Bocksdorn, genauer gesagt seine als Goji-Beere bekannte Frucht, wird in Deutschland als „Superfood“ vermarktet. Die Beeren sollen den Stoffwechsel fördern, Falten vorbeugen, Bluthochdruck senken und viele andere Wohltaten bringen. Wissenschaftliche Untersuchungen zu solchen „Wunderwirkungen“ fehlen jedoch weitgehend oder erbrachten wenig spektakuläre Ergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Lycium barbarum
- Volksnamen: Teufelszwirn, Hexenzwirn, Chinesische Wolfsbeere
- Familie: Nachtschattengewächse (Solanaceae)
- Verbreitung: Historisch Südosteuropa bis China, als Neophyt in Mitteleuropa, Nordafrika, Nordamerika, Australien und Neuseeland
- Verwendete Pflanzenteile: Beerenfrüchte
- Inhaltsstoffe: Vitamin A, C und E, Calcium, Eisen, Magnesium
- Anwendungsgebiete: Diverse Anwendungen in der Volksmedizin, zum Beispiel Bluthochdruck, zu hoher Blutzuckerspiegel, Augenerkrankungen, Benommenheit, Erkältung, Schwindel, Blutarmut und Potenzprobleme
Goji-Beeren – eine Übersicht
- Die Goji-Beere (englisch Goji oder Wolfberry) wächst am Gemeinen Bocksdorn. Sie wird vor allem importiert, doch die Pflanze wächst als Neophyt auch in Deutschland als Pionier auf Brachflächen, Schutthalden oder Wegrändern.
- Goji-Beeren werden hierzulande meist getrocknet verkauft. Ihr Geschmack ist süß, denn sie enthalten kaum Säure, der Geschmack lässt sich vergleichen mit Dörrpflaumen, getrockneten Feigen oder auch Cranberries.
- Goji-Beeren enthalten viel Vitamin C und Calcium pro 100 Gramm. Da eine normale Portion bei rund 25 Gramm liegt, relativiert sich dieser hohe Gehalt jedoch, besonders im Vergleich zu Gemüsen wie Grünkohl, die ebenfalls hohe Level an Vitamin C und Calcium aufweisen und von denen wir im Rahmen einer normalen Mahlzeit viel größere Mengen essen. Zum Vergleich: Eine durchschnittliche Portion Beeren oder Trockenobst liegt bei etwa 25 bis 30 Gramm, während wir von Gemüse als Beilage etwa 200 Gramm, als Hauptgericht etwa 400 Gramm verzehren würden.
- In der chinesischen Volksmedizin sind Goji-Beeren ein Allroundmittel, sei es gegen Alterserscheinungen, Sehschwäche, Impotenz, Schwindel oder Erkältung, sei es Benommenheit oder Muskelschwäche. Statt Goji-Beeren kann in vielen chinesischen Rezepten aber auch Brombeere eingesetzt werden.
- Goji-Produkte, die aus China importiert sind, überschritten bei Kontrollen die erlaubten Rückstände an Pestiziden.
- Manche Blutverdünner kann der Körper schlecht abbauen, wenn sie zusammen mit Goji-Beeren eingenommen werden. In diesem Fall sollten Sie auf Bocksdorn verzichten.
Inhaltsstoffe
Goji-Beeren werden mit ihrem hohen Gehalt an Vitamin C, Carotinoiden, Calcium und anderen Mineralstoffen beworben. Die offizielle US-Nährwerttabelle vermerkt für getrocknete Goji 349 Kilokalorien, 46 Gramm Zucker, 13 Gramm Ballaststoffe, 190 Milligramm Calcium, 6,8 Milligramm Eisen, 48 Milligramm Vitamin C und 16 Milligramm Carotinoide.
Für Trockenfrüchte ist der Gehalt an Vitamin C tatsächlich hoch, lediglich getrocknete Mangos enthalten ähnlich viel wie getrocknete Goji-Beeren. Der Level entspricht ungefähr dem von 100 Gramm frischen Orangen oder Erdbeeren, frische rote Paprika enthält mehr als doppelt so viel, und der Vitamin-C-Gehalt von frischem Kohlrabi liegt deutlich darüber.
Im Vergleich zur Menge an Kalorien schneiden Goji-Beeren deutlich schlechter ab: Wenn wir 18 Kalorien durch Kohlrabi zu uns nehmen, entspricht das der gleichen Menge an Vitamin C wie bei 349 Kalorien durch Goji-Beeren.
Bei Calcium sieht das Verhältnis von Kalorien / Verzehrmenge und Calciumspiegel ähnlich aus. So enthält gegarter Brokkoli pro 100 Gramm rund 118 Milligramm Calcium und gegarter Blattspinat 136 Milligramm – im Vergleich zu 190 Milligramm Calcium bei Goji-Beeren. Rohe Brennnesseln liefern sogar 480 Milligramm Calcium pro 100 Gramm.
Gekochter Brokkoli hat aber nur 27 Kilokalorien pro 100 Gramm, also weit weniger als ein Zehntel der getrockneten Goji-Beeren. Dabei rechnen wir bei Brokkoli als Beilage rund 200 Gramm pro Person und als Hauptgericht ungefähr 400 Gramm.
Unterm Strich ist also die Zufuhr von Calcium beim Verzehr von Brokkoli oder Blattspinat weit höher als beim Konsum von Goji-Beeren – es sei denn, wir verzehren Goji-Beeren in so großen Mengen, dass deren Zucker und Kalorien der Gesundheit schaden. Da Goji-Beeren-Extrakte in Nahrungsergänzungsmitteln nicht standardisiert sind, lässt sich hier die genaue Menge der Inhaltsstoffe kaum ermitteln.
Wirkung
Zu Goji-Beeren gibt es, laut eines Berichts der Verbraucherzentrale, zwar verschiedene Studien, zum Beispiel zu potenziellen Effekten bei Krebs, Diabetes oder Alterserscheinungen. Diese Laborstudien erlauben aber keine konkreten Aussagen über medizinische Wirkungen bei Menschen, es handelt sich nicht um klinische Studien nach Standardbedingungen.
Demnach ist zum Beispiel die Behauptung nicht sicher belegt, dass Goji-Beeren die menschlichen Körperzellen vor freien Radikalen und oxidativem Stress schützen. In der EU dürfen Nahrungsergänzungsmittel mit Goji nicht als „schützend vor oxidativem Stress“ beworben werden.
Eine taiwanesische Studie an Ratten empfahl 2004 indessen Bocksdornextrakte als gute Quelle für Antioxidantien in Nahrungsergänzungsmitteln. Eine chinesische Studie kam 2015 zu dem Ergebnis, dass die Mehrfachzucker in Goji-Beeren eine gute Quelle als Hilfsagenten bei der Behandlung von Diabetes-Typ-2 sind.
Eine chinesische Übersichtsstudie von 2017 hielt ebenfalls positive Effekte des Bocksdorns auf den Blutzuckerspiegel für belegt. Eine Studie aus Hong Kong von 2007 sah einen Extrakt aus Lycium barbarum als potenzielles Mittel gegen das Glaukom. Diese Schädigung des Sehnervs heißt auch Grüner Star und bezeichnet unterschiedliche Augenerkrankungen.
Schon 2010 schätzte der Leiter des Instituts für Ernährungswissenschaften in Granada Goji-Beeren als ebenso gesund oder ungesund ein wie anderes Obst oder Gemüse, aber auch nicht mehr. Zwar werden Goji-Beeren in China seit Jahrtausenden eingesetzt, um Blutdruck zu senken, Augenbeschwerden zu heilen und zu „verjüngen“, und sie enthalten Eisen, Calcium, Magnesium und die Vitamine A, C und E, doch sind „Verjüngungseffekte“ wissenschaftlich nicht belegt.
Heimische Beerenfrüchte, die weder mit Pestiziden behandelt noch um den halben Globus transportiert und konserviert werden, wie Brombeeren oder Johannisbeeren, enthalten die angepriesenen Wirkstoffe wie Calcium, Magnesium und Vitamin C ebenfalls, und in ähnlichem Ausmaß. In der chinesischen Volksmedizin wird Brombeere bei ähnlichen Beschwerden eingesetzt wie Goji-Beere: Blutarmut, Sehschwäche, Potenzprobleme und Krebs-Prophylaxe.
Wechselwirkungen und Gegenanzeigen
Das Institut für Risikobewertung (BfR) sieht keine Gründe dafür, dass gesunde Menschen Goji-Beeren meiden sollten, es gelten lediglich die Standards wie für alle Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt. Zwar fehlen valide toxikologische Untersuchungen, es gibt aber auch keine Hinweise auf schädliche Effekte bei Menschen.
Indessen sollten Menschen, die blutverdünnende Mittel einnehmen, auf Goji-Beeren verzichten, da diese den Abbau dieser Medikamente verhindern könnten. Mögliche Wechselwirkungen bestehen bei Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon und Warfarin. Wer Cumarin-Antikoagulanzien einnimmt, sollte keine Goji-Beeren einnehmen.
Bocksdorn in der Volksmedizin
Die chinesische Medizin setzt Goji-Beeren ein, um das „Yin zu erhöhen“. Demzufolge zeigt sich ein Mangel an Yin durch Nachtschweiß, Müdigkeit und Erschöpfung, vorzeitiges Altern, Tinnitus, Schwindel, Sehschwäche, Unfruchtbarkeit und Potenzschwäche, Muskelschwäche oder Erkältungen.
Goji-Beeren werden in China genutzt, um Bluthochdruck zu behandeln, außerdem bei zu hohen Blutzuckerwerten, zur Stärkung des Immunsystems, bei Augenproblemen, und um Krebs vorzubeugen. Um den „Qi-Fluss der Leber und Nieren“ auszugleichen ist „Gou qi Zi“ (Goji-Beeren) ebenso ein Mittel wie „Fu pen zi“ (Brombeeren).
Anwendungen
Die chinesische Medizin nutzt Goji-Beeren seit langem – als frische Früchte, als Extrakt, getrocknet oder als Saft. Hierzulande gilt Goji als „Superfood“ und ist meist getrocknet zu erwerben, allerdings auch als Kapsel oder als Presssaft.
Verbreitung
Gemeiner Bocksdorn wächst von Südosteuropa bis China seit Jahrhunderten, wobei unklar ist, ob es sich hier um den natürlichen Verbreitungsraum handelt oder in einigen Regionen um verwilderte Pflanzen wie den Bocksdorn, der in Mitteleuropa als Neophyt gedeiht. Vermutet als Ursprungsregion wird Ningxia in China.
Goji-Beeren sind als Nahrung und Heilmittel in China vermutlich seit der Antike geschätzt, und von Ningxia führten die Seidenstraßen über Zentral- und Westasien bis ans Mittelmeer, was die historische Verbreitung vom Balkan bis nach China erklären würde.
Verwilderter Bocksdorn hat sich in ganz Asien, Europa, Nordamerika und Nordafrika ebenso ausgebreitet wie in Australien oder Neuseeland. Häufig wächst er im Nordwesten Chinas, in Gansu, Ningxia, Qinghai und der Inneren Mongolei.
Goji-Beeren – Ernte, Verarbeitung und Verzehr
In China werden die Beeren im Sommer und Herbst geerntet, roh gegessen, in der Sonne getrocknet oder gekocht. Die Blätter junger Pflanzen werden auch als Blattgemüse gegessen, das aber in Europa nicht als Lebensmittel zugelassen ist. In der EU werden nur die Beeren in der Lebensmittelindustrie verarbeitet.
Zunächst boten lediglich einige Hersteller Saft aus den Beeren an, dann begann „Goji“ in Europa eine Karriere als „Superfood“, und getrocknete Beeren werden in großem Ausmaß aus China importiert. Seit 2013 werden auch in Europa angebaute frische Goji-Beeren angeboten – für Saft, Müslis, Joghurts oder Smoothies.
Vergiftete „Wunderbeeren“?
In getrockneten Goji-Beeren aus China wurden rund ein Dutzend Pestizidwirkstoffe nachgewiesen, außerdem Mykotoxine – Gifte aus Schimmelpilzen. Einige der nachgewiesenen Wirkstoffe sind in der EU verboten, da sie das Erbgut verändern und Embryonen schädigen können. Auch Rückstände von Blei und Cadmium wurden auf chinesischen Goji-Beeren festgestellt.
Problematisch ist dabei, dass es bei Goji-Beeren wegen der kleinen Erntemengen keine expliziten Zulassungen für Pflanzenschutzmittel gibt und Grenzwertangaben niedriger angesetzt werden müssten, als es bei in größeren Mengen geernteten Pflanzen der Fall ist.
Manche Fachleute raten deshalb vom Verzehr von Goji aus chinesischer Produktion ab. Das chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart warnte 2010, dass 13 von 14 Proben konventionell angebauter Goji-Beeren die Höchstmengen von Pestiziden überschritten.
Goji-Beeren kaufen
Achten Sie darauf, dass Sie Goji-Beeren nur kaufen, wenn diese auf Schadstoffe wie Pflanzenschutzmittel, Schimmelpilzgifte und Schwermetalle kontrolliert sind. Dafür gilt die Angabe „DIN EN ISO 9001“ für Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagement, das die betrieblichen Prozesse prüft. Für Nahrungsergänzungsmittel mit Goji sind kaum Aussagen über unerwünschte Effekte möglich, da es keine Standards für die Zubereitung der Extrakte gibt.
Ist Bocksdorn besser als heimisches Obst?
Hagebutten übertreffen mit ihrem Vitamin-C-Gehalt Goji-Beeren, enthalten darüber hinaus Vitamin A, B1, B 2 und K. Brombeeren werden nicht nur in der chinesischen Medizin ähnlich eingesetzt wie Goji, sondern enthalten auch ähnliche Vitamine und Mineralstoffe – und wenn die Brombeeren aus dem eigenen Garten kommen, vermeiden Sie mögliche Pestizidrückstände.
Schlehe liefert Calcium, Magnesium, Eisen und Vitamin C. Johannisbeere bietet reichlich Vitamin C und Calcium. Gute Lieferanten für Carotinoide sind zum Beispiel Spinat, Paprika, Grünkohl, grüner Blattsalat, Tomaten oder Melonen.
Kurz gesagt: Es ist zwar nichts dagegen einzuwenden, Goji-Beeren zu essen, weil sie gut schmecken. Als „Superfood“, um sich Vitamine und Mineralstoffe zuzuführen, sind sie hingegen bestenfalls überflüssig. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
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- Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart: Nachgefasst: Pestizide in Goji-Beeren, 2010 (abgerufen am 11.01.2022), Baden-Württemberg - Die Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit
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- Verbraucherzentrale: Goji-Beeren in Kapseln – Wirkung nicht bewiesen, 2021 (abgerufen am 11.01.2022), verbraucherzentrale
- Sue Jing-Wu, Lean-Teik Ng, Chin-Ching Lin: Antioxidant activities of some common ingredients of traditional chinese medicine, Angelica sinensis, Lycium barbarum and Poria cocos; in: Phytotherapy Research, Volume 18, Issue 12, Seiten 1008-1012, 2004 , Wiley Online Library
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