Die Glockenheide kennen wir vor allem als kultivierte Formen aus dem Gartenhandel. In freier Natur verwechseln Laien sie leicht mit der Besenheide Calluna, der Charakterpflanze der Lüneburger Heide. Erica (auch Erika), die Glocken- oder Moorheide, braucht aber ein feuchteres Substrat und eine hohe Luftfeuchtigkeit – natürlich wächst sie hierzulande deshalb an der Nordseeküste und in Mooren. Das Heidekraut Erika ist in der Volksheilkunde zu Recht als Tee gegen schweren Husten, Blasenentzündung und grippale Infekte bekannt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Erica tetralix
- Familie: Ericaceae
- Volksnamen: Erika, Heide, Heidekraut, Moorheide, Doppheide, Toppheide, Dopphehe, Sumpfheide, Torfheide, Suerheid, Forchheide, Frühlingsheide, Bohnerheide, Murrheid, Topfheide, Fastheide, Bultheide, Sumpfglockenheide
- Vorkommen: Norddeutschland, Moore und saure Böden
- Verwendete Pflanzenteile: Kraut, Blüten, blühende Triebspitzen
- Anwendungsgebiete:
- Fieber
- grippale Infekte
- Husten
- Bronchitis
- Darmerkrankungen
Inhaltsstoffe
Bioaktive Stoffe der Glockenheide sind Ursolsäure, Catechingerbstoffe, Flavone, Saponine, Arbutin, Oleanolsäure, Cholesterol, Campesterol, Sitosterol, Sistaniol und Sigmasterol. Aus dem Arbutin bildet der menschliche Organismus Hydrochinon.
Wirkungen
Das aus dem Arbutin gebildete Hydrochinon wirkt antibakteriell und dient in der Volksmedizin besonders dazu, Harnwegsinfektionen und Entzündungen des Urogenitaltrakts zu behandeln. Die antibakteriellen Effekte sind besonders stark gegen Escherichia coli Bakterien. Hydrochinon eignet sich auch dazu, eine Hyperpigmentierung der Haut zu behandeln, da der Stoff die Melanozyten zurückdrängt. Er hemmt die enzymatische Oxidation von Tyrosin zu 3,4-Dihydroxyphenylalanin (DOPA).
Nebenwirkungen von Arbutin beziehungsweise mögliche mutagene und kanzerogene Eigenschaften von Hydrochinon sollten aber bei einer Anwendung unbedingt beachtet werden.
Die Saponine wirken als Schleimlöser, die Gerbstoffe wirken antibakteriell und kurbeln die Verdauung an. Mittel aus der Glockenheide wie Tee, Extrakt oder Umschläge entwässern, lindern Krämpfe und wirken rheumatischen Beschwerden entgegen. Sie treiben den Schweiß und lassen sich insofern auch einsetzen, um Fieber zu senken.
Heideblütentee
Ein Tee aus Glockenheide eignet sich, um Entzündungen zu behandeln. Dafür gießen sie zwei Teelöffel getrocknete Blüten mit einem Viertelliter heißem Wasser auf und lassen alles wenige Minuten ziehen. Äußerlich eingesetzt, bei Hautinfektionen, Akne oder zur Wundheilung, befeuchten Sie ein Tuch mit dem abgekühlten Tee.
Bei Fieber, Harnverhalt, Harnwegs- oder Blaseninfektionen und Magen-Darm-Beschwerden trinken Sie den Tee, am besten bis zu drei kleine Tassen vor den Mahlzeiten. Getrunken erleichtert der Tee das Abhusten bei Bronchitis und anderen Hustenerkrankungen mit zähem Schleim.
Nebenwirkungen
Hydrochinon kann bei besonderer Empfindlichkeit unangenehme Nebenwirkungen auslösen. Dazu gehören zum Beispiel Hautreaktionen wie Rötungen und Austrocknung, verbunden mit stechend-brennenden Schmerzen und Verfärbungen der Haut. In Laborversuchen zeigte Hydrochinon mutagene Eigenschaften: Schwangere, Stillende und Kinder unter zwölf Jahren sollten deshalb keine Erika-Produkte zu sich nehmen.
Die generelle Anwendungsdauer und -häufigkeit entsprechender Zubereitungen mit Arbutin sollte begrenzt sein.
Calluna vulgaris
Der Volksmund nennt Zwergsträucher der Heidelandschaft generell „Heide“ oder „Heidekraut“. Die Besenheide, die in der Lüneburger Heide vorranging anzutreffen ist, Calluna vulgaris, gehört nicht in die Gattung der echten Heidekräuter (Erika), wie diese aber in die Familie der Heidekrautgewächse (Ericaeae). Auch die Glockenheide ist in der Lüneburger Heide zu finden. Sie blüht meist kurz vor der Besenheide.
Glockenheide
Die Glockenheide oder Moorheide Erica tetralix, mag es, der Name sagt es, feucht – im Unterschied zur Besenheide, die auf trockenen Sandböden ebenso gedeiht wie in lichten Kiefernwäldern. Sie ist im Westen und Norden Europas verbreitet, in Deutschland an der Nordsee und in Schleswig-Holstein. Sie liebt Böden mit wenig Nährstoffen, die sauer und torfig sind – die Erde muss frei von Kalk sein.
Sie liebt Hoch- wie Niedermoore, Heideweiher und feuchte Sandkuhlen, Waldlichtungen und temporäre Sumpflandschaften. Sehr gut gedeiht sie auf teilweise entwässerten Mooren, die nach wie vor einen feuchten Torfboden haben aber keine offenen Wasserflächen. Hier bilden sich regelrechte Moorheidelandschaften, ein spezielles Biotop.
Während der traditionelle Torfabbau und graduelle Entwässerungen mit primitiven technischen Methoden Erica tetralix sogar zugute kamen, setzt ihr heute die zunehmende Entwässerung und Wiederbewaldung sehr zu. Wir finden sie heute in größerem Ausmaß nur noch in Naturschutzgebieten, und dort sorgen meist Naturschützer dafür, dass sich kein Wald entwickelt.
Großfächig vertreten war die Moor-Glockenheide hierzulande nie. Ausgedehnte Bestände finden wir in Deutschland nur an der Nordseeküste.
Erika Pflanze
Die Familie der Heidekräuter (Erica) besteht aus immergrünen Sträuchern und Bäumen, die meisten liegen am Boden auf, manche wachsen aber bis zu zehn Meter in die Höhe. Ihre Blätter stehen meist in Wirteln. Die Blütenblätter welken, bleiben aber an der Pflanze, in der Regel vier Kelchblätter, die klein und unscheinbar, aber auch groß und farbenreich sein können.
Heidekräuter tragen meist acht Staubblätter mit geraden oder s-förmigen Staubfäden. Der Griffel ist gewöhnlich länger als der Fruchtknoten. Heidegewächse tragen Steinfrüchte.
Erica tetralix ist immergrün wie die anderen Heidekräuter, erreicht aber bei weitem nicht die Höhe mancher Verwandter, sondern wird nur 15 bis 20 Zentimeter groß. Dieser Zwergstrauch bildet winzige aufrecht stehende holzige Stämme mit aufsteigenden Zweiglein, an denen jeweils vier Blätter einen Quirl bilden.
Die Glockenheide trägt nadelartige Blätter, die bis sechs Millimeter erreichen, vom Stängel abstehen und sich am Rand einrollen. Bilden sich die Blätter neu, tragen sie anfangs Haare, später werden sie kahl.
Heideblüte
In der Natur trägt die Glockenheide rosa Blüten. Diese blühen zwischen Juli und September, abhängig vom Breitengrad und dem Klima. Circa ein Dutzend der Blüten bilden eine Dolde. Sie haben vier Kronblätter, aber nur zwei bis drei Hochblätter.
Die Blüten enthalten Staubfäden, Staubbeutel und Griffel. Die befruchtete Blüte bildet eine Kapsel mit braunen Samen. Der Heidetee gegen Husten, zum Schleimlösen und Fiebersenken wird aus diesen getrockneten oder frischen Blüten hergestellt.
Die Bestäubung erfolgt vor allem über die winzigen Gewittertierchen, die ihre Eier in die Kronblätter legen, wo sich auch die Larven entwickeln. Die geflügelten Weibchen halten sich ebenfalls in den Blüten auf. Auch spontane Selbstbestäubung ist recht häufig, seltener die Bestäubung durch Schmetterlinge, Hummeln und Bienen.
Heide pflanzen
Glockenheide ist in der Natur inzwischen selten geworden, was daran liegt, dass ihr Lebensraum, das Moor, verschwindet. Sie lässt sich einfach im Garten anbauen und ist eine typische Pflanze für Moorbeete und die Randzonen des Gartenteichs. Wichtig ist ein heller Standort aber ohne direkte Sonneneinstrahlung, sonst trocknen die Blüten schnell aus und fallen ab.
Glockenheide lässt sich gut pflanzen und pflegen. Das Substrat sollte humös, torfig und sauer sein und dauerhaft feucht bleiben. Für einen Naturgarten verbietet sich Torf, dessen Abbau den natürlichen Lebensraum der Glockenheide zerstört. Statt Torf bieten sich quellfähige, ungedüngte Ballen von Kokosfasern an, dazu Moorerde und kalkfreier Sand.
Erika braucht Feuchtigkeit und gerade in trockenen Sommern sollten Sie häufig gießen, falls die Pflanzen nicht in einem immerfeuchten Moorbeet stehen. Das Wasser muss kalkfrei sein, denn auf Kalk reagiert die Moorheide „allergisch“. Am besten ist weiches Wasser aus der Regentonne, Leitungswasser in Deutschland ist meist zu hart.
An Dünger braucht sie alle paar Wochen eisenhaltigen Flüssigdünger oder aber Langzeitdünger für Seerosen. Im Frühjahr können Sie die Heidekräuter mit reichlich reifem Kompost verwöhnen. Die Temperatur darf nicht zu hoch sein, denn schon bei über zehn Grad über Null behagt es ihr nicht mehr sonderlich. Dafür gilt für die Luftfeuchtigkeit: Je höher, desto besser.
Kalt kann es ruhig werden, minus fünf Grad sind kein Problem, wichtig ist, dass der Wurzelballen feucht bleibt, aber nicht nass ist. Trocknet der Wurzelballen, dann stirbt die Pflanze.
Sie pflanzen im Frühjahr oder Herbst außerhalb der Blütezeit. Vor dem Einsetzen tauchen Sie die Wurzeln in Wasser und lockern den Boden dort auf, wo die Pflanze wachsen soll. Das Pflanzloch sollte so tief sein, dass der Wurzelballen mindestens einen Zentimeter mit Erde bedeckt wird.
Erica tetralix braucht in den ersten Wochen nach dem Einpflanzen regelmäßig viel Wasser, um anzuwachsen. Pro Quadratmeter können Sie bis zu zehn Heidekräuter pflanzen.
Glockenheide vermehren und pflegen
Statt Erika mit Samen zu vermehren, was aufwändig ist, können Sie Kopfstecklinge abschneiden oder Seitentriebe, die noch nicht vollkommen verholzt sind. Diese pflanzen Sie in lockere Erde.
Die Heidekräuter entwickeln sich buschig, wenn Sie jährlich die alten Blütentriebe zurückschneiden, und zwar vor dem erneuten Austreiben, das heißt spätestens Ende Februar.
Glockenheide im Moorbeet
Wenn Sie ein Moorbeet anlegen, handeln Sie erstens ökologisch vorbildlich, da Sie in der Natur bedrohten Pflanzen- und Tierarten ein wenig Lebensraum schaffen, und zweitens können Sie auch Heilpflanzen für den eigenen Bedarf anpflanzen, denn nicht nur die Glockenheide, auch andere Moorgewächse sind wertvolle Nahrungsergänzungen und Heilkräuter.
Ähnliche Ansprüche an das Habitat haben Heidel-, Preisel- und Moosbeeren. Alle drei sind Vitamin- und Mineralienbomben, die manches exotische „Superfood“ weit in den Schatten stellen. Heraus ragt besonders der hohe Gehalt an Vitamin C und Eisen. Auf dem sauerfeuchten Boden gedeihen auch Fieberklee und Lungen-Enzian, die gegen fiebrige Erkrankungen der Atemwege helfen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
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Wichtiger Hinweis:
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