Die Einbeere trägt vier Laubblätter unter einer endständigen Blüte. Aus einem Fruchtknoten in deren Mitte entwickelt sich eine blauschwarze Beere. Kraut, Wurzel und Beere dienten früher als Heilpflanze, werden aber heute wegen ihrer Giftstoffe nicht mehr verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Paris quadrifolia
- Volksnamen: Dollwurz, Kleine Tollkirsche, Pestbeere, Teufelsbeere, Sauauge, Fuchsauge, Fuchstrauben, Augenkraut, Krähenauge, Teufelsauge, Schlangenauge, Sternkraut, Schwarzblattkraut, Kreuzkraut, Blatternblatt, Wolfskraut
- Familie: Germergewächse (Melanthiaceae)
- Verbreitung: Von Europa bis zur Mongolei
- Verwendete Pflanzenteile: Einbeere als solche wird in der evidenzbasierten Medizin nicht mehr eingesetzt, Stoffe aus dem Rhizom haben indessen Potenzial gegen Krebserkrankungen. Historisch wurde das zur Blütezeit gesammelte und getrocknete Kraut verwendet, ebenso die Wurzel und die Beere.
- Inhaltsstoffe: Die Steroidsaponine / Glykoside Paridin und Paristyphnin, außerdem andere Saponine, Pennogenin, Pektin, Asparagin
- Anwendungsgebiete: Einbeere ist giftig und sollte nicht als Hausmittel eingesetzt werden. Isolierte Stoffe haben indessen ein Potenzial für die Krebsmedizin, für die Steigerung der Herzfrequenz, als Schmerz- und Narkosemittel.
Einbeere – Eine Übersicht
- Einbeere ist von der Loki Schmidt Stiftung zur Blume des Jahres 2022 gekürt worden, da sie als Charakterpflanze für den Schutz der Wälder steht.
- Die vierblättrige Einbeere ist nur eine von mehr als 30 Arten der Gattung Paris. Andere Arten sind in der Volksmedizin Ostasiens verbreitet.
- Pharmakologische Studien der Arten der Gattung zeigen ein Spektrum von Effekten gegen Tumore, Mikroben, Pilze und Entzündungen. Zugleich ist das Rhizom toxisch.
- Der Gattungsname Paris bezieht sich nicht auf die Stadt, sondern auf die altgriechische Mythologie. Einbeere steht hier für den Erisapfel, um den sich die Göttinnen Juno, Minerva und Venus mit dem Helden Paris versammelten.
- Einbeere wirkt bei Pferden giftig. Dies zeigt sich als Magen- und Darmbeschwerden wie Durchfall und Übelkeit, bei größeren Mengen auch als Schäden am zentralen Nervensystem mit Muskelzucken.
Inhaltsstoffe
Einbeere enthält die Steroidsaponine / Glykoside Paridin und Paristyphnin, Pennogenin, Asparagin, Pektin sowie andere Saponine (Seifenstoffe). Saponine sind Pflanzenstoffe, die auch in Hülsenfrüchten, Spargel und Spinat, Tomaten, Kartoffeln und Knoblauch vorkommen. Sie schützen Pflanzen gegen Mikroben und wirken Entzündungen entgegen.
Enthalten die Zellmembranen der Pilze Sterine, dann reagieren die Seifenstoffe. Sie öffnen Poren in den Zellmembranen, lassen so Flüssigkeit einströmen und töten auf diese Art den Pilz.
Saponine schützen auch vor tierischen Fressfeinden; sie wirken auf Insekten und andere Wirbellose giftig.
Seifenstoffe heißen sie, weil ihre Moleküle sich teils in Wasser, teils in Fett lösen und so einen Schaum bilden. Diese Eigenschaft macht sie zu beliebten Hustenmitteln, da sie Erkältungsschleim verflüssigen und das Abhusten erleichtern.
Medizinische Wirkung
Saponine beugen vermutlich Darmkrebs vor. Der Wirkmechanismus ist noch nicht bekannt.
Möglich wäre folgendes: Erstens könnten die Seifenstoffe die Immunsystem stärken; zweitens könnten sie krebsfördernde Stoffe bekämpfen und drittens könnten sie direkt Krebszellen attackieren.
Eine polnische Studie von 2014 untersuchte die steroidalen Saponine in der Wurzel der Einbeere. Vier Spirostan-Saponine der Pflanze wurden erstmals isoliert. Sechs isolierte Stoffe im Pflanzenextrakt wurden auf ihre Auswirkungen auf Tumorzellen untersucht mit dem Ergebnis, dass sie diese deutlich eindämmen.
Eine weitere polnische Studie von 2015 fand heraus, dass die aus der Einbeerwurzel isolierten Saponine PS 1 und PS 2 Zell-Linien von Adenokarzinomen des Gebärmutterhalskrebses stark zurückdrängten und Prozesse förderten, die zum programmierten Tod der Krebszellen führten.
Trotz ernster Sicherheitsprobleme durch die Giftigkeit wird Einbeere in der Volksmedizin eingesetzt, um Kopfschmerzen, Nervenschmerzen, Gelenkschmerzen und Muskelschmerzen zu behandeln. Außerdem wird sie gegen Geschwüre im Genitalbereich und Muskelkrämpfe genutzt sowie dazu, den Herzschlag zu beschleunigen.
Traditionell wird die Pflanze auch als Narkotikum und als Gift verwendet. Historisch weit verbreitet war der Einsatz von Einbeere als Brechmittel, um Darm und Magen zu reinigen.
Das in der Einbeere vorhandene Paridin wirkt ähnlich wie Fingerhut (Digitalis) und steigert tatsächlich die Herzfrequenz. Das Glykosid Paristyphin hat eine stark narkotisierende Wirkung. Eine Berliner Studie von 2012 zeigte im Tierversuch, dass Paridin die normale Herzschlagrate im Herzmuskel der Ratten steigerte.
Einbeere – Toxische Wirkung
Die Saponine mancher Pflanzen sind giftig für Menschen und viele Tiere. Dazu gehören diejenigen der Kornrade (Agrostemma githago), des Salomonsiegels (Polygonatum) und auch die in der Einbeere.
Der Konsum größerer Mengen von Einbeeren zersetzt das Blut. Das zentrale Nervensystem wird beschädigt, ebenso die Nieren und die roten Blutkörperchen.
Bereits der Konsum einer einzelnen Beere kann erste Vergiftungssymptome auslösen: Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen und Schwindel. Die Pupillen erweitern sich.
Eine hohe Dosis beim Konsum mehrerer Beeren kann Krämpfe auslösen und zum Tod durch Atemlähmung führen. Da Einbeeren unangenehm schmecken, sind Vergiftungen sehr selten.
Meist bleibt es bei lokalen Effekten. Dazu zählen Reizungen der Darm- und Magenschleimhäute durch die Saponine.
Einbeere in der Medizingeschichte
Einbeere wurde historisch in der Medizin als Paridis herba (Einbeerkraut) oft verwendet. Dabei handelt es sich um die getrockneten oberirdischen Pflanzenteile.
Diese wurden eingesetzt, um Wunden zu behandeln, gegen Hautgeschwüre, gegen entzündete Augen und rheumatische Leiden. Die Behandlung von Augenerkrankungen mit Einbeere hatte einen magisch-sympathetischen Hintergrund (Signaturlehre), worauf heute noch Volksnamen hinweisen wie Krähenauge, Fuchsauge, Sauauge oder Schlangenauge.
Es gab die Vorstellung, dass etwas, das im Aussehen oder durch die übertragenen Eigenschaften an etwas anderes erinnert, dieses heilen sollte. Die einzelne Frucht der Einbeere wurde mit einem Auge assoziiert, deswegen sollte die Pflanze die Augen heilen.
Außerdem galt Einbeere als Mittel gegen die Pest. Mit dem Saft der Einbeere wurden Dinge gereinigt, die Pestkranke berührt hatten. Darum hieß sie Pestbeere. Auch hier handelte es sich um „magische Assoziationen“.
Die blauschwarze Beere sieht ähnlich aus wie die Schwellungen der Beulenpest, die durch angeschwollene Lymphknoten entstehen. Fälschlich ging man davon aus, dass etwas, das aussieht „wie eine Pestbeule“ die Pest heilen könnte.
Johannes Francke überlieferte 1618 die magischen Zuschreibungen der Einbeere: „Diß Beerlein ist von Gestalt wie ein Augapfel oder Äuglein anzusehen…” und darum „…zu den kranken und bösen Augen / ein sehr nützlich und heilsam Kraut.“
Die Einbeere wurde auch gegen Tollwut eingesetzt, als Alternative zur Tollkirsche. Daher stammt ihr Name „Kleine Tollkirsche“. Hier handelte es sich um eine Übertragung nicht des Aussehens, sondern der Vergiftungssymptome.
Die Tollkirsche kann Zustände und Verhalten auslösen, das als „Tollheit“ bezeichnet wurde: Verlust der Selbstkontrolle, manische Schübe, „Außer sich sein“, Raserei. Ähnliche Zustände treten auch bei einer Tollwuterkrankung auf.
Ein chinesischer Review von 2021 fand neben diesen magischen Zuschreibungen auch folgende medizinische Anwendungen für Arten der Gattung: Das getrocknete Kraut, der Saft der Beeren und die Wurzel galten als Mittel gegen Entzündungen in Ohr und Nase, Schwindelanfälle, Schlaflosigkeit und ausbleibende Monatsblutungen. Der Saft der frischen Blätter wurde auf schlecht heilende Wunden aufgetragen.
Einbeere und Heidelbeere
Heidelbeere und Einbeere lassen sich leicht verwechseln, da beide zur gleichen Zeit reifen und ein ähnliches Waldbiotop besiedeln – auch wenn die Heidelbeere deutlich saureren Boden bevorzugt.
Heidelbeeren wachsen auf Moor-, Wald- und Heideboden, Einbeere wächst vor allem im feuchten Auwald. Diese Biotope überschneiden sich, besonders im Übergang zwischen Auwald und Moor.
Wegen der Giftigkeit der Einbeere kann diese Verwechslung ähnlich unangenehme Folgen haben wie beim Verwechseln von Speisepilzen und ihren toxischen Doppelgängern.
Die Früchte / Beeren beider Pflanzen sind sich sehr ähnlich und von Laien nicht zweifelsfrei zu unterscheiden. Beide sind blauschwarz bis dunkelblau. Die Einbeere ist zwar ein wenig größer, das fällt aber im Freiland und ohne direkten Vergleich kaum auf.
Auch für Laien leicht erkennbar ist aber, wie der Name sagt, die einzige Beere am Stängel der Einbeere. Ein Heidelbeerstrauch bringt hingegen mehrere Früchte hervor. Zudem hat die Einbeere vier große Blätter, die Heidelbeere hingegen mehrere kleine.
Was tun bei einer Vergiftung?
Wenn Sie versehentlich eine Einbeere gegessen haben, versuchen Sie als erstes, Pflanzenreste in Mund und Rachen auszuspucken. Gurgeln Sie mit Wasser und ziehen dies durch die Zähne, um Beerenteile auszuspülen, die dort hängengeblieben sind.
Trinken Sie viel. Es gibt kein spezifisches Antidot, die Medizin wird, falls nötig, den Magen ausspülen und Ihnen medizinische Kohle verabreichen, die die Giftstoffe aufnimmt.
Wo wächst die Einbeere?
Einbeere gedeiht in den kühlen und kühl gemäßigten Regionen Europas und Nordasiens. In Deutschland ist sie generell weit verbreitet, kommt allerdings in Norddeutschland nur in bestimmten Gebieten vor.
Sie braucht mäßig feuchte und sickerfeuchte Böden, wie sie typisch für Auwälder an Flussufern sind. Außer Auwäldern ist sie auch in Laubmischwäldern und Laubwäldern anzutreffen, wenn ausreichend Grundwasser und Nährstoffe vorhanden sind.
Einbeere ist ein Anzeiger für Grundwasser. Einbeere ist zwar noch nicht selten, ihre Bestände sinken aber, und deswegen steht sie bereits in sechs Bundesländern als gefährdet auf der Roten Liste. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Volker Fintelmann, Rudolf Fritz Weiss: Lehrbuch der Phytotherapie, Stuttgart, 2005
- Jerzy Gajdus, Zbigniew Kaczynski, Anna Kawiak et al: Isolation and identification of cytotoxic compounds from the rhizomes of Paris quadrifolia L.; in: Pharmacognosy Magazine, Volume 10, Issue 38, Seiten 324-333, 2014, Pharmacognosy Magazine
- Yu-Gang Ding, Yan-Li Zhao, Ji Zhang et al.: The traditional uses, phytochemistry, and pharmacological properties of Paris L. (Liliaceae): A review; in: Journal of Ethnopharmacology, Volume 278, 2021 , ScienceDirect
- Kristina Jenett-Siems, Nadin Krause, Karsten Siems et al.: Chemical composition and biological activity of Paris quadrifolia L.; in: Zeitschrift für Naturforschung, Volume 67, Issue 11-12, Seiten 565-570, 2012, Degruyter
- Justyna Stefanowicz-Hajduk, Rafal Bartoszewski, Sylwia Bartoszewska et al.: Pennogenyl Saponins from Paris quadrifolia L. Induce Extrinsic and Intrinsic Pathway of Apoptosis in Human Cervical Cancer HeLa Cells; in: Plos One, 2015, PLOS ONE
- Elfrune Wendelberger: Heilpflanzen. Erkennen, sammeln, anwenden. München / Wien / Zürich, 2003
- Max Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Lage, Stuttgart, 2008
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.