Flatter-Binse wächst weit verbreitet in Sümpfen der gemäßigten Breiten. Sie wurde – auch wegen ihrer Häufigkeit – vielseitig genutzt: Als Baumaterial für Hausdächer, als Grundstoff für Textilien und Körbe, als Lampendocht sowie auch als Nahrung und Arzneipflanze. Sie diente in der Heilkunde vor allem dazu, den Harn zu treiben. Forschungsarbeiten identifizierten medizinisch wertvolle Inhaltsstoffe.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Juncus effusus
- Volksnamen: Binse, Flatter-Simse
- Familie: Binsengewächse (Juncaceae)
- Verbreitung: Gemäßigte Zonen der Nord- wie Südhalbkugel
- Verwendete Pflanzenteile: Das Rhizom, die jungen Triebe
- Inhaltsstoffe (Auswahl): Kieselsäure (Silizium), Gerbstoffe, Flavonoide, Cumarine, Terpene, Sterole, phenolische Säuren, Phenanthrene und deren Derivate
- Anwendungsgebiete: In der Volksmedizin als Diuretikum, bei Nieren-, Gallen- und Leberbeschwerden, Ödemen, Sodbrennen und Blasen- und Harnröhrenentzündungen
Flatter-Binse- Eine Übersicht
- Flatter-Binse ist eine Pflanze der Sümpfe, der Ufer und des Flachwassers. Sie besiedelt Feuchtwiesen und Moore, Wassergräben und temporäre Gewässer. Sie lässt sich überall nieder, wo es nass ist, und der Boden keinen Kalk enthält – jedoch viele Nährstoffe.
- Flatter-Binse ist alles andere als selten. Die Redewendung „das ist eine Binsenweisheit“ bezieht sich darauf, dass Binsen allgegenwärtig sind und jeder sie kennt.
- Die Binse ist eine ausdauernde Gartenpflanze. Sie eignet sich ideal, um den Rand des Gartenteichs zu begrünen und macht sich gut im Moorgarten und Sumpfbeet.
- Flatter-Binse enthält vor allem im Rhizom eine Vielfalt an pflanzlichen Sekundärstoffen – im Extrakt zeigte die Pflanze eine entzündungshemmende Wirkung.
- Im Mittelalter wurde aus Flatter-Binse Flechtwerk hergestellt. Das Mark diente als Docht für Öllampen. Die Stängel der Binsen werden von indigenen Kulturen des pazifischen Westens der USA genutzt, um Körbe, Seile und Textilien herzustellen.
- Hauptsächlich wurde das Rhizom der Pflanze eingesetzt, um den Harndrang zu fördern und so Infektionen der Harnwege, Nieren- und Harngrieß zu behandeln.
- Die in den Binsen enthaltene Kieselsäure wird oft als entzündungshemmend angepriesen und als wichtig für den Aufbau der Knochen, Zähne und Haare. Dafür finden sich aber keine wissenschaftlichen Belege.
Flatter-Binse – Inhaltsstoffe
Die medizinisch wirksamen Stoffe finden sich nicht in den Stängeln, sondern im Rhizom, also den Sprossachsensystem in der Erde direkt unter der Oberfläche. Das Rhizom enthält Kieselsäure und Gerbstoffe. Die Gerbstoffe eignen sich durch ihre zusammenziehende Wirkung dazu, Harnwegsinfektionen zu behandeln, indem sie den Urinfluss fördern.
In einem Review (2015) wurden die zahlreichen Inhaltsstoffen zusammenfassend aufgeführt, wie etwa Flavonoide, Cumarine, Terpene, Sterole, phenolische Säuren, Carotine, Phenanthrene und deren Derivate.
Einzelstoffe sind zum Beispiel Effusol, Dehydroeffusol, Juncusol, Dehydrojuncusol, Juncuenin B, Dehydrojuncuenin B, Juncuenin D, Luteolin, Luteolin-5-Methyl Äther und 4 Hydroxy-2,3-Dimethyl-2-Nonen-4-Olid. In einer 2021 veröffentlichten Studie wurde zudem ein neues Phenandren identifiziert: Junfusol B (2).
Medizinische Wirkungen
Flatter-Binsen und nahe Verwandte werden in der Volksmedizin Amerikas, Asiens und Europas eingesetzt. Basierend auf wissenschaftlichen Studien wurden mögliche Wirkungen gegen Krebs (zytotoxische und Anti-Tumor Aktivität), freie Radikale, Ekzeme und Entzündungen sowie eine mögliche leberschützende Wirkung berichtet (siehe Review (2015)).
Eine Studie (2015) aus Japan zeigte bei hoch konzentrierten Extrakten aus der Flatter-Binse unerwünschte zytotoxische Effekte (zelltötende Wirkungen können auch erwünscht sein, um zum Beispiel Krebszellen zu vernichten).
Eine weitere Studie (2016) zeigte aber auch, dass Extrakte deutlich die Lipoxygenase hemmen. Das Lipoxygenase-Enzym ist an Entzündungsprozessen beteiligt und ein Mitauslöser für rheumatische Erkrankungen. Deswegen werden gegen Entzündungen Medikamente eingesetzt, die den Lipoxygenase-Stoffwechsel eindämmen.
Die Studie gibt zu bedenken, dass die beobachtete entzündungshemmende Wirkung auf den Einsatz von Extrakten beruht – eine ähnliche Wirkung durch einfache Zubereitungen wie Tees oder Pulver ist durch diese Studie nicht belegt.
Ist Kieselsäure medizinisch wertvoll?
Kieselerde und Kieselsäureprodukte werden von Herstellern angepriesen mit Wirkungen gegen sprödes Haar, trockene Haut und brüchige Nägel. Kieselsäure (Sauerstoffsäuren des Siliziums) ist als Arzneimittel nicht zugelassen, deswegen werben die Verkäufer mit Beschreibungen wie „traditionell angewendet zur Vorbeugung von brüchigen Fingernägeln und Haaren, zur Kräftigung des Bindegewebes.“ Das hört sich vielversprechend an, sagt aber unterm Strich: Wissenschaftliche Belege für derlei Effekte gibt es nicht.
Tatsächlich ist es zweifelhaft, ob eine solche Wirkung besteht. Es gibt keinen Beweis, dass das Spurenelement Silizium einen notwendigen Mineralstoff im menschlichen Körper darstellt, dessen Mangel zu Erkrankungen führen würde (wie es im Gegensatz dazu zum Beispiel bei Eisenmangel der Fall ist). Ob Silizium in Knochen, Zahnschmelz und Bindegewebe lediglich vorkommt oder dazu dient, diese aufzubauen, ist umstritten. Eine zusätzliche Aufnahme – über Kieselsäure – ist nicht notwendig.
Flatter-Binse in der Volksmedizin
Juncus effusus dient in der Volksmedizin Chinas dazu, Schmerzen beim Wasserlassen zu behandeln und den Schlaf zu fördern. Tees aus dem Rhizom gelten in China als Arznei gegen Halsschmerzen, Entzündungen im Mund und auf der Zunge.
Bei den Cherokee in den USA ist Flatter-Binse ein Brechmittel. In Japan wird sie bei fiebrigen Erkrankungen und entzündeten Wunden eingesetzt.
Aus Europa sind Anwendungen bekannt gegen:
- Infektionen der Harnwege
- Verletzungen, wie Prellungen und Verstauchungen (mit Schwellungen)
- Nierensteine (Nierengrieß)
- Blasensteine
Am häufigsten eingesetzt wurde das Rhizom als Abführmittel, um den Harn zu treiben sowie gegen Ödeme (Wasseransammlungen im Körper).
Mögliche Nebenwirkungen
Flatter-Binse führt selten zu Nebenwirkungen. Die medizinischen Effekte können aber unerwünschte Folgen auslösen, wenn Anwendungen basierend auf dem Rhizom über einen längeren Zeitraum fortgeführt werden. Durch den verstärkten Harndrang wird die Niere beansprucht, und es kann zu Nierenbeschwerden kommen.
Da Flatter-Binse entwässert, müssen Sie darauf achten, viel Tee oder Wasser zu trinken, um eine Dehydration zu vermeiden. Deren Anzeichen sind:
- Durst,
- trockene Schleimhäute,
- Schwindel,
- Kopfschmerzen,
- Gliederschmerzen,
- Konzentrationsprobleme,
- Gleichgewichtsstörungen,
- lähmende Erschöpfung.
Ein Tee aus dem Rhizom kann allergische Reaktionen auslösen. Sie merken dies an einem brennenden Gefühl im Mundraum und einer Rötung der Mundschleimhäute. In diesem Fall müssen Sie ein alternatives Mittel wählen.
Flatter-Binse: Ökologie
Die Flatter-Binse ist immergrün, sie bildet einen Horst, siedelt im Sumpf und entwickelt dort ein langes flaches Rhizom. Die Photosynthese läuft über die rundlichen Stängel, denn die Blätter sind bei dieser Pflanze reduziert..
In den Stängeln zeichnet sich die Pflanze durch ein schwammiges Gewebe aus, das der Durchlüftung dient und vermutlich eine Anpassung an sauerstoffarme Lebensräume darstellt. Dieses besteht aus abgestorbenen Zellen in der Form von Sternen. Dieses Gewebe wird als Mark bezeichnet und diente historisch als Docht für Lampen.
Flatter-Binsen blühen im Juni, Juli und August und werden durch den Wind bestäubt. Die Samen sind winzig und verbreiten sich sowohl durch den Wind als auch durch Anhaften an Tieren. Sie keimen im Licht, so wie auch die Pflanze selbst an offenen Standorten wächst, die direkter Sonneneintrahlung ausgesetzt sind. Außerdem vermehrt die Pflanze sich durch Zweigbildung des Rhizoms.
Wie sieht die Binse aus?
Die Flatter-Binse passt sich den unterschiedlichen Lebensräumen an und dementsprechend vielfältig ist ihr Aussehen. Manche Zwergformen werden nur rund zehn Zentimeter hoch und wachsen einjährig. Andere Flatter-Binsen, die auf nährstoffreichem Schlamm wachsen (zum Beispiel an Teichen), erreichen eine Höhe von bis zu einen Meter und 50 Zentimeter.
Die sogenannte Korkenzieher-Binse ist keine eigene Art, sondern eine Zuchtform der Flatter-Binse. Ihre Halme sind nicht zylinder- sondern spiralförmig und drehen sich wie Korkenzieher.
Flatter-Binse in der Kulturlandschaft
Flatter-Binse breitet sich auf Flächen der Land- und Viehwirtschaft aus. Sie erträgt keinen Schatten, deswegen sind abgeweidete Stellen für sie gut geeignet. Zu ihrem Vorteil wird sie von Rindern, Pferden und Schafen ungern gefressen. Da diese Tiere zugleich die Weiden abgrasen und mit ihren Hufen die übrige Vegetation niedertrampeln, entsteht viel Raum für die Flatter-Binse, wenn die Weiden feucht genug sind. Sie breitet sich dann so sehr aus, dass artenarme Flächen entstehen, weil andere Pflanzen verdrängt werden.
Charakteristisch sind zahlreiche Horste der Binsen, die aus abgeweidetem Grünland herausragen. Flatter-Binsen-Weide ist sogar der Begriff für eine spezielle Pflanzengesellschaft, die sich auf verdichteten, sickernassen Standorten bildet, die reich an Nährstoffen sind. Letzteres ist durch den Kot der Tiere gewährleistet.
Gartenpflanze
Flatter-Binse lässt sich sehr leicht im Garten anpflanzen und pflegen. Sie ist eine ideale Bepflanzung für die Uferzone eines Gartenteichs, für ein Sumpfbeet oder einen Moorgarten. Die Binse erfüllt dort eine wichtige Funktion: Sie reinigt das Wasser.
Am besten eignet sie sich für einen Standort am Teichrand, der hin und wieder überflutet wird, durch Regen oder Auffüllen des Wassers. Das Substrat sollte aus Mulch und Lehm bestehen, auch Kompost nimmt die Binse gerne an. Dieser sollte aber keine Eierschalen enthalten. Der Teich sollte in einem sonnigen Bereich liegen, im Schatten größerer Bäume gedeiht die Binse nicht.
Sie können kleine Horste der Flatter-Binse in der Abteilung für Wasserpflanzen in Gärtnereien kostengünstig erhalten. Über die Vermehrung müssen Sie sich an einem geeigneten Standort keine Gedanken mehr machen. In der Flachwasserzone des Gartenteichs wächst die Binse bis in eine Tiefe von fünf Zentimeter. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hao-Chun Hu, Yi-Hong Tsai, Yu-Che Chuang et al.: Estrogenic and anti-neutrophilic inflammatory phenanthrenes from Juncus effusus L, in: Natural Product Research, Volume 36, Issue 12, Seiten 3043-3053, 2021, Taylor & Francis Online
- Kan’ichiro Ishiuchi, Yasuhiro Kosuge, Hazuki Hamagami et. al.: Chemical constituents isolated from Juncus effusus induce cytotoxicity in HT22 cells, in: Journal of Natural Medicines, Volume 69, Seiten 421-426, 2015, Spinger-Link
- Tatsuhiko Nishimura, Kiyotaka Kabata, Akiko Koike et al.: In vitro Anti-inflammatory Effects of Edible Igusa Soft Rush (Juncus effusus L.) on Lipoxygenase, Hyaluronidase, and Cellular Nitric Oxide Generation Assays: Comparison with Matcha Green Tea (Camellia sinensis L.), in: Food Science and Technology Research, Volume 22, Issue 3, Seiten 395-402, 2016, J-STAGE
- Abdelsamed I. El Shamy, Ayman F. Abdel Razek and Mahmoud I. Nassar: Phytochemical review of Juncus L. genus (Fam. Juncaceae), in: Arabian Journal of Chemistry, Volume 8, Issue 5, Seiten 614-623, 2015, Science Direct
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