Die Schlüsselblume kennen wir als Frühblüher im Garten und als Zierde, kaum aber als Heilpflanze. Dabei galt sie einst als Schlüssel zum Himmel, diente in der Volksmedizin als Mittel gegen Schmerzen, Husten, entzündete Atemwege und psychische Verstimmungen wie Angst oder Nervosität. Sie half außerdem, wie Baldrian, beim Einschlafen. Viele dieser Wirkungen sind wissenschaftlich belegt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Primula veris
- Volksname: Arzneischlüsselblume, Himmelschlüssel, Waldprimel, Fünfwundenblume, Kirchenschlüssel, Maiblümel, Peterschlüssel
- Pflanzenfamilie: Primelgewächse (Primulaceae)
- Verwendete Pflanzenteile: die getrockneten ganzen Blüten mit Kelch, Wurzeln
- Anwendungsgebiete:
- Katarrhe der Atemwege
- Angstzustände (Volksmedizin)
- Schlaflosigkeit und psychische Erregung
- Kopfschmerzen und Hautausschlag (frische Pflanze)
Inhaltsstoffe
Schlüsselblume enthält Triterpensaponine, Primulasaponin und Primulacrosaponin. Dominierendes Sapogenin ist dabei Protoprimulagenin. L-Rhamnose und D-Galactose sind Monosaccharidkomponenten. Diese Seifenstoffe lösen zähen Schleim bei Erkältungen, Bronchitis oder Nasennebenhöhlenentzündung.
Hinzu kommt das Phenolglykosid Primulaverin, das beim Trocknen etwas ähnliches wie Salicylsäure bildet und Schmerzen lindert. Ein weiteres Phenolglykosid ist Primverin. Außerdem bietet Schlüsselblume ätherisches Öl, mineralische Spurenelemente in den Wurzeln sowie Kalisalze in den Blüten. Die Blüten enthalten Flavonoide wie Apigenin und Luteolin, dazu Kämpferol- und Quercetinglykoside, außerdem Carotinoide.
Wirkungen – Gegen Erkältung und Bronchitis
Primulaverin wirkt sedativ als (leichtes) Schmerzmittel, und insofern lässt sich die Blume des Jahres 2016 der Loki Schmidt Stiftung (zum Beispiel gegen Kopfschmerzen einsetzen. Blüten und Wurzeln stillen Husten, sie fördern den Auswurf und lösen Schleim bei Entzündungen der Atemwege, Bronchien und Nasennebenhöhlen. Schlüsselblume treibt den Harn, löst Krämpfe und wirkt abschwellend.
Die Triterpensaponine wirken als Schleimlöser, nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung, indem sie über die Nerven in der Magenschleimhaut die Bronchialmuskeln anregen. Das Bronchialsekret wird durch diesen Reflex dünnflüssiger, ein Hustenreiz entsteht, und der Schleim lässt sich leichter abhusten.
Mischungen in der Phytomedizin
Käufliche Tees mit Schlüsselblume enthalten häufig weitere Pflanzen, die die Wirkung ergänzen beziehungsweise verstärken, zum Beispiel Thymian, Enzian oder Holunder. So enthält Thymian zum Beispiel mehr ätherisches Öl.
Allergien und Nebenwirkungen
Schlüsselblumentee gilt als gut verträglich. Falls Sie aber an einer Allergie gegen Primelgewächse leiden, sollten Sie auf diesen verzichten. Kombinierte Präparate können außerdem Alkohol enthalten, hier ist Vorsicht bei Kindern und bei Alkohlsucht geboten.
An seltenen Nebenwirkungen sind Magenbeschwerden bekannt wie Brechreiz oder Magenschmerzen. Kinder unter 12 Jahren, Schwangere und Stillende sollten keine Schlüsselblumen einnehmen, da es noch keine validen Untersuchungen gibt, ob die darin enthaltenen Stoffe für diese Gruppen unproblematisch sind.
Anwendung in der Komplementärmedizin
Offiziell in Deutschland sind Wurzel und Blüten durch die Kommission E (Sachverständigenkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)) bei Katarrhen der Luftwege anerkannt, laut ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy) bei produktivem Husten und chronischer Bronchitis, laut HMPC (European Medicines Agency´s Committee on Herbal Medicinal Products) als pflanzliches Arzneimittel.
Zu den Nebenwirkungen dieser Phytomedizin gehören indessen Magenbeschwerden wie Übelkeit und Magenschmerzen und Übelkeit. Ein eventueller, ergänzender Einsatz von Schlüsselblume bei Magenerkrankungen sollte nur nach ärztlichem Rat erfolgen.
Schlüsselblume in der Apotheke
Als Fertigpräparat in der Apotheke und / oder Drogerie erhalten Sie Primelwurzel in Form von
- Tee,
- Trockenextrakt (Kapseln, Tabletten, lösliche Tees),
- flüssigen Extrakt (Tropfen und Säfte),
- Tinktur (Tropfen und Lösungen)
- und Dickextrakt (Saft, Sirup),
Blüten als
- Tee,
- Teemischung zum Beispiel mit Thymian oder Enzian
- und Pulver oder Dragees.
Naturheilkunde
In der Naturheilkunde Mitteleuropas dient ein Tee aus den getrockneten wie frischen Blüten der Schlüsselblume dazu, besser einzuschlafen und psychische Erregung zu dämpfen. Der Tee soll nervöse Stimmungen ebenso lindern wie unbegründete Ängste und helfen, bei Stress zu entspannen.
Auflagen mit Tee aus den Wurzeln sowie Waschungen mit dem Extrakt sollen in der Naturheilkunde gegen Gelenkschmerzen (Gelenkrheuma), Prellungen, Quetschungen und Verstauchungen helfen.
In der traditionellen Medizin Mitteleuropas galt ein Extrakt aus der Schlüsselblume als Mittel gegen Stottern. Außerdem wurde das Primelgewächs eingesetzt gegen Schwindel, die sogenannte Hysterie und gegen Herzklopfen.
Schlüsselblumentee als Hausmittel
Einen Tee aus den Wurzeln der Schlüsselblume bereiten Sie aus einem Teelöffel getrockneter Wurzeln und 250 Milliliter kaltem Wasser zu. Sie kochen alles auf, lassen es zehn Minuten ziehen und seihen es dann ab. Für einen Tee aus den Blüten übergießen Sie zwei Teelöffel davon mit heißem, aber nicht kochendem Wasser, lassen es einige Minuten ziehen und seihen es dann ab. Bei einer Erkältung trinken Sie zwei bis drei Tassen pro Tag, um den Schleim zu verflüssigen.
In der Küche
Junge Blätter lassen sich roh essen und Salaten zugeben oder in Suppen kochen. Die Blüten dienen dazu, Salate zu dekorieren. In der Vergangenheit wurden Schlüsselblumen im Frühling gesammelt und aus den Blüten Sirup, Likör und eine Art Wein hergestellt. Heute stehen die Pflanzen in den meisten Bundesländern Deutschlands auf der Roten Liste der gefährdeten Arten und damit unter Naturschutz.
Hildegard von Bingen – Der Himmelsschlüssel
Die heilkundige Äbtissin Hildegard von Bingen schrieb im Mittelalter: „Der Himmelsschlüssel also bekommt vor allem von der Kraft der Sonne seine Stärke. Daher hält er auch im Menschen die Melancholie nieder. Ein an ihr Leidender soll dies Kraut auf dem bloßen Leibe über dem Herzen tragen.“ (Aus den Schriften der Heiligen Hildegard von Bingen, Leipzig 1922)
Mythologie – Der Schlüssel der Elfen
In der Mythologie der Griechen und Römer spielte die Schlüsselblume als nördlichere Pflanze keine Rolle. Ganz anders sah es in den Mythen der Kelten und Germanen aus. Hier ist sie einer der Lieblinge der Nixen, Elfen und Undinen, die sie beschützten. Begriffe wie Himmelschlüssel oder Kirchenschlüssel zeigen, dass im christlichen Glauben Heilwirkung und Form der Pflanze (Schlüssel) Assoziationen ermöglichten, die heilende Pflanze als Schlüssel zum Himmel zu sehen.
In Volksmärchen Europas steht sie meist in Verbindung mit Schätzen. Die „Schlüsselform“ inspirierte die Fantasie, dass die „Himmelsschlüssel“ in Gefäßen wüchsen, an deren Grund sich Gold befände. Wer diesen Schatz an sich nähme, müsste die Blume danach wieder einsetzen, sonst würde er für den Rest seines Lebens von einem schwarzen Hund verfolgt.
Schlüsselblume selbst sammeln?
Echte Schlüsselblume steht in Deutschland aus gutem Grund unter Naturschutz, denn die Pflanze ist selten geworden. Entweder Sie kaufen fertigen Tee wie Präparate in der Apotheke, oder Sie kultivieren die Blumen selbst und sorgen so in ihrem Garten für Zierde und Hausarznei zugleich.
Die Wurzeln sammeln Sie im Herbst, die Blüten im Frühling. Die Wurzeln trocknen Sie in der Sonne, Blätter und Blüten hingegen an einem luftigen Ort im Schatten. Wurzeln und Blätter lagern Sie in Papiersäckchen, die Blüten besser in Gefäßen aus Glas oder Porzellan.
Verbreitung
Schlüsselblume wächst in Europa an sonnigen Standorten. Sie meidet heiße Regionen am Mittelmeer und den hohen Norden. Sie wächst zerstreut, westlich der Elbe im Tiefland nur sehr selten. Der Grund für das teilweise inselartige Vorkommen ist die Vorliebe der Blume für Kalk. Sie wächst nur auf Böden, die viel Kalk enthalten und wenig Stickstoff. Sie mag lockeren Lehmboden mit viel Humus.
Die Echte Schlüsselblume ist typisch für trockene Wiesen, offene Laubmischwälder, Waldränder an Eichenwäldern, Hainbuchenwälder und Seggen-Buchenwälder. Sie liebt kalkreiche Mittelgebirge, fehlt aber im Hochgebirge. In Deutschland ist der „Himmelsschlüssel“ auch durch die hohe Stickstoffbelastung durch Abgase und Mineraldünger selten geworden. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Apel, Lysanne; Kammerer, Dietmar; Stintzing, Florian C. et al.: Comparative Metabolite Profiling of Triterpenoid Saponins and Flavonoids in Flower Color Mutations of Primula veris L.; in: Inter-national journal of molecular sciences, Volume 18, Issue 1, 2017, mdpi
- Baczek, Katarzyna; Przybył, Jarosław; Mirgos, Małgorzata et al.: Phenolics in Primula veris L. and P. elatior (L.) Hill Raw Materials; in: International Journal of Analytical Chemistry, Volume 2017, Pages 1-7, 2017, hindawi
- Hiller, Karl; Melzig, Matthias F.: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Zweiter Band L bis Z. Heidelberg-Berlin 1999
- Hammer, P. Allen: 19 - Other Flowering Pot Plants. I. Primula; in: Introduction to Floriculture (Second Edition) 1992, Pages 477-509, Available online 7 September 2012, sciencedirect
Wichtiger Hinweis:
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