Auf das Aufrechte Fingerkraut, wie die Blutwurz auch volkstümlich bezeichnet wird, schwörten bereits Hippokrates sowie Hildegard von Bingen. Letztere setzte den Extrakt dieser Heilpflanze, die zu den Rosengewächsen gehört, gegen Blutungen ein. Der Erdspross der Blutwurz verliert einen blutroten Saft beim Anschneiden, der auch heute in Form von Schnaps seine Verwendung findet.
Neben dem roten Farbstoff stecken Inhaltsstoffe mit enormer Heilwirkung im Erdspross, die gegen eine Vielzahl von Viren helfen und so Durchfall oder Herpes effektiv bekämpfen. Auch zum Gurgeln als Tee aufbereitet heilt das unscheinbare Kraut mit den goldgelben Blüten Mund- und Rachenentzündungen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief Blutwurz
- Wissenschaftlicher Name: Potentilla erecta
- Pflanzenfamilie: Rosengewächse (Rosaceae)
- Volkstümliche Namen: Hohes Fingerkraut, Aufrechtes Fingerkraut, Rotwurz, Ruhrwurz, Tormentill, Tarpentill, Blutbrech, Dilledapp, Natterwurz, Siebenfinger
- Vorkommen: Mittel- und Nordeuropa, Sibirien, Nordamerika
- Verwendete Pflanzenteile: Rhizom (Erdspross)
- Anwendungsgebiete:
- Erkrankungen der Mund- und Rachenschleimhaut
- Hämorrhoiden
- Verbrennungen
- Durchfall
- Erkältungen
- Wundheilung
- Fieber
- Rheuma und Gicht
Kräuterportrait
Das Aufrechte Fingerkraut (Potentilla erecta) gehört zu der Pflanzengattung der Fingerkräuter (Potentilla) und zu der Pflanzenfamilie der Rosengewächse (Rosaceae). Es ist eine in Mittel- und Nordeuropa häufig vorzufindende Pflanzenart, deren Verbreitungsgebiet sich östlich bis nach Sibirien erstreckt. Nach Nordamerika wurde sie wahrscheinlich eingeschleppt.
Auf trockenen bis feuchten Wiesen, in Mischwäldern, auf Moor- oder Heideflächen wächst diese krautige Pflanze nicht einzeln, sondern stets in kleinen Beständen und gilt als Zeigerart für saure und magere Böden. Fingerkräuter benötigen einen nährstoffarmen Standort, viel Sonne und sie wachsen am besten auf Böden mit hohen Lehm-, Sand- oder Torfanteilen.
Von Mai bis September erscheinen die leuchtend-gelben Blüten. Jede Blüte ist lang gestielt und sie entspringen zu mehreren den Blattachseln. Die Blüte besteht aus meist vier gelben, herzförmigen Blütenkronblättern (manchmal auch drei oder fünf) und aus einer Vielzahl von Staubblättern. Die Frucht, die nach dem Verblühen aus den vier reifenden Fruchtblättern im Inneren der Blüte entsteht, ist eine Nüsschenfrucht (Sammelnussfrucht) und dient auch der Verbreitung (Wind- und Tierstreuer).
Die überwiegend nach oben aufrecht oder gebogen aufsteigenden Stängel von Potentilla erecta sind namensgebend für diese Art, wie auch die fingerförmigen Blätter für die ganze Pflanzengattung der Fingerkräuter. Die Stängel können eine Höhe von maximal 30 Zentimeter erreichen. An den Stängeln ist die Blutwurz relativ dicht beblättert.
Die Stängelblätter sind ungestielt und wirken auf den ersten Blick handförmig geteilt. Es handelt sich hier beim genaueren Hinsehen um ein Blatt, bestehend aus drei gezähnten Teilblättchen und zwei Nebenblättern, die dicht am Stängel angewachsen, stark behaart und tief vierteilig eingeschnitten sind. Die Grundblätter stehen in einer Rosette zusammen und sind lang gestielt und dreizählig.
Blutwurz überwintert als mehrjährige Pflanze mit ihrem im Erdreich überdauernden Rhizom (ein Erdspross, der verholzt, nicht zu verwechseln mit der Wurzel). Dem Erdspross entspringen die Wurzeln des Krautes, und er ist knollig und läuft an Bruch- oder Schnittstellen rot an. Diese Rotfärbung ist auf den Gerbfarbstoff Tormentill zurückzuführen.
Das Hohe Fingerkraut ist eine alte Heilpflanze, die von germanischen Stämmen, von Hippokrates und Hildegard von Bingen eingesetzt wurde. Sie wird auch nach ihrem Farbstoff Tormentill benannt und im Mittelalter war im Volksmund der folgende Spruch bekannt: „Esst Kranawitt und Tormentill dann sterbt ihr nit so viel!“ (Als Kranawitt wurde Wacholder bezeichnet).
Blutwurz wurde neben Wacholder als Mittel gegen die Pest und weitere Infektionskrankheiten verabreicht. Nach dem Mittelalter geriet die Pflanze etwas in Vergessenheit und wurde durch die aus Südamerika stammende Ratanhiawurzel verdrängt, denn diese verfügt über einen höheren Gerbstoffgehalt und eine intensivere rote Farbe.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird Blutwurz gegen Durchfälle, Hepatitis, Rheuma, Krätze und bei Vergiftungen eingesetzt. Der Gattungsname Potentilla stammt vom lateinischen Wort für Macht (potentia) ab und nimmt Bezug auf die Heilwirkung. Ihr Erdspross wird heute in vielen Arzneimitteln gegen Durchfall oder Magenbeschwerden verarbeitet.
Von Frühjahr bis Herbst wird das Rhizom ausgegraben, in der Sonne getrocknet und dann als alkoholischer Auszug oder Tee verwendet. Neben dem Farbstoff Tormentillrot befinden sich Proanthocyanide, Gerbstoffe, Phenolsäuren, Tormentosid (Triterpen) sowie ätherische Öle und Fettsäuren im Erdspross. Den Gerbstoffen wird blutstillende Wirkung zugeschrieben, daher auch der Name Blutwurz.
Potentilla erecta hat zudem eine fiebersenkende Wirkung und hilft bei Rachen- und Halserkrankungen, insbesondere bei entzündeten Mandeln wirkt das Gurgeln mit Tee wahre Wunder. Auch gegen Durchfall, Magen- und Darmbeschwerden, Gicht und Hämorrhoiden, Rheuma, Verbrennungen und eine Vielzahl von Bakterien und Viren geht das Aufrechte Fingerkraut effektiv vor.
Inhaltsstoffe und Wirkung
Blutwurz kann bei akuten Durchfallerkrankungen und bei Entzündungen von Magen und Darm eingenommen werden. Von den verschiedenen Pflanzenwirkstoffen wird den im Folgenden genannten Tanninen und Flavonoiden die antidiarrhoische Wirksamkeit zugeschrieben, indem sie die Elektrolytresorption im Körper erhöhen.
Äußerlich als Tinktur fördert das Aufrechte Fingerkraut die Wundheilung und wirkt unter anderem Hämorrhoiden entgegen. Als Mundspülung heilt es viele bakterielle Entzündungen im Mund- und Rachenbereich erfolgreich. Die Heilwirkung der Blutwurz beruht auf den darin enthaltenen besonderen medizinischen Wirkstoffen, die sich in
- Gerbstoffe (Phlobaphene, Tannine, etwa 20 Prozent),
- Triterpene (Tormentosid),
- Flavonoide (Proanthocyanide),
- Phenolsäuren,
- Fettsäuren
- und ätherische Öle
einteilen lassen.
Die Wirkung der Inhaltsstoffe ist
- stark zusammenziehend (adstringierend),
- entzündungshemmend,
- fiebersenkend,
- schmerzlindernd,
- immunstimulierend
- und antiviral.
Gerbstoffe
Die zusammenziehende (adstringierende) Wirkung der Blutwurz auf Haut und Schleimhäute des menschlichen Körpers geht zurück auf die Gerbstoffe, die Tannine (17 bis 22 Prozent im Erdspross) und Phlobaphene. Diese haben antibiotische Eigenschaften. Gerbstoffe wurden traditionell in der Lederherstellung verwendet, um Tierhäute von Keimen zu befreien.
Gerbstoffe verändern die Eiweißstruktur in Haut und Schleimhäuten mit der Folge, dass sich diese verfestigen und zusammenziehen. Daher werden Blutungen gestillt und die Wundheilung wird verbessert, da auch Bakterien und Viren schwieriger ins Gewebe eindringen können.
Triterpene
Terpene sind chemische Verbindungen, die als Grundeinheit aus dem Kohlenwasserstoff Isopren bestehen. Sie kommen meist in Pflanzen, seltener in Tieren vor. Es gibt verschiedene Untergruppen von Terpenen, Monoterpene, Sesquiterpene oder Triterpene, die eine große medizinische Bedeutung haben.
Triterpene bestehen aus drei Terpeneinheiten. Das in der Blutwurz vorkommende Triterpen Tormentosid hemmt Entzündungen und fördert die körpereigene Immunabwehr.
Flavonoide
Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die antiallergen, antioxidativ, antimikrobiell und antiviral, blutdrucksenkend, krampflösend und gefäßschützend wirken. Sie sind Bestandteil von Medikamenten gegen Magen-Darm-Beschwerden, Organerkrankungen, bei allergischen Reaktionen und Herz-Kreislauf-Beschwerden.
Die in Potentilla erecta bedeutsamen Flavonoide sind die Proanthocyanide. Sie wirken um ein Vielfaches effektiver antioxidativ als Vitamin C und schützen dadurch vor freien Radikalen. Zudem können Proanthocyanide die Wirkung von Vitamin C verzehnfachen und können die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
Phenolsäuren
Phenolsäuren gehören neben Gerbstoffen und Flavonoiden zu den Polyphenolen. Sie sind sekundäre Pflanzenstoffe in Form chemischer Verbindungen aus Hydroxybenzoe- und Hydroxyzimtsäuren. Sie kommen in den äußeren Teilen von Pflanzen vor und wirken antibakteriell, denn sie schützen die Pflanze vor Mikroorganismen.
Sie sind die sekundären Pflanzenstoffe, die am meisten mit der Nahrung aufgenommen werden. Sie wirken zudem antioxidativ und antikanzerogen, wobei dies noch durch klinische Studien untersucht werden muss.
Die meisten Studien zu Blutwurz wurden in vitro (im Reagenzglas) und an Tieren durchgeführt und zeigen adstringierende, antioxidative und antibakterielle Wirkung. Auch deuten diese Studien auf eine antitumorale Wirkung hin. Es sind klinische Studien erforderlich, um die Wirksamkeit auf den Menschen näher zu untersuchen.
Eine Studie aus Russland wurde jedoch bereits an Kindern durchgeführt und belegt die Wirkung des Aufrechten Fingerkrautes gegen Diarrhö. Kindern, die mit dem Rotavirus infiziert waren, wurde ein Extrakt des Erdsprosses verabreicht und die Dauer der Virenerkrankung wurde dadurch verkürzt.
Auch eine weitere in vitro Studie aus Großbritannien zeigte großes Potenzial von Blutwurz für eine mögliche Bekämpfung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen durch seine antioxidative Wirkung. In einer schwedischen in vitro Studie wurde die entzündungshemmende Wirkung des Extraktes des Erdsprosses belegt, indem das Enzym Cyclooxygenase gehemmt wurde.
Zwei Wissenschaftler aus Polen und Deutschland geben einen Überblick über vorhandene wissenschaftliche Studien (2009) zum phytochemischen Potenzial von Blutwurz und betonen unter anderem, dass die Gerbstoffe (Tannine) im Erdspross gegen Herpes Viren des Typs I und II und gegen das Influenza Virus toxisch wirken.
Blutwurz wird traditionell in der russischen Medizin genutzt. Eine Studie aus Russland testete, wie 61 Pflanzen, darunter ein Extrakt des Erdsprosses von Potentilla erecta, auf menschliche mit Krebs befallene Lymphzellen wirken. Dabei zeigte das Aufrechte Fingerkraut das höchste Potenzial aller getesteten Pflanzen durch Unterdrückung des Zellwachstums der Krebszellen.
Anwendung und Dosierung
Der Erdspross der Blutwurz kann äußerlich als Umschlag oder als Salbe bei Verbrennungen und Wunden angewendet werden. Aus dem alkoholischen Extrakt oder einer Tinktur können Mundspüllösungen bei Entzündungen hergestellt werden.
In Tee- oder Tropfenform, oder als Kapsel, kann das Aufrechte Fingerkraut eingenommen werden, um Magen-Darm-Beschwerden oder Fieber zu bekämpfen. Blutwurz ist in der Apotheke in den verschiedenen verarbeiteten Einnahmevarianten erhältlich.
Nebenwirkungen
Es können leichte Beschwerden im Magen-Darm-Trakt bei Überempfindlichkeit aufgrund des hohen Gerbstoffgehaltes auftreten. Schwangeren wird von der Einnahme abgeraten, da Blutwurz auch auf die Gebärmutterschleimhaut einwirkt. Eine Anwendung kann die Aufnahme anderer Medikamente im menschlichen Organismus verlangsamen und sollte daher erst nach ärztlicher Rücksprache erfolgen.
Blutwurz-Tee gegen akuten Durchfall
Zutaten für eine Tasse Tee:
- Drei Gramm getrocknete Stücke des Erdsprosses,
- 200 Milliliter Wasser.
Zubereitung:
Drei Gramm fein geschnittene, getrocknete Stücke des Erdsprosses werden mit einer Tasse kaltem Wasser angesetzt (200 Milliliter). In einem Topf wird nach 30 Minuten das Wasser zum Sieden gebracht, jedoch nicht aufgekocht, da hierbei die Wirkung der Gerbstoffe teilweise verloren gehen würde. Danach zehn Minuten ziehen lassen und die Erdsprossstücke absieben.
Zwischen den Mahlzeiten können Sie pro Tag drei Tassen Tee trinken. Die Höchstmenge von sechs Gramm pro Tag sollte nicht überschritten werden. Der Tee kann auch zum Gurgeln als Mund- oder Rachenspülung verwendet werden.
Tinktur selbst herstellen
Eine Tinktur können Sie nach dem folgenden Rezept herstellen:
- Eine Handvoll des getrockneten Erdsprosses der Blutwurz,
- 200 Milliliter Alkohol (Wodka, Korn).
Zubereitung:
Der getrocknete Erdspross kann entweder selbst von Frühjahr bis in den Herbst gesammelt werden oder ist in der Apotheke erhältlich. Er muss von der restlichen Pflanze getrennt, gewaschen und einige Tage getrocknet werden. Dann wird der Erdspross in daumennagelgroße Stücke geschnitten und in ein Einwegglas mit Schraubverschluss gegeben. Das Glas wird mit Alkohol aufgefüllt.
Das Glas wird dann für eine Woche an einen sonnigen Platz gestellt. Danach werden die festen Bestandteile abgefiltert und mit 50 Milliliter abgekochtem Wasser verdünnt. Die Tinktur sollte dann an einem dunklen Ort gelagert werden und kann bei Verbrennungen auf die Haut aufgetragen oder als Mundspülung verwendet werden. (ls)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
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Wichtiger Hinweis:
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