Fettkraut ist eine weit verbreitete, fleischfressende Pflanze. Sie wird heute kaum noch als Heilpflanze genutzt, trotz ihrer enthaltenen Wirkstoffe. Aber auch als hübsche Zimmerpflanze ist sie beliebt und bekämpft lästige Fliegen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Pinguicula vulgaris
- Volksnamen: Gemeines Fettkraut, Gewöhnliches Fettkraut, Blaues Fettkraut, Kiwitzfettkraut
- Familie: Wasserschlauchgewächse (Lentibulariaceae)
- Verbreitung: Europa, bis weit in den asiatischen Teil Russlands, Grönland, Nordamerika
- Verwendete Pflanzenteile: Blätter
- Inhaltsstoffe: Schleimstoffe, organische Säuren (besonders Zimtsäure), Benzoesäure, Gerbstoffe, ätherische Öle und Enzyme, wie Amylase, Esterase, Phosphatase, Protease und Ribonuklease
- Anwendungsgebiete: Husten, Haarpflege, Hautverletzungen, Geschwüre, Ekzeme, Fieber, Krämpfe, historisch auch Tuberkulose, Knochenbrüche, Leberleiden, Brusterkrankungen, Magenprobleme und Läusebefall
Fettkraut – Eine Übersicht
- Fettkraut ist eine fleischfressende Pflanze, die sich durch das Fangen kleiner Insekten an den Nährstoffmangel in Mooren angepasst hat. Die Blätter sind mit Drüsen bedeckt, die ein klebriges Sekret produzieren, an dem die Insekten haften.
- Die Gattung Fettkräuter umfasst über 100 Arten, wobei nur wenige im deutschsprachigem Raum verbreitet sind. In Deutschland bekannt ist neben dem Gemeinen Fettkraut auch das Alpen-Fettkraut (Pinguicula alpina).
- Das Blaue Fettkraut ist eine charakteristische Pflanze für saure und nasse Böden. Deswegen finden wir es in Mooren, Sümpfen und Feuchtgebieten. Das Alpen-Fettkraut wächst sonnenexponiert im Gebirge bis in eine Höhe von 4100 Meter.
- Da der Lebensraum Moor zunehmend austrocknet ist der Bestand des Fettkrauts stark zurückgegangen. In Deutschland gilt die Pflanze als gefährdet laut Rote-Liste-Kategorie. Weltweit – aufgrund der weiten Verbreitung – gilt sie nicht als gefährdet. In einigen nördlichen Bundesländern Deutschlands ist die Pflanze sogar vom Aussterben bedroht.
- Als Zimmerpflanze ist Fettkraut beliebt, da es Fruchtfliegen und andere störende Insekten einfängt und zudem noch schön anzusehen ist.
- Die Blätter des Fettkrauts dienen als Hausmittel gegen Reizhusten und fiebrige Erkrankungen, auf die Haut gelegt auch zur Wundheilung. Trotz ihres Wirkungsspektrums, wird die Pflanze heute kaum noch als Heilpflanze genutzt.
Fettkraut – Inhaltsstoffe
Fettkraut liefert Enzyme, Benzoesäure, Zimtsäure, Gerbstoffe und ätherische Öle. Als Enzyme sind Amylase, Esterase, Phosphatase, Protease und Ribonuklease bekannt.
Medizinische Wirkungen
Die im Fettkraut enthaltene Benzoesäure wirkt antiseptisch. Sie wird als Konservierungsmittel für Lebensmittel eingesetzt und als Desinfektionsmittel. Die Pflanze selbst nutzt Benzoesäure, um ihre Nahrung „zu lagern“. Die Säure verhindert, dass die gefangenen Insekten verwesen. Benzoesäure tötet Pilze und Bakterien ab. Ein, vor allem historischer, Einsatz der Fettkrautblätter erscheint so plausibel: Gegen infektiöse Hauterkrankungen und zur Heilung äußerer Wunden.
Eine Übersichtsarbeit (2020) beschreibt die Effekte von Zimtsäure, die unter anderem auch im Fettkraut vorhanden ist. Zimtsäure aus Zimtrinde (Zimt) wird als bekannter Wirkstoff zur Behandlung von Krebs, bakteriellen Infektionen, Diabetes und neurologischen Störungen genannt.
Zimtsäure ist für eine entkrampfende Wirkung bekannt. Einige Derivative aus Zimtsäure erwiesen sich als effektiv gegen infektiöse Krankheiten und gegen Prozesse, die beim Entstehen bestimmter Krebsformen eine Rolle spielen (antioxidative Wirkung). Die Autoren betonten, dass mehr Forschung zu den spezifischen Derivativen nötig sei, um das medizinische Potenzial etwa auch in klinischen Studien zu erproben.
Eine direkte Übertragung dieser Erkenntnisse auf die im Fettkraut enthaltene Zimtsäure lässt die Studienlage nicht zu. Lediglich kann vage vermutet werden, dass volksmedizinische Anwendungen der Erfahrungsheilkunde gegen fiebrige Erkrankungen und (bakterielle) Infektionen mit der enthaltenen Zimtsäure zu tun haben könnten.
Mögliche Nebenwirkungen
Studien lassen vermuten, dass Benzoesäure in hohen Dosen über einen großen Zeitraum hinweg zu Verdauungsproblemen führen kann, Krämpfe auslöst und das Nervensystem beeinträchtigt. Bei den geringen Mengen, die in Fettkrautblättern enthalten sind, besteht in der Regel keine Gefahr einer Überdosierung.
Fettkraut in der Volksmedizin
Fettkraut spielt in der modernen Medizin keine Rolle. Das liegt nicht daran, dass es keine erwiesen oder potenziell wirksamen Stoffe enthält, sondern vielmehr daran, dass sich Benzoesäure auch synthetisch herstellen lässt und Zimtsäure aus Benzaldehyd hergestellt werden kann.
Historisch spielten die Blätter eine Rolle in der Pflanzenheilkunde in diversen Ländern. So wurde aus ihnen ein Tee gekocht und bei Husten oder fiebrigen Erkrankungen getrunken. Auch wurden mit dem Tee Wunden ausgewaschen und entzündete Gelenke eingerieben.
Auf äußere Wunden wurde auch ein Umschlag mit dem Sud gelegt. Aufgrund der antibakteriellen und generell antiseptischen Wirkung verschiedener Stoffe der Pflanze erscheinen solche Anwendungen plausibel.
Spezifische Wirkungen des Krauts lassen sich aus den historischen Verwendungen indessen nur schwer ableiten, da Fettkraut oft mit anderen Pflanzen gemischt wurde, zum Beispiel mit Wegerich-Arten (siehe auch Spitzwegerich).
Ein in moorigen Regionen bekanntes Hausmittel gegen Hautgeschwüre waren die zerstoßenen Blätter, die auf die entsprechende Körperregion gelegt wurden. Der Saft der frisch gepressten Blätter wurde genutzt, um die Haare zu spülen und sollte diese stärken und zum Glänzen bringen.
Wasserschlauchpflanzen – fleischfressende Pflanzen
Die Familie der Wasserschlauchpflanzen, zu denen die Fettkräuter zählen, sind meist einjährige Krautpflanzen. Viele Spezies leben im Wasser, manche sind Epiphyten, die auf einem Untergrund aus Holz, anderen Pflanzen, Rinde oder aufgehäuftem Humus Wurzeln schlagen. Alle Wasserschlauchpflanzen sind Fleisch- und Organismenfresser, sogenannte Karnivoren.
Die Bezeichnung „fleischfressende Pflanzen“ ist zwar richtig, genau genommen sind diese Pflanzen aber keine reinen Fleischfresser. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie andere Organismen aus der Luft fangen, um sich mit Nährstoffen zu versorgen. Zu dieser Nahrung zählen kleine Tiere wie Insekten und andere Wirbellose, aber auch Algen und Pollen.
Der französische Botaniker Laurent Legendre erörterte 2013 in einer Übersichtsarbeit: Alle Vertreter der Gattung Pinguicula aus der Familie der Lentibulariaceae sind aktive Tier- und Pflanzenorganfresser.
Der Konkurrenzvorteil der fleischfressenden Pflanzen besteht darin, dass sie auch auf nährstoffarmem Substrat siedeln, wo anderen Gewächsen die Grundlage für ihr Wachstum fehlt. So kommt das Fettkraut etwa auch zwischen Moosen auf Tuffhängen vor, in Hangmooren oder artenarmen Hochmooren, wo kaum andere Pflanzen gedeihen.
Mit glänzendem Schleim auf den dickfleischigen Fangblättern lockt die Pflanze ihre Beute an: Kleintiere wie Mücken oder Ameisen werden vermutlich durch den zähen Schleim angezogen, der von den gestielten Klebdrüsen auf der Blattoberseite abgesondert wird.
Die Tiere bleiben kleben, und ungestielte Verdauungsdrüsen geben einen Saft mit Verdauungsenzymen ab. Dadurch werden die Weichteile der Tiere abgebaut und deren Spaltprodukte von der Pflanze als Nährstoffe aufgenommen. Die Blätter rollen sich dabei ein, so dass die Beute mit möglichst vielen Drüsen in Berührung kommt.
Wie sieht Fettkraut aus?
Blaues Fettkraut wächst bis 20 Zentimeter in die Höhe. Es hat viele dünne weiße Haarwurzeln, und die Blattrosette liegt dicht über dem Boden mit bis zu elf Blättern. Diese Blätter haben eine mattgelbe Farbe und sind elliptisch geformt.
Die blauvioletten Blüten leuchten von Mai bis August und ähneln denen von Veilchen (Alpenveilchen). Innen sind sie weiß mit feinen weißen Härchen. Nach der Blüte entstehen Samenkapseln mit kleinen schwarzen Samen.
Fettkraut in der Wohnung – Was müssen Sie beachten?
Fettkraut braucht einen hellen Standort, aber keine direkte Sonneneinstrahlung. Die Pflanze benötigt eine hohe Luftfeuchtigkeit. Als Substrat eignet sich eine spezielle Karnivorenerde, Quarzsand oder Mulch.
Im Frühjahr können Sie die Pflanzen ins Freiland stellen. Dabei können Sie das Fettkraut jährlich umpflanzen, falls der Topf zu klein geworden ist. Fettkraut lässt sich über Stecklinge und Samen vermehren.
Beim Gießen sollten Sie kein Leitungswasser verwenden, denn als Moorpflanze verträgt diese keinen Kalk. Düngen ist nicht nötig, Fettkraut ist auf nährstoffarme Böden spezialisiert und bezieht die Vitalstoffe aus gefangenen Insekten. Das Substrat muss immer feucht bleiben, doch Staunässe sollten Sie vermeiden.
Fettkraut ist winterhart, im Haus sollte die Temperatur im Winter nicht über 10 Grad steigen. Sie gießen im Winter seltener.
Eine Pflanze gegen Fruchtfliegen und Trauermücken
Fettkraut wird nicht nur als Zierpflanze in der Wohnung gepflegt, sondern auch als lebende Alternative zur Insekten-Klebefallen. Zu diesem Zweck steht die Pflanze gut direkt neben Obstschalen und fängt die Fruchtfliegen, die vom Obst angelockt werden.
Trauermücken sind winzige Insekten, die sich auf Küchenkräutern sammeln. Stellt man Pinguicula zwischen die Kräuter, führt dies im Idealfall dazu, dass die Trauermücken direkt weggefangen werden. Allerdings verhindern die Fleischfresser nicht die Vermehrung der Trauermücken. Deren Larven entwickeln sich im Substrat der Blumentöpfe.
Fettkraut – Weitere Verwendungen
Der norwegische Botaniker Torbjørn Alm erörtert in einem Artikel (2005): Pinguicula vulgaris ist in Norwegen weit verbreitet. In der Volkstradition wird es eingesetzt, um Käse aus Milch zu gewinnen, worauf der Name tettegress verweist: Lab-Gras.
In Nordskandinavien ist das Fettkraut Grundlage einer einzigartigen Spezialität: Die sogenannte Schwedenmilch ist eine besonders sämig schmeckende Sauermilch. Enzyme des Fettkrauts werden extrahiert, indem die Blätter mehrere Stunden eingeweicht werden. Durch diese gerinnt das Milcheiweiß (Fermentation) und damit lassen sich Käseprodukte herstellen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nghonidzashe Ruwizhi and Blessing Atim Aderibigb: Cinnamic Acid Derivatives and Their Biological Efficacy, in: International Journal of Molecular Science, Volume 21, Issue 16, Seite 5712, 2020, MDPI
- Torbjørn Alm: Pinguicula vulgaris (Lentibulariaceae and its uses in Norway), in: SIDA, Contributions to Botany, Volume 21, Issue 4, Seiten 2249-2274, 2005, JSTOR
- Wilhelm Barthlott, Stefan Porembski, Rüdiger Seine und Inge Theisen: Karnivoren: Biologie und Kultur fleischfressender Pflanzen. Ulmer, Stuttgart, 2004
- Andreas Fleischmann und Aymeric Roccia: Systematics and evolution of Lentibulariaceae: I. Pinguicula, in: In: Aaron Ellison, Lubomir Adamec (Hrsg.): Carnivorous plants: physiology, ecology, and evolution, Seiten 70–80, Oxford, 2018, Oxford Academic
- Laurent Legendre: The genus Pinguicula L. (Lentibulariaceae): an overview, in: Acta Botanica Gallica Bontany Letters, Volume 147, Issue 1, 2000 , Taylor & Francis online
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.