Habichtskräuter sind eine artenreiche Gattung der Korbblütler, von denen das Kleine Habichtskraut, auch Mausohr genannt, eine längere Medizingeschichte vorweisen kann. Es dient als Hausmittel dazu, bei Harnwegsinfektionen und Harnverhalt die Harnmenge zu erhöhen und den Urinfluss zu steigern.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Hieracium pilosella / Pilosella officinarum (Kleines Habichtskraut)
- Volksnamen: Mausohr, Mäuseohr, Ohrenkraut, Dukatenröschen, Felsenblümeli, Langhaariges Habichtskraut
- Familie: Korbblütler (Asteraceae)
- Verbreitung: Von Westeuropa bis zum Kaukasus / Westsibirien, Neophyt in Nordamerika und Neuseeland
- Verwendete Pflanzenteile: getrocknete Pflanze mit den oberirdischen Teilen und Wurzeln
- Inhaltsstoffe: Flavonoide, Gerbstoffe, Bitterstoffe, Cumarine und Schleimstoffe
- Anwendungsgebiete: Harnausscheidung (anerkannt als Diuretikum), in der Volksmedizin diverse Verwendungen, beispielsweise: Ödeme / Wassersucht, Wundheilung, Infektionen im Mund- und Rachenraum, Husten, Erkrankungen mit Schleimbildung in den Atemwegen, Asthma, Menstruationsbeschwerden, Halsschmerzen, Heiserkeit, grippale Infekte
Habichtskraut – Eine Übersicht
- Das griechische Wort „hierax“ bezeichnet einen Greifvogel. Vermutlich erinnerten die Zungenblüten an Habichtflügel. Laut dem Volksglauben sollen Habichte das Kraut fressen und so ihre Sehstärke schärfen. Andere Erklärungen des Namens sind, dass die Pflanzen an schwer zugänglichen Felsen wachsen, wo sich Greifvögel aufhalten.
- Habichtskräuter (Hieracium) sind eine äußerst artenreiche Gattung der Korbblütler mit bis zu 1000 Spezies und diversen Zwischenformen.
- Die Mausohr-Habichtskräuter bilden eine eigene Untergattung. Dazu gehören unter anderem das Kleine Habichtskraut, das Florentiner Habichtskraut, das Orangerote Habichtskraut und das Wiesen-Habichtskraut.
- Das Kleine Habichtskraut mit Wurzel ist vom HMPC (Herbal Medicinal Product Committee) als ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Dieses erhöht laut langjährigen Erfahrungen die Harnmenge und fördert die Durchspülung der Harnwege.
- Kleines Habichtskraut wächst in felsigem Boden, auf Heiden, Geröllfeldern, auf Trockenrasen, in Gebirgsspalten und Steinhängen. Dort breitet sich die kräftige Staude oft flächendeckend aus.
- Kleines Habichtskraut zeigt stickstoffarme Standorte und Plätze mit trockenem Boden an. Außerdem liebt die Pflanze es warm und im Licht.
- Die Volksheilkunde nutzt einen Sud aus Kleinem Habichtskraut gegen Durchfall, Darmbeschwerden, Atemwegserkrankungen sowie gegen Hautgeschwüre und andere Hauterkrankungen. Da die Pflanze leicht psychoaktiv wirkt, wird sie auch zu entsprechenden Rauschzwecken eingesetzt.
- Eine Vielfalt bioaktiver Stoffe zeigen darüber hinaus ein Potenzial für Arzneimittel gegen entzündliche und bakterielle Erkrankungen.
Habichtskraut – Inhaltsstoffe
Habichtskraut enthält eine Fülle von Stoffen, die auf den Organismus von Tieren und Menschen einwirken. Eine polnische Studie von 2011 erwähnte unter anderem Hydroxycumarine wie Umbelliferon.
Dazu kommen Flavonoide wie Luteolin, Apigenin und Isoetin. Außerdem Gerbstoffe (Tannine) wie Alpha- und Beta-Myrin, Taraxerol, Taraxesterol, sowie organische Säuren wie Kaffeesäure, Ascorbinsäure und Chlorogensäure.
Anwendung in der Volksmedizin
Eine brasilianische Übersichtsstudie zeigte, dass lediglich 34 der vielen hundert Habichtskrautarten im Kontext traditioneller Medizin auftraten. Das Kleine Habichtskraut wurde am häufigsten erwähnt und zeigte sich als weit verbreitet, um den Harndrang zu fördern.
Andere populäre Anwendungen in der Volksmedizin umfassten, der Studie zufolge, die Behandlung von Hauterkrankungen, Darmbeschwerden und Leiden der Gefäße. In der Volksheilkunde wurden Arten der Habichtskräuter genutzt als Antibiotika, um pathogene Mikroben abzutöten.
Darüber hinaus auch zur Wundheilung, gegen Diabetes, zur Entgiftung und wegen ihrer zusammenziehenden Wirkung (Durchfall, Schnupfen, Wunden). Weniger verbreitet ist die Verwendung von Habichtskräutern in „Liebestränken“.
In Mitteleuropa ist Tee oder Tinktur aus dem Kleinen Habichtskraut bekannt als Mittel gegen Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Auch gegen infektiöse Erkrankungen der Atemwege wie Asthma bronchiale, Bronchitis oder Nasennebenhöhlenentzündung.
Bei Halsschmerzen und Heiserkeit wurde es ebenfalls eingesetzt. Und auch als Schleimlöser bei Husten und Schnupfen, sowie bei leichten Verbrennungen und oberflächlichen Wunden.
Tee aus Habichtskraut soll Menstruationsbeschwerden lindern und Bluthochdruck senken. Verbreitet war die Anwendung als Hausmittel gegen Wassereinlagerungen im Körper (Ödeme).
Kleines Habichtskraut – Tee und Aufguss
Äußerlich eingesetzt wird ein Tee aus Habichtskraut, um Ohrenschmerzen und Ohrensausen zu lindern. Dazu wird ein stärker konzentrierter Sud lauwarm in die Ohrmuschel geträufelt.
Auch leichte Hautverletzungen und Verbrennungen ersten Grades werden mit Auflagen und Umschlägen eines solchen Tees behandelt. Hier sollte der Aufguss indessen kühl sein.
Habichtskraut – Medizinische Wirkung
Habichtskraut enthält antioxidativ wirkende Stoffe wie Flavonoide, Phenolsäuren und Tannine. Solche Stoffe sind bekannt dafür, bestimmten Krebsformen vorzubeugen, Störungen des Herz-Kreislauf-Systems zu verhindern und Entzündungen einzudämmen.
Die Europäische Arzneimittelagentur hält fest: Die traditionelle Verwendung des Kleinen Habichtskrauts ist in Handbüchern aus unterschiedlichen Ländern Europas gut dokumentiert. Diese in der Medizingeschichte zugeschriebene Effektivität wird unterfüttert durch den Einsatz der Pflanze in medizinischen Produkten des europäischen Marktes der letzten Jahrzehnte.
Als belegt gelten darf demnach der Einsatz als Kräutertee oder als Pulver in soliden Fertigarzneien für die mündliche Einnahme als traditionelles Medizinprodukt, um den Urinfluss zu fördern. Dabei ist die wissenschaftliche Information beschränkt.
Experimentelle Forschung, die die traditionelle Verwendung des Kleinen Habichtskrauts unterfüttern könnte, basiert vor allem auf in vitro-Studien. In vivo-Modelle sind nur sehr begrenzt untersucht, dies gilt besonders für die Wirkung auf Menschen.
Zudem identifiziert die Mehrheit der Studien nicht die Substanzen, die für entdeckte Effekte verantwortlich sind. Nachgewiesene Wirkungen sind:
- Gegen Bakterien,
- gegen Viren und Pilze,
- zur Krebsprävention,
- als Darmschutz,
- gegen Diabetes,
- gegen Epilepsie,
- gegen Fettleibigkeit,
- zum Verjüngen der Haut.
Es bestehen wenig Zweifel, dass die erwähnten Bereiche potenzieller Wirksamkeit vielversprechend sind, um neue Arzneimittel und Gesundheitsprodukte auf der Basis von Stoffen des Kleinen Habichtskrauts zu entwickeln. Dazu werden aber zusätzliche Daten benötigt.
Besonders zu den speziellen Inhaltsstoffen wie Sesquiterpenen und Cumarinen, zu deren Bioaktivität und Giftigkeit sowie ihrer Biosynthese. Kleines Habichtskraut wirkt zudem leicht psychoaktiv.
Anwenderinnen und Anwende vergleichen den Effekt mit dem von Marihuana. Wissenschaftliche Studien zu dieser Wirkung fehlen.
Eine serbische Studie untersuchte die Wirkung von Extrakten aus der ganzen Pflanze auf Mikroben und Oxidationsprozesse im Organismus. Die höchsten Konzentrationen fanden sich bei Chlorogensäure, Apigenin-7-O-Glykosid und Umbelliferon.
Methanolextrakte aus der Pflanze zeigten unter allen Extrakten die stärkste Wirkung gegen freie Radikale. Deutliche Wirkungen zeigten die Auszüge gegen Kolibakterien, Staphylokokken-Erreger, Salmonellen und die Stäbchenbakterien Klebsiella pneumoniae. Auch gegen die Pilze Aspergillus niger und Candida albicans waren Wirkungen erkennbar.
Wie lange sollten Sie Habichtskraut einsetzen?
Wissenschaftlich valide Werte zur Anwendungsdauer des Kleinen Habichtskrauts gibt es nicht.
Birken-, Weidenrinden- oder Löwenzahntee, die ebenso den Harntrieb fördern, sollten zwei bis drei Wochen eingenommen werden. Dies ist vermutlich auch eine Richtlinie für Tee aus Kleinem Habichtskraut.
Worauf müssen Sie achten?
Es gibt keine tragfähige Information zur Sicherheit des Kleinen Habichtskrauts. Aber der lange Gebrauch in der traditionellen Medizin innerhalb der Europäischen Union lässt vermuten, dass die Pflanze generell ohne Probleme eingenommen werden kann.
Bei vorhandenen Allergien gegen Korbblütler (Asteraceae) dürfen Sie indessen kein Habichtskraut konsumieren. Denn hier sind Kreuzallergien möglich.
Wenn Sie unter Ödemen aufgrund eingeschränkter Funktionen der Nieren und des Herzens leiden, dürfen Sie ebenfalls nicht mit Habichtskraut-Tee durchspülen. Generell müssen Sie bei Harnwegsinfekten viel Flüssigkeit zu sich nehmen.
Das gilt auch für eine Therapie mit Aufguss aus Habichtskraut, nach der Sie zusätzlich reichlich Wasser trinken sollten. Da es keine Daten gibt, sollten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren vorsichtshalber kein Habichtskraut zu sich nehmen.
Mögliche Verwechslungen beim Kleinen Habichtskraut?
Pilosella officinarum lässt sich theoretisch in der Blüte mit Löwenzahn verwechseln. Dramatisch ist das nicht, da sich beide Pflanzen essen lassen. Die Ähnlichkeit bezieht sich indessen lediglich auf die Blüte: Die Blätter des Kleinen Habichtskrauts sind oval, die des Löwenzahns zackig.
Kleines Habichtskraut – Verbreitung
Pilosella officinarum kommt fast überall in Europa vor, wenn ihm der Lebensraum zusagt. In Nordeuropa wächst es bis in die Nähe der Arktis, in Russland östlich bis über die Grenze des Ural.
Wo wächst das Habichtskraut?
Kleines Habichtskraut braucht Licht. Es wächst deshalb nicht in dichten Wäldern oder zwischen laubreichem Gestrüpp.
Es besiedelt Magerrasen, Heiden, Weg- und Waldränder, offene Wälder, Waldlichtungen, Felsspalten und Gebirgshänge, Mauern und Geröll. Es toleriert Trockenheit, aber keinen Stickstoff. Sind diese Bedingungen gegeben, dann ist die Pflanze dominant und breitet sich weit aus. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- European Medicines Agency, Committee on Herbal Medicinal Products: Assessment report on Hieracium pilosella L., herba cum radice; www.ema.europa.eu 2015 (abgerufen am 10.11.2022), ema.europa.eu
- Karl Hiller; Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Erster Band A bis K. Heidelberg-Berlin, 1999
- Monika Gawrońska-Grzywacz, Tadeusz Krzaczek, Renata Nowak; et al.: Biological activity of new flavonoid from Hieracium pilosella L; in: Central European Journal of Biology, Volume 6, Issue 3, Seiten 397-404, 2011, degruyter.com
- Ljiljana Stanojević, Mihajlo Z. Stankovic, Vesna D. Nikolic; et al.: Anti-oxidative and antimicrobial activities of Hieracium pilosella L. Extracts; in: Journal of the Serbian Chemical Society, Volume 73, Issue 5, Seiten 531-540, 2008, doiserbia.nb.rs
- Johanna Willer, Christian Zidorn, Jorge Juan-Vicedo: Ethnopharmacology, phytochemistry, and bioactivities of Hieracium L. And Pilosella Hill (Cichorieae, Asteraceae) species; in: Journal of Ethnopharmacology, Volume 281, 2021, sciencedirect.com
- Walter Wurzer (Hg.): Die große Enzyklopädie der Heilpflanzen. Klagenfurt 1994. Titel des Originals 1977 „Le erbe“. Übertragung aus dem Italienischen.
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.