Frühlings-Fingerkraut ist anspruchslos und eine häufig vorkommende Pflanze, die an geeigneten Standorten flächendeckend wächst. Fingerkräuter werden seit Jahrhunderten als Heilpflanzen genutzt. Viele medizinische Wirkungen werden auf die reichlich vorhandenen Gerbstoffe zurückgeführt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Potentilla neumanniana
- Volksnamen: Fingerkraut, Ruhrkraut (Pflanzengattung Potentilla), Gewöhnliches Frühlings-Fingerkraut
- Familie: Rosengewächse (Rosaceae)
- Verbreitung: Gemäßigtes Europa, von Nordspanien bis Weißrussland und Bulgarien. Nördlich ist es bis Norwegen, Schottland, Estland und Karelien verbreitet, im Süden bis Korsika, Apulien und Mazedonien. In Deutschland im Süden weit verbreitet, im Norden seltener.
- Verwendete Pflanzenteile: Blätter und Wurzel
- Inhaltsstoffe: Flavonoide, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Schleimstoffe, Fettsäuren, Harz, Triterpene, Tormentol (Farbstoff), ätherische Öle
- Anwendungsgebiete: bei Entzündungen, bakteriellen und viralen Infektionen, Krämpfen, Durchfall, Magen-Darmleiden, Harnverhalt sowie zur Wundheilung, Entwässerung, Senkung des Blutzuckers und allgemein zum Zellschutz. Historisch wurden Fingerkräuter gegen Ruhr eingesetzt (Ruhrkraut).
Frühlings-Fingerkraut – Eine Übersicht
- Potentilla neumanniana bevorzugt trockenen Boden, wächst auf Schotterflächen, in Felsspalten, auf Sand- und Kiesflächen, an Mauern, Straßenrändern und Dammböschungen.
- Frühlings-Fingerkraut (und andere Fingerkräuter) zählen zu den flavonoidhaltigen Gerbstoffpflanzen, womit sie zwei Gruppen von medizinisch wirkungsvollen Stoffen liefern.
- Ein Tee aus Frühlings-Fingerkraut ist ein Hausmittel gegen Halsschmerzen, infektiöse Erkrankungen der Atemwege und des Rachens sowie gegen Durchfall.
- Fingerkräuter bezeichnet die Gattung (Potentilla), da bei vielen der Arten die Laubblätter fünfzählig „gefingert“ sind (siehe auch Gänsefingerkraut und Blutwurz)
- Frühlings-Fingerkraut bildet als Bodendecker Wuchsteppiche – es wächst nicht in die Höhe, sondern in die Fläche.
- Die Pflanze blüht bereits im April leuchtend gelb. Sie ist als Zierpflanze beliebt, denn sie hat wenig Ansprüche an den Standort und kann so auch karge Böden und Flächen verschönern.
- Das heimische Fingerkraut ist eine wertvolle Nährpflanze für Schmetterlinge, Wildbienen und Hummeln, denen es bereits früh im Jahr Nektar bietet.
Potentilla neumanniana – Inhaltsstoffe
Frühlings-Fingerkraut liefert jede Menge wirkungsvoller Inhaltsstoffe, vor allem:
- Flavonoide,
- Gerbstoffe (Tannine),
- Bitterstoffe,
- Schleimstoffe,
- Fettsäuren,
- Harz,
- Triterpene,
- Tormentol (Farbstoff),
- ätherische Öle.
Frühlings-Fingerkraut – Medizinische Wirkungen
Die Inhaltsstoffe dieses Fingerkrauts haben vielseitige medizinische Wirkungen. Sie hemmen beispielsweise Entzündungen, wirken antibakteriell, antiviral und antioxidativ, ziehen zusammen, lindern Schmerzen, entspannen Krämpfe, verfestigen den Stuhl, treiben den Harn, entwässern und senken den Blutzucker.
Ein Review (2009) zur Medizingeschichte und Anwendung der Fingerkräuter kam zu folgendem Ergebnis: Moderne pharmakologische Studien hätten der traditionellen Anwendung von Potentilla-Arten eine Wirksamkeit zugesprochen. Das gelte sowohl für den Gebrauch der Extrakte der ober- als auch der unterirdischen Teile.
Traditionelle Anwendungsgebiete für Potentilla umfassten Entzündungen, wie die entzündliche Darmerkrankung Colitis ulcerosa (siehe chronisch entzündliche Darmerkrankungen), bestimmte Formen von Krebs, virale und mikrobielle Infektionen, Diabetes mellitus, Krämpfe und Leberleiden.
Die meisten der bioaktiven und medizinisch wirksamen Prozesse der Potentilla-Arten ließen sich mit dem hohen Gehalt an wasserlöslichen Gerbstoffen (Tannine) erklären. Weitere Studien werden allerdings als notwendig angesehen, um die beschriebenen historischen Anwendungen weitergehend zu bestätigen.
Frühlings-Fingerkraut hat aufgrund der Gerbstoffe und Flavonoide ein weites Anwendungsspektrum. Es lindert zum Beispiel Zahnschmerzen und Zahnfleischentzündungen.
Als Umschlag, Auflage oder Tinktur hilft es gegen Entzündungen der Haut, der Augen und der Nagelhaut. Es lässt sich gegen Hautleiden einsetzen wie Schuppen, Akne, Furunkel oder Geschwüre.
Als Tee getrunken entspannt es krampfartige Schmerzen im Magen-Darm-Trakt. Es wirkt antiseptisch auf offenen Wunden und beschleunigt die Wundheilung. Es senkt das Fieber bei grippalen Infekten und verfestigt Durchfall. Es entwässert und wurde deshalb eingesetzt, um Harn-wie Nierengrieß auszuspülen.
Anwendungen als Heilpflanze
Eingesetzt werden die Blätter und Wurzeln, als Tee, Sud oder Tinktur. Gegen Durchfall wird ein Tee getrunken. Für die Zubereitung wird ein Teelöffel der Fingerkraut-Wurzel mit einem Viertel Liter kochendem Wasser aufgegossen. Dies zieht zehn Minuten, wird dann abgegossen und abgekühlt, bis der Tee lauwarm ist. Dann wird er ohne Zugabe von Zucker getrunken.
Dieser Tee wird auch getrunken oder gegurgelt, um Entzündungen im Mund und Rachen sowie Zahnfleischbluten zu heilen. Außerdem wird der Tee genutzt, um Fieber zu senken. Dafür werden rund 30 Gramm der Wurzeln in einem Liter Wasser ungefähr zehn Minuten gekocht. Personen mit Fieber trinken von dem abgeseihten Tee eine Tasse pro Tag bis zu fünf Tage lang.
Gegen offene Wunden, die schlecht heilen, wurden die Blätter zerquetscht und in die Wunde gepresst oder die Wunden wurden mit dem Sud aus den Wurzeln ausgewaschen. Bei einem solchen Sud können 40 Gramm der Wurzeln pro Liter Wasser verwendet werden.
Nagel-Entzündungen wurden in Hausrezepten mit einem Pulver aus der gekochten und ausgetrockneten Wurzel behandelt. Diese wurde mit rohem Ei zu einer Paste vermischt und auf die betroffene Stelle aufgetragen. Geschwüre im Mund- und Rachenraum, sogenannte Aphten wurden mit einem Sud aus den Blättern behandelt. Dieser wird auf die erkrankten Stellen getupft.
Wie wirken Gerbstoffe im Frühlings-Fingerkraut?
Gerbstoffe ziehen Gewebe zusammen. So beschleunigen sie die Wundheilung, schließen offene Verletzungen und stoppen innere wie äußere Blutungen.
Gerbstoffe bekämpfen darüber hinaus oxidative Prozesse, Bakterien, Viren und Pilze. Sie entziehen Bakterien Eiweiß, indem sie die Epidermis verschließen. Wird die Haut so undurchlässig für Erreger, kann sie sich erneuern. So stoppen Gerbstoffe Wundinfektionen oder verhindern sie schon im Vorfeld.
Sie lindern Krampfadern und verkleinern Blutergüsse. Das Zusammenziehen wirkt gegen Entzündungen der Schleimhäute in Rachen, Mund, Darm und Magen. Es verfestigt auch den Stuhl.
Die Gerbstoffe im Frühlings-Fingerkraut bleiben im Tee / Extrakt / Aufguß erhalten und lassen sich in dieser Form einnehmen gegen entzündliche Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich, bei Zahnfleisch- und Rachenentzündungen oder Halsentzündungen. Äußerlich aufgetragen wirken sie gegen Hautentzündungen, offene Wunden, Ekzeme und bakterielle Infektionen.
Wie wirken Flavonoide?
Frühlings-Fingerkraut liefert Flavonoide. Diese sekundären Pflanzenstoffe helfen dem Körper, oxidative Prozesse zu bremsen und somit die Zellen zu stärken. Das beugt tendenziell Krebs und Alterungsprozessen der Haut vor.
Eine im Fingerkraut enthaltene Gruppe der Flavonoide, die Anthocyane zeigen Effekte gegen potenziell pathogene Mikroben. Eine Studie (2007) zeigte: Anthocyane reduzieren Stoffe, die Entzündungen fördern – sie wirken also gegen Entzündungen.
Bei den Belegen für die Wirkung der Anthcyane handelt es sich allerdings um Laborstudien. Umstritten ist der konkrete Effekt im menschlichen Organismus, denn Anthocyane werden in der Regel nicht gut vom Körper aufgenommen.
Das in der Gattung Fingerkraut vorhandene Flavonoid Quercetin gilt, laut einen Review (2018) als potenzielle Basis, um Medikamente gegen Krankheiten des Herzkreislaufs zu entwickeln.
Wie wirken Bitterstoffe?
Bitterstoffe in Fingerkräutern steigern die Tätigkeit der Galle, Leber und Bauchspeicheldrüse. Dadurch wird Fett intensiver verdaut, und der Salzsäuregehalt steigt. Damit geht der Heißhunger auf Zucker zurück. Außerdem fördern Bitterstoffe ein schnelles Gefühl der Sättigung. Sie vermehren den Speichelfluss und bringen den Darm in Aktion.
Bitterstoffe sollten Sie nicht zu sich nehmen bei einer Magenübersäuerung und Magengeschwüren.
Wie wirken Schleimstoffe?
Schleimstoffe speichern Flüssigkeit und mindern Reize. Sie erweichen Haut, Schleimhaut und Gewebe und legen sich als Schutzfilm über entzündete Stellen. Sie lösen Verstopfung, binden schwer verdauliche Stoffe im Magen und Darm und führen ab. Sie befeuchten verletzte Schleimhäute und wirken gegen trockenen Reizhusten. Sie spenden trockener Haut und Schleimhaut Feuchtigkeit.
Schleimstoffe wirken auf diese Art gegen Entzündungen in Mund, Rachen, Speiseröhre, Hals, Magen und Darm. Der Schutzfilm hält pathogene Erreger ab.
Eine Studie (2019) zeigte, dass bestimmte Schleimstoffe (Polysaccharide mit Beta-Glucan) im Hafer Wundheilungen deutlich beschleunigen können.
Schleimstoffe werden alleridings komplementär eingesetzt und heilen nicht die Ursache schwerer Erkrankungen.
Wie sicher ist Frühlings-Fingerkraut?
Frühlings-Fingerkraut wird nicht nur als pflanzliches Arzneimittel, sondern auch als Nahrung genutzt. Es gibt keine Hinweise auf Giftwirkungen. Dennoch sollten Stillende, Schwangere und Kinder Fingerkraut nicht nutzen: Mögliche schädliche Auswirkungen für diese Gruppen sind unzureichend erforscht.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Eine unerwünschte Nebenwirkung kann sich durch die effiziente Hilfe bei der Wundheilung einstellen. Wenn offene Wunden durch die im Fingerkraut vorhandenen Gerbstoffe beschleunigt schließen, steigert sich die Zellproduktion. Dies kann zu Narbenbildung führen. Je nach Körperstelle und Ausprägung der Narben können diese als unästhetisch wahrgenommen werden.
Vorkommen
Frühlings-Fingerkraut kommt mit Sonne und Halbschatten zurecht. Die Pflanze besiedelt trockene, aber nährstoffreiche Böden mit Sand und Kies, denn Sie benötigt ein durchlässiges Erdreich und erträgt keine Staunässe.
Potentilla neumanniana findet man auf trockenen Wiesen, besonders auf Viehweiden, aber auch an Böschungen, Bahndämmen, Weg- und Straßenrändern und an Berghängen und auf Hügelkuppen.
Im Garten eignet sie sich ideal zur Mauerbegrünung, für steinige Wege, Steingärten, Kiesmulden und sandige Flächen. Beliebt ist diese Art für die Dachbegrünung, da sie kaum Pflege braucht. Auch triste Parkplätze gewinnen ökologisch und ästhetisch erheblich durch die ebenso schöne wie anspruchslose Pflanze. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
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- Karl Hiller und Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Erster Band A bis K, Heidelberg-Berlin, 1999
- Anette Karlsen, Lars Retterstøl, Petter Laake et al.: Anthocyanins inhibit nuclear factor-B activation in monocytes and reduce plasma concentrations of pro-inflammatory mediators in healthy adults, in: The Journal of Nutrition, Volume 137, Seiten 1951-1954, 2007, Oxford University Press
- Rahul V. Patel, Bhupendra M. Mistry, Surendra K. Shinde et al.: Therapeutic potential of quercetin as a cardiovascular agent, in: European Journal of Medicinal Chemistry, Volume 155, Seiten 889-904, 2018, ScienceDirect
- Michal Tomczyk & Klaus Peter Latté: Potentilla - A review of its phytochemical and pharmacological profile, in: Journal of Ethnopharmacology, Volume 122, Issue 2, Seiten 184-204, 2009, ScienceDirect
- Ben-Erik van Wy, Coralie Wink, Michael Wink: Handbuch der Arzneipflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015
- Elfrune Wendelberger: Heilpflanzen. Erkennen, sammeln, anwenden. München / Wien / Zürich, 2003
- Max Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Lage, Stuttgart, 2008
Wichtiger Hinweis:
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