte erfolgen nach wie vor per Hand. Baumwolle wurde eines der Hauptprodukte der Südstaaten der USA, und aus Afrika in die Sklaverei verschleppte Menschen bauten sie an.
Konventionelle Baumwolle – Eine ökologische Katastrophe
Baumwollanbau zur Massenproduktion zerstört Natur und Umwelt. Die Pflanze wurzelt zwar tief, verbraucht aber dennoch viel Wasser, braucht direkte Sonne und verträgt Regen nur schlecht.
Deswegen wird sie vor allem in den Subtropen mit trockenen Sommern angebaut. In diesen wasserarmen Regionen wird sie künstlich bewässert.
Die Baumwollmonokulturen der Sowjetunion sind der Hauptgrund dafür, dass der viertgrößte See der Welt, der Aralsee, nahezu zur Salzwüste wurde. Sein Wasserstand sank um rund 20 Meter.
Endemische Fischarten starben aus. An die 20 Millionen Anwohnerinnen und Anwohner, die vom Fischfang und der Landwirtschaft lebten, plagen heute Hunger und Not.
Die Nachfrage nach Baumwolle in der „Fast Fashion“, also der Textilindustrie, die Kleidung herstellt, die schnell wieder weggeworfen und neu gekauft wird, hat enorme negative Folgen, gerade für die Länder mit geringem Konsum, die diese Kleidung produzieren. Zu diesem Ergebnis kam ein wissenschaftliches Team aus Bangladesch in einer 2020 veröffentlichten Studie.
Laut der Studie müsste jeder Schritt des Prozesses kontrolliert werden. Nur so könne eine nachhaltige und ethisch verantwortliche Produktion ermöglicht werden.
Baumwolle – Pestizide vergiften Menschen
Baumwolle wird vor allem in heißen Ländern angebaut und braucht viel Wasser. Die Verbindung aus Hitze und Feuchtigkeit ist ideal für pathogene Mikroben.
Um diese zu bekämpfen, werden in der konventionellen Baumwollproduktion unspezifisch wirkende Pestizide und Insektizide in riesigen Mengen eingesetzt. Je großflächiger die Monokulturen sind, umso mehr der Gifte werden verspritzt.
Darunter ist ein ganzes Viertel aller weltweit eingesetzten Insektenvernichtungsmittel. Manche von ihnen sind auch für Menschen gefährliche Nervengifte.
Ein Review eines wissenschaftlichen Teams aus Finnland hielt 2020 fest: In der größten durch den Baumwollanbau angerichteten Katastrophe am Aralsee steigt seit den 1970er Jahren enorm die Rate an Infektionen mit Tuberkulose und Hepatitis als Folge eines geschwächten Immunsystems, verschiedene Krebsformen stiegen in die Höhe, die Kindersterblichkeit ist hoch und Fehlbildungen bei Neugeborenen sind weit verbreitet.
Bio-Baumwolle – Ein Randprodukt
Eine Alternative zu diesem ökologisch desaströsen und die Gesundheit von Menschen ruinierenden Baumwollanbau wäre ein biologisch nachhaltiges Verfahren. Dieses ist in den USA und der Türkei am weitesten fortgeschritten und wird als Randphänomen inzwischen in 24 Ländern praktiziert.
Die Zahlen sind leider ernüchternd: Von 2001 bis 2009 stieg die Ernte von Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau zwar um das Zehnfache auf 60.000 Tonnen, doch seit 2009 sank die Rate wieder.
Der Grund war die fehlende Nachfrage der Textilindustrie. Eine gewaltige Steigerung der Produktion und Nachfrage nach umweltfreundlicherer Baumwolle ist indessen notwendig.
Der European Parliamentary Research Service hielt 2019 fest: 43 Prozent aller Textilfasern in der EU stammen aus Baumwolle, und zwar meist aus genau der konventionell produzierten Baumwolle, die Unmengen an Land, Wasser, Dünger und Pestiziden verschlingt. Die Umweltschäden könnten durch Baumwolle aus biologisch kontrolliertem Anbau drastisch reduziert werden.
Diese verbraucht nicht nur weniger Pestizide, sondern auch viel weniger Wasser und verschmutzt zudem weniger Wasser. Von 2012 bis 2017 stieg der Anteil von nachhaltiger Baumwolle immerhin von sechs Prozent der Produktion auf 19 Prozent. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Kirsi Niimäki, Greg Peters, Helena Dahlb et al.: The environmental price of fast fashion; in: Nature Reviews Earth & Environment Volume 1, Issue 4, Seiten 189-200, 2020 , nature reviews
- Forida Parvin, Shariful Islam, Zakia Urmy et al.: A Study on the Solutions of Environment Pollutions and Worker’s Health Problems Caused by Textile Manufacturing Operations; in: Biomedical Journal of Scientific & Technical Research, Volume 28, Issue 4, Seiten 21831-21844, 2020, BIOMEDICAL
- Nikolina Šajn: Environmental impact of the textile and clothing industry. What consumers need to know; in: EPRS | European Parliamentary Research Service, 2019 , European Parliament
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.