Beifuß – Die göttliche Geburtshelferin
Der Gewöhnliche Beifuß, botanisch Artemisia vulgaris genannt, soll bei Frauenleiden helfen – von Schmerzen während der Periode bis zur entspannten Geburt – und darum trug er schon in der Antike den Namen der Mondgöttin Artemis. Er hilft zudem dabei, fettreiche Speisen zu verdauen, wirkt gegen Entzündungen und wird gegen parasitäre Würmer und Blut saugende Insekten eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief: Beifuß
- Wissenschaftlicher Name: Artemisia vulgaris
- Volksnamen: Besenkraut, Beifußkraut, Gänsekraut, Gewürzkraut, Artemiskraut, Dianakraut, Wilder Wermut, Mugwurz, Buckeli, Donnerkraut, Gürtlerkraut, Sonnwendgürtel, Throwurz, Fliegengürtel, Jungfernkraut, Johannishaupt, Johannisgürtelkraut, Werzwisch, Weibergürtelkraut, Schoßkraut, Teufelsflucht
- Pflanzenfamilie: Korbblütler (botanisch Asteraceae oder Compositae)
- Vorkommen: In Europa, Asien und Nordamerika weit verbreitet, auf Brachflächen, Böschungen und Wegrändern
- Verwendete Pflanzenteile: Junge Blätter (Frühling), Sprossspitzen (Herbst), Wurzeln (Winter)
- Anwendungsgebiete: Verdauungsprobleme, Magen-Darm-Beschwerden, Malaria, Blaseninfektionen, Frauenleiden, Menstruationsleiden, Eierstockentzündungen, Gallenerkrankungen, schwere Beine, Prostataprobleme, Rheuma, Schlafstörungen, Zahnfleischentzündungen, kalte Gliedmaßen, Darmparasiten, Hautgeschwüre
Artemisia – Eine Übersicht
- Beifuß dient traditionell als Gewürzkraut für fette Fleischgerichte, fördert durch die enthaltenen Bitterstoffe Magensaft und Galle und so die Verdauung.
- Aus den getrockneten Pflanzen wird mit Wasserdampf ein Parfümöl gewonnen.
- Beifuß spielt in Europa, Asien und Nordamerika seit Jahrtausenden eine wichtige Rolle in der Phytotherapie.
- Das ätherische Öl enthält unter anderem das toxische Thujon und sollte deshalb nicht in der Aromatherapie eingesetzt werden.
- Die Volksmedizin setzte Beifuß besonders bei Frauenbeschwerden ein, als Geburtshilfe ebenso wie als Abtreibungsmittel.
- Bei den Kelten und Angelsachsen war Artemisia vulgaris eine heilige Pflanze, die Unheil und Gifte abwehren sollte, die Fruchtbarkeit fördern und in engen Zusammenhang mit vermeintlichen Zauberkünsten stand.
- Der englische Name „wormwood“ für den Beifuß verweist darauf, dass das Kraut dazu diente, Darmparasiten zu bekämpfen.
- In der frühen Neuzeit war Beifuß eines der am meisten genutzten Küchenkräuter.
- Der Gewöhnliche Beifuß stammt ursprünglich vermutlich aus den Steppen Asiens („Beifußsteppe“), verbreitete sich aber in fast ganz Europa, Asien und Nordamerika.
- Der verwandte Einjährige Beifuß (Artemisia annua) aus Ostasien birgt mit dem Stoff Artemisianin ein Mittel gegen Malaria.
- Der amerikanische Sagebrush, eine heilige Pflanze der American Natives, wird oft Salbei genannt, ist aber kein Salbei, sondern bezeichnet den Wüsten-Beifuß (Artemisia tridentata).
- Der Gattungsname Artemisia leitet sich von der griechischen Göttin Artemis ab.
Inhaltsstoffe
Gewöhnlicher Beifuß enthält ätherische Öle, Harz, Schleimstoffe, Gerbstoffe, Flavonoide, Sequiterpensäuren, Sesquiterpenlactone (Bitterstoffe), Cumarine und Inulin. Die Blätter bieten Vitamin A, B1, B2 und C. Die ätherischen Öle bestehen aus Thujon, Linalool, 1,8-Cineol, Santonin und Kampfer, in geringerem Ausmaß nachgewiesen sind auch Myrcen, Borneol, Bornyacetat und Vulgarol. Zu den Hydroxycumarinen zählen Umbelliferon und Aesculetin (auch Esculetin).
Artemisinin
Der mit Artemisia vulgaris verwandte Einjährige Beifuß (Artemisia annua) aus China und Ostasien enthält 0,75 bis 1,4 Prozent Artemisinin. Dieses setzt Sauerstoffradikale frei, wenn es mit Eisen reagiert. Eisen wiederum ist in hohem Ausmaß im Malariaerreger vorhanden, der die roten Blutkörperchen befällt und sich vom Hämoglobin ernährt. Die frei gesetzten Radikale können den Erreger abtöten (siehe: Steve R. Meshnick, 2002: Artemisinin: mechanisms of action, resistance and toxity). Dies ist aber nur ein Teil der Wirkweise, die gesamten Mechanismen sind noch nicht abschließend bekannt.
Medizinische Wirkung
Artemisia-Arten werden in Eurasien und Amerika für verschiedene therapeutische Zwecke eingesetzt. Sie besitzen entzündungshemmende Eigenschaften, wirken antioxidativ, lindern Krämpfe, wehren pathogene Mikroben wie Parasiten (vor allem Würmer im Darm), Bakterien und Pilze ab, vertreiben Insekten und bremsen eine Malariaerkrankung (Artemisinin).
Präklinische und klinische Studien sind weiterhin nötig, um alle bioaktiven Komponenten und ihre molekularbiologischen Auswirkungen auf der Ebene der Zellen und des Gewebes zu verstehen (siehe: Manisha Nigam et al., 2019: Bioactive Compounds and Health Benefits of Artemisia Species).
Beifuß wird im angewandt um Fieber zu senken, Magen-Darm-Beschwerden zu lindern, die Verdauung zu fördern und die Menstruation zu regulieren. Die Bitterstoffe regen das Ausschütten von Galle an, fördern die Produktion der Bauchspeicheldrüse und stärken die Leberfunktionen. Das hilft zum Beispiel gegen Appetitlosigkeit sowie gegen Störungen im Magen, Durchfall, Blähungen und Völlegefühl.
Beifuß Anwendungen
Ärzte der griechischen Antike wie Hippokrates und Dioskurides schätzten Beifuß in der Frauenheilkunde. In Europa und Asien dienen Beifußblätter, Beifußextrakte, Beifußtees etc. dazu, Krämpfe während der Menstruation zu lösen und bei einer schwachen Periode die Blutung zu fördern.
Bei Eierstockentzündungen und vaginalem Ausfluss dienten Waschungen mit Beifußextrakt als Arznei. Umschläge mit diesem Extrakt sollten gegen Blasenentzündungen helfen. Schwangere tranken Beifußtee, um die Wehen auszulösen, und Gebärende, um das problemlose Abgehen der Nachgeburt zu gewährleisten.
In hohen Dosen waren Beifußblätter ein Mittel, um unerwünschte Föten abzutreiben. An seine Bedeutung in der Frauenheilkunde erinnern heute Namen wie Jungfernkraut, Schoßkraut, Weibergürtelkraut, Artemis- und Dianakraut.
Beifußblätter in den Schuhen oder am Bein sollen die müden Beine auf langen Wanderungen wieder fit machen. Gegen schwere Beine, kalte Füße und Hände hilft das Einreiben mit Beifußöl oder Beifußtinktur. Um beim nächtlichen Autofahren nicht einzuschlafen, hilft ein Säckchen mit Artemisia am Innenspiegel, gegen nervöse Schlafstörungen ein mit getrockneten Beifußblättern gefülltes Kissen.
Beifußtee
Beifußtee ist ein traditionelles Mittel bei Menstruationsbeschwerden, Unterleibsschmerzen von Frauen, zum Entspannen, zum Stärken und Erwärmen. Zur Herstellung schneiden Sie zur Erntezeit zwischen Juli und September das blühende Kraut zehn Zentimeter über der Erde ab und trocknen die Büschel anschließend. Fertig getrocknet ist es, wenn das Kraut beim Anfassen knistert. Dann streifen Sie die Blätter von den Stängeln und verwahren diese in Gefäßen an einem dunklen und trockenen Ort.
Für einen Tee übergießen Sie einen Teelöffel des getrockneten Beifuß mit rund 250 Milliliter kochendem Wasser. Lassen Sie den Tee rund drei Minuten ziehen. Pro Tag sollten Sie nicht mehr als drei Tassen trinken.
Beifuß Fußbad
Wenn Sie unter schweren Beinen leiden, oder ihre Füße unterkühlt sind, ist ein Fußbad mit zwei Handvoll des frischen oder einer Handvoll des getrockneten Krauts genau richtig. Dieses geben Sie in drei Liter heißes Wasser und lassen den Sud fünf Minuten ziehen. Nach dem Abseihen baden Sie ihre Füße darin bis das Wasser erkaltet. Müde oder geschwollene Füße entspannen Sie auch mit einem kalten Beifuß-Fußbad. Für Schwangere ist ein warmes Sitzbad mit Beifußkraut geeignet.
Räuchern mit Beifuß
Getrocknetes Beifußkraut können Sie wie Salbei in der Feuerglut räuchern oder mit einer Kerze anglimmen. Spezielle Räucherkohle ist nicht notwendig, für ein konzentriertes Räuchern aber zu empfehlen. Traditionell wurde Beifuß während der Sommersonnenwende ins Feuer geworfen, weshalb es auch Sonnenwendgürtel genannt wird.
Beifuß Allergie
Beifuß kann Allergien auslösen, und diese können beim Gewöhnlichen Beifuß heftig ausfallen. Überdosierungen können zu einem leichten Hautausschlag oder Asthma-artigen Hustanfällen führen.
Verwechslung mit Giftpflanzen
Wenn Sie die häufig vorkommende Pflanze in der Natur sammeln, sollten Sie sich genau informieren, denn v.a. die Blätter ähneln denen des sehr giftigen Blauen Eisenhuts (Aconitum napellus). Sicher zu unterscheiden ist der weiße Filz auf den Blattunterseiten des Gewöhnlichen Beifußes, den der Eisenhut nicht hat.
Ausgesprochen ähnlich sieht der Wermut (Artemisia absinthium) aus. Die Blüten des Beifuß stehen jedoch aufrecht, die des Wermuts knicken ein, und zudem sind die Blätter des Wermuts dichter behaart. Beifuß riecht intensiv wie eine Mischung aus Minze und Wacholder – auch das ist ein gutes Unterscheidungsmerkmal zu anderen Pflanzenarten.
Artemisia Namensherkunft
Der Gattungsname Artemisia zitiert die griechische Göttin Artemis, die Zwillingsschwester des Lichtgottes Apollo. Sie war die Mondgöttin sowie die Schutzgöttin gebärender Frauen, denn sie soll im Mythos unmittelbar nach ihrer eigenen Geburt Apollo an das Licht der Welt gebracht haben.
Vermutlich hat Artemis ihren Ursprung in archaischen Muttergottheiten, die als Lebensspenderinnen, Fruchtbarkeitsbringerinnen und Hüterinnen der Geburten verehrt wurden. Der Begriff Artemisia für Beifuß findet sich schon in der Antike in der „Materia medica“ des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides. Er beschrieb bereit, dass die Pflanze eine stimulierende Wirkung auf den Uterus hätte.
Volksheilkunde, Magie und Medizingeschichte
In germanischen und keltischen Kulturen der Antike war Beifuß wichtig in Medizin, Magie und religiösen Bräuchen. So bedeutete das Wort mucgwyrt für die Pflanze „Machtwurzel“ und noch heute ist mugwort das englische Wort für Beifuß. Im Mittelalter war Artemisia die wichtigste Pflanze, um Frauenleiden zu behandeln, wurde aber auch eingesetzt, um Harnstau und Verdauungsprobleme zu beheben.
Die antiken Römer pflanzten Beifuß entlang ihrer Militärstraßen, damit die Legionäre ihre wunden Füße vor Ort lindern konnten, indem sie sich die Blätter um die Füße banden.
Der Pflanze wurden auch magische Effekte zugeschrieben. So sollte der Teufel im Mittelalter kein Haus betreten können, in dem Beifuß hing. Daran erinnert der volkstümliche Name „Teufelsflucht“. Um böse Geister und den bösen Blick abzuwehren, wurde Beifuß an die Haustür gehängt.
Beifuß in der Küche
In der frühen Neuzeit war Beifuß das beliebteste Küchenkraut und gehörte stets zu fettem Schweinebraten und gebratener Gans. Er passt aber auch ausgezeichnet zu Gemüse- und Kartoffelsuppe. Generell gilt: Beifuß hat einen intensiven Eigengeschmack und eignet sich für herzhafte und deftige Speisen, subtilere Aromen werden hingegen schnell durch ihn verdrängt.
In Gewürzmischungen verträgt er sich mit Knoblauch, Schnittlauch und Bärlauch, mit schwarzem sowie buntem Pfeffer, mit Rosmarin und Thymian, mit Bohnenkraut und Dost. Als Gewürz trocknen Sie besonders zarte Blätter und Blütenrispen kurz vor dem Aufblühen. Im Gegensatz zu Kräutern, die durch langes Kochen ihren Geschmack verlieren, gibt Beifuß sein volles Aroma erst preis, wenn Sie ihn lange ziehen lassen. Deshalb geben Sie ihn bereits zu Anfang in den Topf und nicht erst am Ende der Garzeit. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Manisha Nigam und andere: Bioactive Compounds and Health Benefits of Artemisia Species, in: Natural Product Communications (veröffentlicht Juli 2019), journals.sagepub.com
- Steve R. Meshnick: Artemisinin: mechanisms of action, resistance and toxity; in: International Journal for Parasitology Volume 32, Issue 13, Pages 1655-1660 (veröffentlicht 04.12.2002), sciencedirect.com
- Kevin Johann: Artemisia. Eine Göttin in Pflanzengestalt, Freya Verlag, 2018
- Anwar Faroop: Mugwort (Artemisia vulgaris) Olis; in: Essential Olis in Food Preservation, Flavor and Safety, 2016, sciencedirect.com
- Siegfried Bäumler: Heilpflanzenpraxis heute: Porträts, Rezepturen, Anwendung, Urban & Fischer Verlag/Elsevier, München 2007
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.