Esskastanien sind nicht mit Rosskastanien verwandt, sondern sehen nur ähnlich aus. In den Bergen Südeuropas dienen sie als Grundnahrung, hierzulande als Snack auf dem Weihnachtsmarkt. Sie bieten Nährstoffe in Fülle und füllen nicht nur den Magen sondern bieten Inhaltsstoffe mit viel Potenzial für unterschiedliche medizinische Anwendungen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Castanea sativa
- Volksnamen: Edelkastanie, Macrone, Marone, Maroni (Österreich), Marroni (Schweiz), Marrone, Marren, Questenboum, Kesten, Castane, Kiestebum, Köstenbaum
- Familie: Buchengewächse (Fagaceae)
- Verbreitung: Süd- und Südosteuropa sowie Westasien auf kalkhaltigen Sandböden, der Ursprung liegt vermutlich im Kaukasus.
- Verwendete Pflanzenteile: Rinde, Blätter und Früchte (Kastanien)
- Inhaltsstoffe: Eisen, Kalium, Calcium, Kupfer, Magnesium, Mangan und Phosphor, Vitamine A, B2, B3, C und E, Flavonoide, Gerbstoffe und Linolsäure, Stärke und Saccharose
- Anwendungsgebiete: Durchfall, Schuppen, Entzündungen in Hals, Mund, und Rachen, Würmer, Gicht, Heiserkeit und Stimmverlust, Husten
Esskastanie – ein Überblick
- Der älteste Baum Europas ist eine mehrere tausend Jahre alte Esskastanie auf Sizilien am Ätna.
- Esskastanien sind erst ab 30 Jahren „erwachsen“, dann bilden sie jedoch über Jahrhunderte Früchte.
- Maronen waren in der frühen Neuzeit in Felsregionen südlich der Alpen als Grundnahrung wichtiger als Getreide.
- Ein großer Kastanienbaum liefert pro Jahr rund 150 bis 200 Kilogramm Nussfrüchte, damit kann sich ein Mensch ein ganzes Jahr lang ernähren.
- Die Edelkastanie ist die einzige echte europäische Kastanie. Die Rosskastanie (Aesculus) ist trotz ähnlichen Aussehens nicht mit Castanea sativa verwandt.
- Industrialisierung, Landflucht und Waldrodung ließen die Kastanienwälder schrumpfen. Erst seit wenigen Jahrzehnten erholen sie sich.
- Die Esskastanie liebt direkte Sonneneinstrahlung und warme Temperaturen, einen lockeren Boden mit Humus, und das Substrat sollte Kalk enthalten. Sie stellt ansonsten wenig Ansprüche.
- In Deutschland wächst die Esskastanie besonders in den „Wärmeinseln“ am Rhein, wo auch andere wärmeliebende Arten wie Smaragdeidechsen und Bienenfresser vorkommen, in der Pfalz gibt es ganze Maronenwälder.
- Nördlich der Alpen ist die Esskastanie nur wenig verbreitet: Die Blüten sterben bei Spätfrost, der Baum verträgt Wind und kalte Zugluft nur sehr schlecht.
Esskastanie – Inhaltsstoffe
Die Nussfrüchte bestehen zu 39 Prozent aus Wasser, zu 42 Prozent aus Stärke und zu zweieinhalb Prozent aus Fett. Maronen enthalten Eisen, Kalium, Calcium, Kupfer, Magnesium, Mangan und Phosphor als Mineralstoffe und Spurenelemente, an Vitaminen A, B2 und B3, C und E. Hinzu kommen Flavonoide, Gerbstoffe und Linolsäure.
Die Nüsse bieten sehr viele Kohlenhydrate in Form von Stärke und Saccharose – im Unterschied zu anderen Nüssen, welche vor allem Fette enthalten. Die Proteine enthalten kein Prolamin und Glutenin, deswegen muss das Mehl mit anderen Mehlen gemischt werden, um backfähig zu sein. Das wenige Fett enthält prozentual reichlich Linol- und Linolensäure.
Die Apotheke der Bergbauern
Bereits ein griechischer Arzt der Antike, Dioscorides, erwähnte die Esskastanie in der Medizin. In der Volksheilkunde wurden die Rinde, die Blätter, die Blüten und Nussschalen eingesetzt, um Blutungen zu stoppen, die Wundheilung zu beschleunigen und Durchfall zu beenden.
In Südeuropa war die Esskastanie über Jahrhunderte nicht nur das „Brot des kleinen Mannes“, sondern auch die Apotheke der Bergbäuerinnen und Bergbauern: Ein Tee aus den Blättern ist Hausmittel gegen Entzündungen in Mund, Rachen, Mandeln und Hals sowie gegen Husten und die Symptome einer Erkältung. Die Nüsse werden gegen allerlei Beschwerden eingesetzt: Fieber, Infektionen, Nierenerkrankungen, Übelkeit, Muskelschmerzen, Bauchschmerzen, Gelenkentzündungen und äußere Wunden.
Maronen – medizinische Wirkungen
Neuen Studien zufolge hat Castanea sativa ein deutliches antioxidatives Potenzial. Esskastanie enthält Flavonoide, die in der Wissenschaft als Antioxidantien bekannt sind. Getestet wurden Extrakte aus den Blättern; sowohl Extrakte auf Wasser- wie auf Methanol- und Ethylbasis bremsten in der Untersuchung freie Radikale, also Sauerstoffansammlungen im Körper, die die Zellen schädigen.
Verantwortlich sind die phenolischen Komponenten. Esskastanienextrakte schützen demnach effektiv die Zellwände vor Schäden durch oxidativen Stress. Da oxidativer Stress ein wichtiger Faktor beim Fortschreiten eines Diabetes ist, helfen Maronenextrakte auch gegen diese Erkrankung.
Eine italienische Studie von 2016 erkennt ein deutliches Potenzial von Extrakten aus den Schalen der Esskastanie gegen bestimmte Krebsformen, beziehungsweise einen positiven Einfluss auf biochemische Prozesse, die im Körper karzinogen wirken.
Kastanien gegen Mikroben
Eine aktuelle Studie kam zu folgendem Ergebnis: Extrakte aus Esskastanie zeigen Effekte gegen Mikroben. Die „Mikrobenkiller“ in der Pflanze sind besonders die Flavonoide Quercetin und Rutin. Und auch gegen pathogene Pilze wirkt Marone.
Kastanienextrakte zeigten sich in einer anderen neuen Studie potenziell wirksam gegen Zellschäden durch UV-Strahlen und gegen Hauterkrankungen, die durch UV-Strahlen ausgelöst werden.
In einer weiteren Studie zeigte sich im Tierversuch und an kultivierten Herzzellen ein großes Potenzial von Kastanienextrakten gegen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Esskastanien-Tee
Tee aus Maronenblättern wird als Hausmittel gegen Bronchitis und andere mit Husten verbundenen Entzündungen der Atemwege getrunken, und als Spülung gegen Infektionen in Mund, Rachen und Hals eingesetzt. Geerntet werden die Blätter für den Tee am besten im Herbst. Für eine große Tasse Tee übergießen Sie ein frisches oder getrocknetes Blatt mit einem Viertelliter kochendem Wasser und lassen die Flüssigkeit fünf Minuten ziehen.
Esskastanie zubereiten
Maronen schmecken süß nach Nüssen. Sie lassen sich auf vielfältige Art nutzen. Da die Kastanien kein Gluten enthalten, können auch Menschen, die an Zöliakie leiden, das Mehl als Ersatz für Getreidemehl verwenden. Die Kastanien lassen sich kochen, rösten, backen oder braten.
An Fertigprodukten gibt es unter anderem Maronenmehl, Maronencreme, Maroni in Alkohol, kandierte Maronen für Marrons Glacés, glasierte Maroni, sowie Pasta, Brot, Gnocchi, Polenta und Backwaren aus Maronenmehl, Maronenflocken für Müslis, Maronenlikör oder Maronenbier.
Rezepte mit Esskastanie
Maronen dienen als Beilage zu Fleischgerichten, zum Beispiel Huhn, Pute, Gans, Kaninchen oder Schwein. Pasteten werden mit den Kastanien gefüllt, Salate zubereitet, und der hohe Zuckergehalt ist Grundlage für Süßspeisen: Maronenmousse, Maroneneis, Maronencreme, Maronensoufflé. Desserts mit Esskastanien sind zum Beispiel castagnacci (Kastanienbrot), balotte (mit Fenchel gekochte Maronen) und Maronenpfannkuchen.
Esskastanie rösten
Maronen lassen sich auf dem Feuer, in der Pfanne oder im Backofen rösten. Vorher werden die Kastanien auf der Bauchseite mit einem Messer kreuzweise eingeschnitten. Sie legen die Früchte bei ungefähr 200 Grad Celsius in den Backofen. Die Maronen sind gut, wenn die Schale sich dunkel färbt und die Einkerbungen weit aufspringen. Sie nehmen die Kastanien gleich vom Blech und essen sie noch warm.
Esskastanien lagern
Frische Esskastanien verderben schnell und müssen konserviert werden, um sie lagern zu können. Traditionell wurden sie fermentiert, indem man sie zu Haufen schichtete. Heute werden sie meist industriell in kaltes Wasser eingelegt, wobei die Milchsäure gärt und die Kastanien so haltbar macht, anschließend werden sie getrocknet. Maronen werden auch haltbar gemacht durch Kühlen, Trocknen, Lagern in Kohlendioxid, Einfrieren und Räuchern.
Esskastanie – Kultur und Geschichte
Esskastanien breiteten sich vor, während und zwischen den Eiszeiten in Wärmeperioden immer wieder aus und zogen sich in Kaltphasen auf „Wärmeinseln“ zurück. Ein Kerngebiet lag zwischen dem Kaspischen und Schwarzen Meer. Hier wurden sie auch im ersten Jahrtausend vor Christi kultiviert. Von dort verbreitete sich die Kulturpflanze nach Kleinasien, Griechenland und Südosteuropa.
Im antiken Griechenland gehörte die Marone zum Küchenalltag, aus dem Mehl wurde Brot produziert, und Griechen wie Phönizier handelten die Kastanien im Mittelmeerraum. Im Römischen Reich wurde die Esskastanie schließlich überall innerhalb der Grenzen angepflanzt, sogar im heutigen England. Legionäre führten sie als Proviant mit sich, und um sie zu verbreiten, reicht es, Kastanien in die Erde zu stecken.
Der Honig, die Rinde, Blätter und Blüten dienten als Medizin, die Kastanien selbst vor allem als Nahrung. Esskastanie war bei den Römern ausgesprochen beliebt, und diverse Schriftsteller berichteten von ihr: Plinius der Ältere, Vergil, Ovid und Dioskurides.
Schweinemast und „schweinischer“ Ruf
Im Süden Europas wurde die Esskastanie im Frühmittelalter eine Basis der Ernährung besonders dort, wo es zu sandig und zu trocken war, um Getreide anzubauen. Castagnatores wurden zu einer eigenen Form von Bauern (wie zum Beispiel Winzer). In Mitteleuropa wurden Edelkastanien oft rund um Klöster in Mittelgebirgen gepflanzt. In Bergregionen bildeten Kastanien im Winter häufig eine der wenigen Quellen, um sich Kohlenhydrate zuzuführen.
Trotz oder gerade wegen ihres Anbaus in marginalen Regionen bekamen die Esskastanien im Spätmittelalter einen schlechten Ruf. Sie wurden zwar in der Volksmedizin nach wie vor als Heilpflanze eingesetzt, galten aber auch als Auslöser für Blähungen, Verdauungsprobleme und unkontrollierte Wollust. Letzeres liegt vermutlich daran, dass sich in der Waldweide die Schweine mit Kastanien mästeten.
In der Neuzeit wurden Edelkastanien als Nahrungsmittel in Südeuropa immer wichtiger – in Spanien und Portugal, in Südfrankreich, auf Korsika, in Italien, der südlichen Schweiz und auf dem Balkan. Für die armen Menschen auf dem Land war die Marone oft die einzige Nahrungsquelle, die immer zur Verfügung stand. Industrialisierung und damit verbundene Landflucht im 19. Jahrhundert dünnten die Kastanienkultur aus, hinzu kamen großflächige Rodungen der Kastanienwälder. Erst seit den 1990er Jahren erholen sich die Wälder wieder.
Esskastanie und Klimawandel
Esskastanie ist eine erstklassige und klimatolerante Nahrungspflanze. Der Baum liebt hohe Temperaturen und die volle Sonne und toleriert Trockenheit, weshalb er bei einem fortschreitenden Klimawandel Vorteile hat gegenüber weniger anpassungsfähigen Arten. Als Baum, dessen Früchte geerntet werden, liefert er große Mengen wertvoller Nahrung, und zwar pro Hektar weit mehr als Getreide. Ein zur Ernte genutzter Kastanienbaum ist außerdem ein ausgezeichneter CO2-Speicher und Wälder mit Edelkastanien bieten vielfältige und wertvolle Lebensräume. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kastanie für die landwirtschaftliche Nutzung sowie für Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung zukünftig an Bedeutung gewinnen wird. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Claude-Alain Calliste, Patrick Trouillas, Daovy-Paulette Allais et al.: Castanea sativa Mill. Leaves as New Sources of Natural Antioxidant: An Electronic Spin Resonance Study; in: Journal for Agricultural Food Chemistry, Volume 53, Issue 2, Seiten 282-288, 2005, ACS Publications
- Antonietta Cerulli, Milena Masullo, Angela Mari et al.: Phenolics from Castanea sativa leaves and their effects on UVB-induced damage; in: Natural Product Research, Volume 32, Issue 10, Seiten 1170-1175, 2018, Taylor & Francis Online
- Alberto Chiarini, Matteo Micucci, Marco Malaguti et al.: Sweet Chestnut (Castanea sativa Mill.) Bark Extract: Cardiovascular Activity and Myocyte Protection against Oxidative Damage; in: Oxidative Medicine and Cellular Longevity, Volume 2013, Article ID 471790, 2013, Hindawi
- Vanessa Silva, Virgilio Falco, Maria Ines Diaz et al.: Evaluation of the Phenolic Profile of Castanea sativa Mill. By-Products and Their Antioxidant and Antimicrobial Activity against Multiresistant Bacteria; in: Antioxidants (Basel), Volume 9, Issue 1, Seite 87, 2020, MDPI
- Angela Sorice, Francesco Siano, Francesca Capone et al.: Potential Anticancer Effects of Polyphenols from Chestnut Shell Extracts: Modulation of Cell Growth, and Cytokinomic and Metabolomic Profiles; in: Molecules, Volume 21, Issue 10, Seiten 1411-1426, 2016, MDPI
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